Polizisten beobachten die Fan-Situation vor dem Spiel Bayern München gegen Borussia Dortmund

BVerfG-Urteil zu Vorab-Fußballkosten Letzter Akt - Bremen gegen König Fußball

Stand: 13.01.2025 19:42 Uhr

Darf der Staat die Deutsche Fußball Liga (DFL) an den Kosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen im Fußball beteiligen? Seit mehr als zehn Jahren versucht das kleinste Bundesland Bremen das durchzusetzen. Am Dienstag (14.01.25) entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Von Kolja Schwartz

Der Fußball hat in Deutschland einen Stellenwert wie keine andere Sportart. Jedes Wochenende sind die Stadien gut gefüllt. Und mit dem Fußball wird viel Geld verdient. Doch es gibt auch eine Kehrseite: Gewalt unter rivalisierenden Fans. Gerade wenn Vereine mit langjährigen Rivalitäten aufeinandertreffen - zum Beispiel bei Derbys -, dann werden Fußballspiele zum Großeinsatz für die Polizei.

Um die Sicherheit im deutschen Fußball zu gewährleisten, fielen in der Saison 2023/24 allein in der ersten und zweiten Bundesliga insgesamt knapp 1,6 Millionen Polizei-Arbeitsstunden an. Das entspricht der Arbeitszeit von etwa 1.220 vollzeitbeschäftigten Polizeibeamten - viele Millionen Euro, um rund um die Stadien für Ordnung zu sorgen. In Deutschland zahlt das alles der Steuerzahler.

Bremen will "König Fußball" an Kosten beteiligen

Alles? Nicht ganz. Denn 2014 hat ausgerechnet das kleinste Bundesland Bremen die Voraussetzungen geschaffen, um König Fußball zur Kasse zu bitten. Und zwar bei Hochrisikospielen.
Seitdem heißt es in § 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes:

"Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird."

Es geht um Mehrkosten für Hochrisikospiele

Bremen will also nicht die kompletten Kosten für die Polizeieinsätze ersetzt haben, sondern nur die Mehrkosten für Veranstaltungen, bei denen zusätzliche Polizeikräfte erforderlich sind. Im Fußball ist das bei den so genannten Hochrisikospielen der Fall. Anstelle von ein paar Hundert Polizeibeamten sorgen bei diesen Spielen (z.B. Derbys) oft um die Tausend oder mehr Polizisten für Sicherheit. Und oft müssen diese Polizistinnen und Polizisten dann aus anderen Bundesländern angefordert werden. In der Saison 2022/2023 gab es insgesamt 52 Hochrisikospiele in den ersten beiden Ligen.

Beim Nordderby Werder Bremen gegen den HSV am 19. April 2015 machte Bremen dann ernst und erließ nach vorheriger Ankündigung einen Gebührenbescheid über 425.718,11 Euro an die Deutsche Fußball Liga (DFL).

Die DFL ist der Zusammenschluss der 36 Fußballvereine der Bundesliga und der 2. Bundesliga der Männer. Sie hat die vollständigen Vermarktungsrechte an den beiden Ligen und tritt neben den Vereinen selbst als Veranstalterin auf.

Rechtsstreit ging durch alle Instanzen

Weil die DFL die Kosten nicht übernehmen wollte, landete die Sache vor dem Verwaltungsgericht und ging durch alle Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht. Im März 2019 bestätigten die höchsten Verwaltungsrichterinnen und -richter in Leipzig das Vorgehen der Freien Hansestadt Bremen. Jedenfalls dem Grunde nach. Ein paar Posten des Gebührenbescheids mussten noch abgezogen werden. 385.000 Euro blieben übrig.

Die DFL sieht in der Auferlegung der Kosten für die öffentliche Sicherheit die Verfassung verletzt. Deshalb zog sie sowohl gegen das Gesetz als auch gegen das Urteil von 2019 weiter vor das Bundesverfassungsgericht. Im April wurde in Karlsruhe verhandelt, am Dienstag um 10 Uhr verkünden die Verfassungshüter ihre Entscheidung.

