2. Fußball-Bundesliga Hertha-Umbruch im Sommer - wie könnte der Kader nächste Saison aussehen?
Nach dem verkorksten Rückrundenstart kann Hertha BSC für eine weitere Zweitligasaison planen. Auslaufende Verträge, wechselwillige Stars, sportliche Enttäuschungen und nachrückende Talente - dem Kader droht ein riesiger Umbruch. Von Marc Schwitzky
Tabellenplatz 13, 25 Punkte nach 21 Spielen, 13 Zähler Abstand auf Relegationsplatz drei – nach zuletzt drei Niederlagen in Folge kann Hertha BSC die Erstligarückkehr auch im zweiten Jahr nach dem Bundesliga-Abstieg abhaken. Die Berliner müssen bei nur sieben Punkten Abstand auf Rang 16 sogar leicht nach unten blicken, können aber wohl für eine weitere Zweitligasaison planen. Dabei kommt auf die sportlich Verantwortlichen um Sportdirektor Benjamin Weber eine Mammutaufgabe zu.
Der "alten Dame" droht ein riesiger Umbruch. Ein weiteres Jahr in der zweiten Fußball-Bundesliga bedeutet einerseits massive Etatkürzungen, zum anderen den Wechselwunsch vieler Leistungsträger. Hinzu kommen mehrere auslaufende Verträge und Spieler, die sportlich so enttäuscht haben, dass eine Trennung sehr wahrscheinlich ist. Zeitgleich werden viele Eigengewächse gemäß des "Berliner Wegs" den nächsten Schritt bei Hertha machen wollen und auch neue Spieler verpflichtet werden – zwei Namen sollen bereits feststehen.
Wie also könnte der Kader der Blau-Weißen in der kommenden Saison aussehen?
Welche jeweilige Perspektive haben die Spieler mit auslaufendem Vertrag?
Zugegeben, im Februar bereits das Transfergeschehen im Sommer zu prognostizieren, ist mit Unsicherheiten verbunden. Allerdings schafft zumindest die Vertragslage einiger Spieler Klarheit. Am Saisonende laufen die Arbeitspapiere von gleich sieben Kickern aus.
Andreas Bouchalakis und Smail Prevljak haben jeweils sportlich nicht überzeugen können, hätten bereits im letzten Sommer- und Wintertransferfenster gehen sollen und werden den Verein verlassen. Jeremy Dudziak konnte aufgrund vieler Verletzung kaum helfen und wird ebenfalls gehen. Auch der Abgang des bereits im Winter wechselwilligen Jonjoe Kenny scheint unausweichlich – er will zurück zu seiner Familie in die englische Heimat.
Die Zukunft von Kapitän Toni Leistner und Florian Niederlechner ist noch unklar. Beide Routiniers sind 34 Jahre alt, beide konnten in der laufenden Saison nicht immer überzeugen und könnten für einen Generationswechsel Platz machen. Doch beide gehören zur Führungsachse der Berliner. Hertha kann es sich – besonders beim bevorstehenden Umbruch – kaum leisten, so viel Erfahrung und Führungsstärke zu verlieren. Es scheint daher nicht ausgeschlossen, dass Leistner und Niederlechner zumindest für ein weiteres Jahr bleiben und dafür in die zweite Reihe rücken. Auch Deyovaisio Zeefuik, der für seinen Einsatz und seine Flexibilität geschätzt wird, könnte Hertha erhalten bleiben.
Welche Leistungsträger wird Hertha (nicht) halten können?
Aufgrund der unausweichlichen Sparmaßnahmen und sinkenden sportlichen Attraktivität erwartet Hertha ein Verkauf des Tafelsilbers. Allen voran Toptalent Ibrahim Maza, der Interesse in ganz Europa weckt, wird nicht zu halten sein. Sein Abgang würde viel Geld, aber auch riesige Qualitätslücke hinterlassen. Dasselbe gilt für Fabian Reese, der zwar in der laufenden Saison aufgrund von Verletzungsproblemen kaum helfen konnte, dennoch einen Markt hat und sich wohl kein drittes Zweitligajahr bei Hertha antun wird.
Tjark Ernst und Marton Dardai verlängerten zwar erst jeweils vor wenigen Monaten ihre Verträge, werden aber wohl aufgrund des mittelfristigen Zweitliga-Verbleibs Herthas im Sommer die Chance suchen, in eine erste Liga zu wechseln. Pascal Klemens hat nur noch bis Sommer 2026 einen Vertrag, weshalb ein Wechsel allein schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu verhindern sein wird. Derry Scherhant spielt seine stärkste Profi-Saison und wird sich in den Fokus ambitionierterer Vereine gebracht haben – bei einem guten Angebot wird der Linksaußen nicht zu halten sein. Sie alle eint, den nächsten Schritt gehen zu wollen, den sie mit Hertha nicht gehen können. Das Schicksal eines nun etablierten Zweitligisten.
Der Silberstreif am Horizont könnte sein, dass Michal Karbownik, Michael Cuisance und Linus Gechter allesamt bleiben könnten. Die drei Spieler haben allesamt großes Talent, jenes in der laufenden Saison auch nachweisen können – aber nicht konstant genug, um wirklich Interesse zu wecken. Hier ist nicht auszuschließen, dass Vereine zu wenig Geld bieten werden, als dass Hertha zum Verkauf gezwungen sein wird.
