Zweikampf in der Partie Hannover gegen Regensburg.

Daten-Analyse 2. Liga So schwach wie lange nicht und deshalb so spannend

Stand: 16.01.2025 10:53 Uhr

Am Freitag startet die 2. Fußball-Bundesliga in die Rückrunde. Enge Entscheidungen um Aufstieg und Abstieg sind zu erwarten. Das hat aber hat nichts mit Klasse zu tun. Im Gegenteil: Die Spannung resultiert vor allem aus dem geringen Gesamtniveau, wie die Daten zeigen.

Von Tobias Knaack

"Wo warst du, als die Hälfte der Zweitliga-Teams Tabellenführer werden konnte?" So oder so ähnlich hätte die Überschrift über die Hinrunde der 2. Liga 2024/2025 lauten können. Doch was flapsig klingt, war Mitte Dezember tatsächlich möglich: Gleich acht Mannschaften hatten vor dem 16. Spieltag die Chance, sich an die Spitze zu setzen.

Die "Wahl" fiel nach einem 3:0-Sieg in Braunschweig erstmals in der Zweitliga-Historie auf die SV Elversberg. Das aber auch nur, weil sich gleich eine Serie von Teams Ausrutscher erlaubten: Der HSV quälte sich bei Aufsteiger Ulm zu einem 1:1, mit demselben Resultat endeten die Partien zwischen Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf sowie zwischen Paderborn und Magdeburg. Und da Kaiserslautern sich in Darmstadt eine Abreibung holte (1:5) und Hannover 96 in Fürth patzte (0:1), wurden es eben die Saarländer.

Ersten und Neunten trennen nur fünf Punkte

Da die sich eine Woche später zu Hause aber von S04 "vermöbeln" ließen (1:4), hatte es sich mit dem "Ruhm" der SVE auch schnell wieder. Und so wurde Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln Herbstmeister - als bereits sechster Tabellenführer der Hinrunde.

Und so sagt der "Platz an der Sonne" vor dem Start der Rückrunde nicht viel aus. Denn mit 31 Zählern liegen die Rheinländer gerade einmal fünf Punkte vor dem FCK auf Rang neun. Von vielen wird das als Spannung interpretiert. Andre Mijatovic, Co-Trainer des mittlerweile in Hannover geschassten Stefan Leitl, etwa hatte im Dezember gegenüber der "Bild" gesagt: "Die Liga ist brutal ausgeglichen. Man kann sagen: Die Liga ist so gut, dass jeder jeden schlagen kann."

Zweitschwächste Hinrunde der vergangenen Jahre

Es gibt aber auch eine andere Lesart: Die Liga ist so schwach! Denn bislang hat keine Mannschaft irgendeine Art von Dominanz ausgestrahlt. Zwei Siege (oder zwei Niederlagen) können einen Unterschied von sieben, acht Plätzen ausmachen.

Die Daten des Global Soccer Networks (GSN) sprechen mit Blick auf die Qualität des Wettbewerbs eine eindeutige Sprache. Demnach ist es die zweitschwächste Zweitliga-Hinrunde der vergangenen elf Jahre. Die Liga sei "geprägt von schwachen Leistungen in allen Tabellenbereichen. Es fehlte eine dominante Spitze, ein stabiles Mittelfeld und auch die Kellerteams konnten nicht überzeugen." Sowohl die "Spitzenteams auf den Plätzen 1-3 als auch die Kellerteams (Plätze 16-18) schnitten im Vergleich zu anderen Saisons unterdurchschnittlich ab", heißt es in der Analyse.

Vergleich der vergangenen elf Zweitliga-Hinrunden
Saison Durchschnitt Punkte Plätze 1-3 Durchschnitt Punkte Plätze 16-18 Spanne (Plätze 1-18)
2014/2015 31,67 13,33 23
2015/2016 33,00 12,00 24
2016/2017 32,67 14,00 23
2017/2018 32,00 15,33 22
2018/2019 34,67 10,33 27
2019/2020 31,33 14,67 21
2020/2021 33,67 16,00 22
2021/2022 32,33 11,33 29
2022/2023 34,33 16,67 20
2023/2024 33,00 14,00 20
2024/2025 29,33 12,67 20

Nur Saison 2014/2015 war noch schwächer

Noch schwächer war demnach nur die Saison 2014/2015, weil damals neben den extrem schwachen Spitzen- und Kellerteams auch noch ein eklatanter Mangel an Dynamik im Tableau herrschte. Ein Ausdruck dessen: Abgesehen von Herbstmeister Ingolstadt konnte kein Team mehr als die Hälfte seiner Spiele in der Hinrunde gewinnen. Obwohl Mannschaften wie Darmstadt oder Karlsruhe kaum in Serie siegten, wurden sie von den Teams dahinter nicht attackiert. Oder anders formuliert: Es war eine Saison der festzementierten Schwäche in allen Regionen der Tabelle.