Bundesverfassungsgericht befasst sich mit Hochrisiko-Spielen

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Muss die Allgemeinheit für die öffentliche Sicherheit aufkommen?

Der rechtliche Knackpunkt in dem langen Streit ist eine Grundsatzfrage: Muss der Staat die ureigene Aufgabe "öffentliche Sicherheit" komplett aus Steuermitteln finanzieren?

Die DFL sieht das so. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit werde im allgemeinen Interesse wahrgenommen. Deshalb müsse sie auch aus den allgemeinen Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden, also aus Steuermitteln. Außerdem sei der Fußball auch gar nicht verantwortlich für Gewalthandlungen von einzelnen Fans oder Fangruppen, die außerhalb der Stadien geschehen. Also zum Beispiel an Bahnhöfen, Zufahrtswegen oder in den Innenstädten.

Bremen streitet nicht ab, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit im Allgemeininteresse liege. Die Verfassung fordere aber nicht, dass alle Leistungen aus dem Bereich der staatlichen Kernaufgaben ausschließlich über Steuern zu finanzieren seien. Und: Gebühren sind anerkannt, wenn der Zahlende eine Gegenleistung für diese Gebühr erhält. Das sei hier klar der Fall. Die Polizei sorge nämlich für einen reibungslosen Ablauf der Spiele. Daraus entstehe auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Das bestätigte 2019 auch das Bundesverwaltungsgericht: Viele friedliche Fans würden nur deshalb ins Stadion gehen, weil das Risiko von Gewalthandlungen (auch auf den Anfahrtswegen) für sie durch die Polizei konkret gemindert werde. Es komme also nicht darauf an, wer für die Gewalthandlungen verantwortlich sei, sondern wer von der Mehrarbeit der Polizei profitiere.

Hochrisikospiel nicht vorhersehbar

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ging es noch um ein paar andere Punkte: Ist das Gesetz zu unbestimmt, weil sich die Höhe der Gebühr im Vorfeld nicht berechnen lasse? Spielt es eine Rolle, dass die DFL und die Vereine keinen Einfluss darauf nehmen können, ob ein Fußballspiel als Hochrisikospiel eingestuft wird? Was ist, wenn die vielen Beamten bei einem Spiel gar nicht gebraucht werden?

Müssen die Vereine oder die DFL zahlen?

Zu guter Letzt ging es in dem langen Streit auch immer darum, ob die DFL überhaupt der richtige Ansprechpartner ist. Die DFL sagt, dass die Heimvereine die Spiele austragen würden. Wenn überhaupt, dann seien diese zur Kasse zu bitten.

Ganz bewusst hat das Land Bremen das nicht getan, sondern die DFL herangezogen, die einen Jahresumsatz von etwa fünf Milliarden Euro macht. Dem Verein Werder Bremen hat das nichts gebracht, die DFL will die Kosten komplett vom Verein zurückfordern, hat dies zum Teil auch schon getan. Für den Verein Werder Bremen ist das ein klarer Wettbewerbsnachteil im Profifußball, weil es bisher kein anderes Bundesland gibt, das Polizeimehrkosten in Rechnung stellt

Andere Bundesländer könnten nachziehen

Lange hat der Innensenator von Bremen, Ulrich Mäurer, dafür gekämpft, die anderen Bundesländer davon zu überzeugen, eine einheitliche Lösung zu finden. Der DFL hat er auch eine Fondslösung vorgeschlagen: In einen Fonds könnte die DFL einzahlen, aus ihm könnte man dann bundesweit gewisse Mehrkosten für die Polizeieinsätze bezahlen.

Bisher ist er damit gegen Wände gelaufen, obwohl die Landesrechnungshöfe schon länger eine Kostenbeteiligung anmahnen. Einige Bundesländer könnten sich inzwischen vorstellen, für eine bundeseinheitliche Lösung zu werben oder auch eigene Regeln zu erlassen - falls das Urteil ihnen dafür grünes Licht gibt.