Diese Spieler werden trotz Vertrag wohl gehen
Aber auch Spieler, die über den Sommer hinaus einen Vertrag, sportlich aber nicht überzeugt haben, könnten Berlin den Rücken kehren. Agustin Rogel, Bradley Ibrahim, Robert Kwasigroch und Gustav Christensen sind derzeit allesamt verliehen und werden auch im Sommer nach ihrer Rückkehr keine sportliche Rolle bei Hertha spielen. Sie alle wurden Medienberichten zufolge mit einer Kaufoption verliehen, weshalb sie möglich gar nicht erst wieder an der Hanns-Braun-Straße aufschlagen werden.
Zudem wird Hertha wohl bemüht sein, Abnehmer für Bilal Hussein und Palko Dardai zu finden. Beide Spieler sind bereits in ihrem zweiten Hertha-Jahr und konnten nicht nachhaltig überzeugen. Eine geringe Ablöse und das Sparen des Gehalts dürften Argumente genug für einen Verkauf sein.
Diese Spieler werden bleiben und sich beweisen müssen
Trotz des immensen Aderlasses wird Hertha weiter auf eine Achse von Spielern setzen müssen. Gleich mehrere Akteure werden in der kommenden Saison von der Partie sein und sich beweisen müssen. Torhüter Marius Gersbeck hat sich zur Rückrunde gegen Konkurrent Ernst durchgesetzt und wird als erfahrenerer Spieler wohl auch in die kommende Saison als Nummer eins gehen. John Anthony Brooks und Diego Demme haben 2024/25 aufgrund von Verletzungen kaum bis gar nicht eingreifen können und werden daher in der kommenden Saison als Führungsspieler neu angreifen wollen.
Kevin Sessa, Jon Dagur Thorsteinsson, Marten Winkler und Luca Schuler erleben allesamt eine eher enttäuschende Saison bei Hertha, werden aber längerfristig eingeplant und haben das theoretische Potenzial zum Zweitligaformat. Auf sie kann der Trainer der kommenden Saison wohl voll setzen, muss aber mehr aus ihnen herausholen.
Wer drängt sich aus der Akademie auf?
Ein großer Umbruch ist zugleich stets eine große Chance für Eigengewächse – besonders, wenn sich der Verein Jugendförderung dick auf die eigene Fahne geschrieben hat und auch finanziell dazu gezwungen ist. So wird kommende Spielzeit auch von neuen, jungen Gesichtern bei den Hauptstädtern geprägt sein.
Tim Goller gilt als riesiges Torhüter-Talent. So talentiert, dass er im Sommer in einen offenen Zweikampf mit Gersbeck treten könnte. Auch Innenverteidiger Tim Hoffmann (derzeit an Erzgebirge Aue verliehen) und Rechtsverteidiger Julian Eitschberger (an Rot-Weiss Essen verliehen) dürfen sich am Sommer mindestens Hoffnungen auf eine Rotationsrolle bei den Profis machen, da auf ihren Positionen Plätze frei werden. Boris Mamuzah Lum gab in dieser Saison mit nur 16 Jahren sein Profi-Debüt und könnte 2025/26 bereits zu einem wichtigen Spieler auf der chronisch schwachen Sechserposition der Berliner werden.
Lukas Michelbrink (l.), Oliver Rölke (m.) und Julius Gottschalk (r.) könnten in der kommenden Saison zu wichtigeren Figuren bei Hertha BSC werden. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)
Talente wie Spielmacher Julius Gottschalk, Mittelfeldmotor Lukas Michelbrink und Knipser Oliver Rölke trainieren bereits jetzt sehr regelmäßig mit den Profis und zeigen ansprechende Leistungen bei der U23 in der Regionalliga Nordost. Sie könnten in der kommenden Saison öfter auf der Profi-Bank Platz nehmen und erste Minuten sammeln. Auch Balleroberer Selim Telib, Außenstürmer Luis Trus und Dribbelkünstler Jelani Ndi haben bereits einen ersten Profi-Vertrag und drängen sich durch gute Leistungen in der U23 wie U19 für höhere Aufgaben ab Sommer auf.
Was ist von den fixen Neuzugängen zu erwarten?
Herthas Sportdirektor arbeitet schon länger am Kader der nächsten Saison. Laut übereinstimmenden Medienberichten hat er sich bereits mit zwei Spielern über einen Wechsel einigen können: Niklas Kolbe von Liga-Konkurrent Ulm und Sebastian Grönning von Drittligist Ingolstadt.
Kolbe soll dank einer Ausstiegsklausel einen niedrigen sechsstelligen Betrag kosten. Der 28-Jährige ist Innenverteidiger und Stammspieler in der geteilten zweitbesten Abwehr der 2. Bundesliga. Kolbe ist zwar stolze 1,96 Meter groß, zeichnet sich aber vor allem durch sein proaktives Verteidigen und gutes Aufbauspiel aus – damit passt der Abwehrspieler, der vor kurzem noch in der Regional- und Oberliga spielte, bestens in den spielerischen Ansatz der Berliner.
Mittelstürmer Grönning sollte eigentlich schon im Winter kommen, doch die Vereine wurden sich finanziell nicht einig. Nun wird er wohl ablösefrei im Sommer kommen. Der 28-jährige Däne führt mit 14 Toren die Torschützenliste der 3. Liga an. 1,88 Meter groß, 85 Kilo schwer, ein guter Kopfball-Spieler und Knipser – Grönning soll mit einem Jahr Verzögerung die Lücke schließen, die Haris Tabakovic in Berlin hinterlassen hat.
Sendung: rbb Der Tag, 12.02.2025, 18 Uhr