Als Gegenbeispiel: Die aus GSN-Sicht stärkste Spielzeit war die Saison 2022/2023. Auch unabhängig vom Aufstiegs-Herzschlagfinale zwischen Heidenheim und dem HSV war die Saison der Analyse nach geprägt von "dominanten Spitzenteams, wettbewerbsfähigen Kellerteams" sowie einer generell "engen Liga".

Schwache Spitze, katastrophale "Kellerkinder"

Das Global Soccer Network bewertet die Spielzeiten unter anderem nach Faktoren wie der Zahl der Durchschnittspunkte der Spitzenmannschaften, den Durchschnittspunkten der Kellerteams sowie der Spannweite der Punkte zwischen dem Ersten und dem Letzten fest.

Die 29,33 Punkte, die die ersten drei Teams - Köln, Karlsruhe und der HSV - nach 17 Spieltagen im Schnitt verbucht haben, sind in den vergangenen elf Jahren der schlechteste Wert der drei Bestplatzierten. Mit Abstand. Zum Vergleich: In der Saison 2018/2019, dem ersten Jahr der Hamburger in der 2. Liga, hatten sie als Herbstmeister 37 Punkte auf dem Konto - und die drei Spitzenteams im Schnitt fast 35 Punkte.

Wie werden die Durchschnittspunkte der Plätze 1-3 errechnet?

Der Durchschnitt der Punkte der Plätze 1-3 gibt an, wie viele Punkte die besten drei Mannschaften einer Liga (Spitzenmannschaften) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - in diesem Fall nach 17 Spieltagen - im Durchschnitt gesammelt haben. Es handelt sich um eine zentrale Kennzahl, um die Stärke der besten Teams in einer Saison zu bewerten. Berechnet wird der Wert in zwei Schritten: Durch die Addition der drei bislang erzielten Punkte. Und der Teilung dieser Summe durch drei.

Bedeutet im Umkehrschluss: Kein Team war in der Lage, sich von der Konkurrenz abzusetzen. In vielen anderen Saisons hingegen konnten die besten Teams GSN zufolge "oft eine Serie von Siegen aufbauen und so frühzeitig Druck auf die Verfolger ausüben".

Der 1. FC Köln aber hat bislang nur neun Siege erzielt. Eine so niedrige Zahl hatten in den vergangenen elf Jahren nur drei Herbstmeister - unter anderem Arminia Bielefeld in der Saison 2019/2020. Die Ostwestfalen aber hatten zu diesem Zeitpunkt nur eine und am Saisonende lediglich zwei Niederlagen auf dem Konto. Der FC steht jetzt schon bei vier.

"Die fehlende Dominanz der Spitzengruppe mag kurzfristig spannend wirken, ist jedoch ein Zeichen für die schwache Qualität der Liga."
— GSN-Analyse

Das Urteil der GSN-Analyse fällt entsprechend aus: "Die fehlende Dominanz der Spitzengruppe führte dazu, dass der Wettbewerb um die vorderen Plätze offener blieb" in der Hinrunde: "Dies mag kurzfristig spannend wirken, ist jedoch ein Zeichen für die schwache Qualität der Liga."

Doch auch im Tabellenkeller sieht es nicht besser aus. Die 12,67 Punkte im Schnitt der Plätze 16-18 sind zwar "nur" der viertschwächste Wert der vergangenen Jahre, aber im Vergleich immer noch sehr niedrig. In der Saison 2022/2023 etwa hatten die drei Letztplatzierten im Schnitt vier Punkte mehr auf dem Konto.

Wie werden die Durchschnittspunkte der Plätze 16-18 errechnet?

Der Durchschnitt der Punkte der Plätze 16-18 gibt an, wie viele Punkte die drei schlechtesten Mannschaften einer Liga (Kellerteams) nach einem bestimmten Zeitpunkt - in diesem Fall nach 17 Spieltagen - im Durchschnitt gesammelt haben. Diese Kennzahl wird verwendet, um die Wettbewerbsfähigkeit der schwächsten Teams zu bewerten. Die Berechnung ist analog zu der bei den Spitzenmannschaften.

Die drei Teams im Tabellenkeller - allen voran Jahn Regensburg mit nur neun Treffern - haben eklatante Schwierigkeiten mit dem Toreschießen. Und obwohl die beiden anderen Aufsteiger Münster und Ulm insgesamt nicht sonderlich viele Gegentore kassiert haben (23 bzw. 20), sind sie unter den Mannschaften, die "nicht in der Lage waren, enge Spielstände über die Zeit zu retten". Ein Aspekt, der das Punktesammeln zusätzlich erschwert.

Schlecht, aber nicht abgeschlagen

Das Niveau auch im Abstiegskampf ist also niedrig - und dennoch ist die Lage nicht aussichtslos. Denn der Abstand zum unteren Mittelfeld ist überschaubar, weil sich auch hier viele Teams vor allem durch eines Auszeichnen: fehlende Konstanz. "Ein überzeugender Sieg gegen ein Top-Team konnte oft direkt durch eine unerwartete Niederlage gegen ein Kellerteam zunichtegemacht werden."

