Einsatzwagen der nordrhein-westfälischen Polizei
analyse

Polizeikosten bei Risikospielen Nach dem Urteil - Fragen, Fragen, Fragen

Stand: 15.01.2025 18:27 Uhr

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Polizeikosten bei Risikospielen stellen sich etliche Fragen. Eine davon ist: Wie viel Polizei braucht der Fußball? Die Diskussionen sollten spätestens jetzt beginnen.

Mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die letzte Instanz ihr Urteil gesprochen. Die Polizei darf Gebühren dafür erheben, bei Fußballspielen für Sicherheit zu sorgen. Sie darf, sie muss nicht, und ob sie will ist eine der vielen Fragen, die nach dem Urteil aufgeworfen werden.

Da die Polizei in Deutschland eine Sache der Länder ist, kann es theoretisch 16 unterschiedliche Antworten geben. In ihren ersten Reaktionen äußerten viele Innenministerien, dass sie eine bundeseinheitliche Regelung wünschen. Aber wie soll das gehen, wenn Bremen Gebühren erhebt, Berlin aber wie auch etwa Bayern und Nordrhein-Westfalen sagen, dass sie es nicht machen wollen.

Reist eine Fanszene von einem Klub aus NRW, die als gewaltgeneigt gilt, nach Bremen zu einem zuvor als Risisko eingestuften Spiel, muss Werder dann zahlen? Nach dem Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz, das den ein Jahrzehnt währenden Rechtsstreit auslöste, schon. Aber ist das gerecht, und kann Werder bei dem Klub aus NRW die Kosten teilweise oder vollständig zurückfordern?

Was passiert bei internationalen Spielen, vielleicht auch Basketball und Handball, wenn die Fanszenen und/oder politische Umstände - etwa bei Teams aus Israel - ein erhöhtes Risiko ergeben?

Es ist unbefriedigend, wenn Fragen nicht beantwortet werden können, oder wenn die Antwort lautet "kommt drauf an" oder "bleibt abzuwarten".

Aber nach dem am Dienstag (14.01.2025) in Karlsruhe gefällten Urteil lassen sich solche Antworten nicht vermeiden. Das rührt auch daher, weil viele Fragen seit Jahren nicht erörtert werden.

Auf der Kirmes kommt die Polizei erst, wenn sie gebraucht wird

Eine Frage, die seit Jahren auf eine Antwort wartet, ist: Wie viel Polizei benötigt der Fußball?

Die DFL schreibt in ihrer Stellungnahme zum Urteil: "Es muss ein gemeinsames Ziel sein, höchstmögliche Sicherheit bei Großveranstaltungen mit den geringstmöglichen Polizeieinsatzstunden zu gewährleisten." Wurde darüber schon mal ernsthaft diskutiert, debattiert? Wurde mal der Versuch gestartet, ein Fußballspiel mit geringer Gefahr von Ausschreitungen ohne Polizei zu veranstalten? Auf der Kirmes kommt sie auch erst, wenn sie gebraucht wird.

Wurde mal darüber nachgedacht, welches Bild von Menschen erzeugt wird, wenn eine Hundertschaft in Kampfmontur Fans begleitet, die in der Gruppe zusammen singend zu einem Stadion gehen?

Was, das wäre vermutlich noch vorher zu klären, fällt unter den Begriff "Risiko"? Sind das gegenseitige Pöbeleien mit verbalen Drohungen? Oder erst gewalttätige Auseinandersetzungen? Ist eine Pyrofackel ein Risiko? Wenn ja, warum ist sie das in anderen Sportarten und bei anderen Gelegenheiten nicht?

Aussschluss von Auswärtsfans? Reduzierung des Ticketkontingents?

In sozialen Medien spekulieren einige Fans, dass die Heimklubs als Veranstalter künftig Auswärtsfans ausschließen könnten, um Risikospiele zu vermeiden. Die Gefahr, dass dies im Bereich der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit Bundesliga und 2. Liga passieren wird, dürfte mittelfristig eher gering sein. Aber was ist mit Regionalligisten, für die fünfstellige Summen schon existenzgefährdend sein könnten?

In dem Gesetz aus Bremen steht, dass nur bei Veranstaltungen Gebühren erhoben werden dürfen, an denen "voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden". Ist fein raus, wer maximal 4.800 Eintrittskarten verkauft? Werden Vereine dann gegenrechnen, was günstiger ist? Weniger Zuschauer? Oder volles Stadion und Gebühren?

Mehr Geld für Fanprojekte?

Was bedeutet das Urteil für die Präventivarbeit? Werden die Fanprojekte jetzt besser aufgestellt, sowohl mit Personal als auch mit Geld, um sich durch erfolgreiche Arbeit Gebühren zu sparen?

Wird es einen Solidarfonds geben, in den alle Klubs nach ihren Möglichkeiten (analog zum Verteilerschlüssel TV-Geld?) einzahlen?

Wie reagieren die Kurven auf das Urteil aus Karlsruhe?

Es stellen sich diese und noch so viele Fragen mehr, die auf Antworten warten, vor allem aber auch auf Debatten, die jahrelang nicht geführt wurden oder versandeten.