Entsprechend gibt es im Mittelfeld der Tabelle zahlreiche Teams, die sowohl in den Aufstiegskampf eingreifen, aber auch in den Abstiegskampf rutschen können.

Geringe Spannweite - Ein "Trend"?

Anders ausgedrückt: Es ist eine extrem "verdichtete" Tabelle. Die Spannweite zwischen dem Ersten Köln (31 Punkte) und dem Letzten Regensburg (11) ist gering - und auf dem Niveau der beiden Vorsaisons. Überhaupt war die Spannweite - abgesehen von der Saison 2021/2022 mit 29 Punkten - in den vergangenen Jahren immer relativ niedrig. "Das deutet auf eine ausgeglichene Liga hin, in der die Teams leistungsmäßig enger beieinanderliegen", erklären die GSN-Experten.

Wie ergibt sich die Spannweite der Punkte?

Die Spannweite der Punkte ist eine Kennzahl, die die Punktedifferenz zwischen dem Tabellenführer (Platz 1) und dem Tabellenletzten (Platz 18) beschreibt. Sie gibt an, wie groß der Unterschied zwischen dem besten und dem schlechtesten Team in der Liga ist.

"Das sorgt für mehr Spannung, da sowohl der Aufstiegs- als auch der Abstiegskampf offener sind. Allerdings kann eine kleine Spannweite auch auf ein niedriges Gesamtleistungsniveau hinweisen, wenn weder die Top-Teams noch die Kellerteams wirklich überzeugen." Dass die Spannweite in dieser Saison so gering ist, liegt dabei insbesondere an der schwachen Spitze. Mehr noch als an den schwachen Kellerteams.

"Beste 2. Liga" ist schwächer als ihr britisches Pendant

Mijatovic' Rede von der "guten Liga" ist der Analyse nach nicht haltbar. Zumal auch weitere statistische Kennzahlen GSN zufolge "Zeichen für fehlende Dominanz und Qualität" asuweisen. Der häufig als "beste 2. Liga der Welt" betitelte Wettbewerb wird dieser (Selbst-)Beschreibung nur bedingt gerecht.

Das auch, weil Deutschlands zweithöchste Spielklasse global schlicht nicht das höchste Niveau hat. Der GSN-Index-Durchschnitt aller Mannschaften in der Championship, der zweithöchsten britischen Liga, etwa liegt mit 58,56 deutlich höher als der Durchschnitt der deutschen Zweitligisten (57,03).

Was ist der GSN-Index?

Vier-Säulen-Prinzip:

  • 1. "fußballerische Eigenschaften": Technik, Spielübersicht oder der erste Kontakt: Einschätzungen über 130 fußballspezifische Eigenschaften von mehr als 300 Scouts weltweit.
  • 2. "fußballerisches Potenzial": Wo werden Spieler besser, wo stagnieren sie oder entwickeln sich zurück? Ein Algorithmus analysiert Daten aus der ersten Säule und vergleicht Spielertypen.
  • 3. "Performance auf dem Spielfeld": Tore, Pässe, Fouls, Schüsse oder auch Abseitspositionen: die Spiel-Basisdaten und weiterführende Analysen wie "Expected goals" oder "Action scores" werden durch einen Algorithmus in einen übergeordneten Kontext gesetzt - zum Beispiel positionsbezogen.
  • 4. "Spielniveau": Jede Mannschaft oder Liga hat einen Zahlenwert, der ihre Stärke bemisst. Oberliga oder Champions League: Umso höher das Spielniveau des Gegners, desto positiver wirkt es sich auf den GSN-Index aus.

Bewertungs-Skala:

  • 85 - 100: Weltklasse
  • 70 - 85: internationale Klasse
  • 60 - 70: Durchschnitt Bundesliga bzw. der Top 5 Ligen
  • 50 - 60: Durchschnitt 2. Bundesliga
  • 40 - 50: Durchschnitt 3. Liga
  • 30 - 40: Durchschnitt Regionalliga

Zwei GSN-Index-Werte:

  • aktueller GSN-Index: zeigt die aktuelle, allumfassende Qualität eines Spielers basierend auf den Daten der vier Säulen und Algorithmus-Berechnungen.
  • möglicher GSN-Index: Künstliche Intelligenz ermittelt anhand der Daten das bestmögliche, zukünftige Leistungsniveau eines Spielers.

Bollwerk des Durchschnitts

"Es gibt keine Kleinen mehr": Mit Blick auf Europa- oder Weltmeisterschaften wurde dieses Bonmot jahrelang bemüht, um auszudrücken, dass viele vermeintlich kleinere Nationalteams zu den großen Fußballnationen wie Spanien, England, Frankreich, Italien oder Deutschland aufgeholt haben. Mit Blick auf das bisherige Niveau der 2. Liga in dieser Spielzeit müsste man zwei Dinge feststellen: Es gibt keine Großen mehr. Weil es vor allem das hier im Überfluss gibt: ein Bollwerk des Durchschnitts.

Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 17.01.2025 | 11:17 Uhr