Hochrisikospiele in der Bundesliga DFL spielt letzte Karte in Sachen Polizeikosten
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und das Land Bremen treffen sich am Donnerstag (25.04.2024) ein letztes Mal vor Gericht: Nach zwölf Jahren Streit und juristischem Kampf durch die Instanzen soll das Bundesverfassungsgericht einen Schlussstrich unter die Kontroverse um die Übernahme der Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen setzen.
Es ist die letzte Karte der DFL: die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Nach zwölf Jahren hoffen alle Beteiligten durch die mündliche Verhandlung in Karlsruhe endlich auf Rechtssicherheit. Bei einem "Thema von grundsätzlicher Bedeutung", wie der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer im Gespräch mit der Sportschau sagt, habe man nun "die Chance zum Neubeginn".
Die Verfassungsbeschwerde der DFL richtet sich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem März 2019, wonach die Bundesländer der DFL als Veranstalter der ersten und zweiten Bundesliga grundsätzlich die Mehrkosten für die Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen in Rechnung stellen darf.
Es geht bislang um drei Millionen Euro
Entsprechende Gebühren hatte das Land Bremen seit dem Jahr 2015, einem Derby gegen den Hamburger SV, eingefordert. Die DFL hält diese Gebührenbescheide für rechtswidrig. Das Hauptargument: Für Sicherheit und Ordnung sei allein der Staat zuständig. An dieser Meinung habe sich nichts geändert, teilte die DFL auf Anfrage mit.
Es geht bisher um drei Millionen Euro für neun Bescheide aus Bremen, von denen die DFL 1,952 Millionen unter Vorbehalt des Entscheids in Karlsruhe bezahlt hat. Teilweise sind Rechnungen noch nicht geschrieben - weil die Spiele noch nicht komplett abgerechnet sind. Durchschnittlich fallen also etwa 334.000 Euro pro Hochrisiko-Partie an.
Tendenzen schon aus der Verhandlung?
Ein Urteil wird es am Donnerstag in Karlsruhe noch nicht geben. Bis zur Ausformulierung würden Monate ins Land gehen, sagt Christian Pestalozza, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht: "Die Begründung wird einige Dutzend Seiten umfassen, das dauert."
Doch womöglich lasse sich aus der Verhandlung bereits eine Tendenz herauslesen, so der renommierte Rechtswissenschaftler. Denn es gehe zunächst um die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, die Begründetheit und auch die Gebührenfähigkeit und Gebührenhöhe: "Da wird es tiefe Einblicke geben."
Pestalozza glaubt, dass das Verfassungsgericht grundsätzlich im Sinne von Bremen entscheiden werde. "Für besonders gelungen halte ich die Bremer Vorschrift nicht. Da könnte das Bundesverfassungsgericht an einigen Punkten präziser formulieren wollen", sagt Pestalozza. Manches wie zum Beispiel die Höhe der Gebühren sei "zu unbestimmt. Aber die Grundidee ist völlig richtig. Der Staat kann nicht verantwortlich sein für diese Mehrkosten".
Mäurer: Arroganz und Überheblichkeit bei der DFL
Pestalozza geht sogar noch einen Schritt weiter: Dass viele Innenministerien jahrelang auf den nun folgenden Entscheid der Hüter des Grundgesetzes gewartet hätten, statt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umzusetzen, halte er "für unverantwortlich, regelrecht feige", so der Rechtswissenschaftler: "Dem Steuerzahler sind in all den Jahren Gelder verloren gegangen."
Es wäre besser gewesen, die Länder hätten auf Grundlage von mittlerweile vier Instanzen, in denen die DFL jedes Mal verloren hat, eigene Gesetze formuliert - und im Zweifelsfall eben zurückgezahlt, meint Pestalozza. Nur in Bremen, dem kleinsten Bundesland, hochverschuldet und klamm, regelt bisher eine Gebührenordnung die Zusatzkosten bei Hochrisikospielen.
Mit dem langen Rechtsstreit habe die DFL auf Zeit gespielt, sagt Bremens Innensenator Mäurer. Die Liga habe ihre Niederlage nicht einsehen wollen: "Das war an Arroganz und Überheblichkeit nicht zu überbieten." Mäurer fand zudem kaum Mistreiter in der Politik. "Mit der Klärung der Rechtsfragen wird sich auch das politische Umfeld verändern" hofft Mäurer.
Unterstützung aus Rheinland-Pfalz
Allein das ebenfalls von der SPD regierte Rheinland-Pfalz hatte in den vergangenen Jahren angekündigt, ebenfalls eine Gebührenordnung zu erstellen. Dies ist mit Blick auf die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht forciert worden. Die Innenministerien im Saarland, Thüringen und Hamburg bekunden inzwischen ebenfalls immer mal wieder Sympathie für den Bremer Weg.
Zuletzt hatten Fan-Ausschreitungen auch in Niedersachen offenbar ein Umdenken ausgelöst. Beim Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig im November 2023, mit über 2.000 Polizeibeamten und -beamtinnen, verletzten Einsatzkräften, Pyrotechnik und massiven Sachbeschädigungen, hatte Innenministerin Daniela Behrens gesagt, das alles sei "auf Dauer so nicht zu leisten, ohne dass wir uns mit den Vereinen über eine Kostenerstattung unterhalten müssen".
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und der Bund der Steuerzahler sprangen ihr zur Seite. Und die Konferenz aller Rechnungshöfe hatte sich bereits 2021 dafür ausgesprochen, dass der Fußball für Hochrisikospiele in der ersten und zweiten Bundesliga - mit über 1.000 statt der üblichen 250 bis 350 Polizeibeamten - zahlen solle. 60 bis 120 Mal pro Saison werden Partien von der Polizei als Hochrisikospiele ausgewiesen.
NRW und Bayern weiter ablehnend
Widerstand gegen die Beteiligung des Profifußballs an den Mehrkosten für Einsätze rund um diese Partien gab es dagegen stets aus Nordrhein-Westfalen und Bayern. Hier habe sich die Macht der Fußballklubs mit Druck auf die Politik stets gezeigt, mutmaßt Mäurer.
Ob die mächtigen Klubs tatsächlich ihren Einfluss geltend gemacht haben, dazu äußerten sich die Innenministerien in Düsseldorf und München auf Anfrage der Sportschau nicht. NRW betont, man habe mit Blick auf eine Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, "Chancen und Risiken abgewogen" und sei zu der Auffassung gekommen, dass ein Weg wie in Bremen "grundsätzlich nicht geeignet" sei, "den Gewalttätigkeiten bei Fußballspielen entgegenzuwirken".
Auch aus Bayern erhält der Bremer Vorstoß weiterhin keine Unterstützung: Man warte zwar auf die Entscheidung in Karlsruhe, aber die "grundsätzliche Haltung" sei es, keine Kostenbescheide zu verschicken: "Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist und bleibt Kernaufgabe des Staates. Wirtschaftliche Betrachtungen stehen hier nicht im Vordergrund", erklärt das bayrische Innenministerium.
Kritik an Sicherheitsrichtlinien von DFB und DFL
Man fände es sinnvoller, die Vereine würden selbst für "mehr Sicherheit in den Stadien" sorgen: Insbesondere müssten sie sich klarer von Gewalttätern distanzieren und diese dauerhaft ausschließen. "Dann wäre auch weniger Polizei notwendig."
Das deckt sich mit einem Beschluss der Sportminister-Konferenz vom 18. April in Saarbrücken zum Thema "Gewalt in Fußballstadien". Darin heißt es, die bisherigen präventiven Strukturen von Deutschem Fußball-Bund (DFB) und DFL seien nicht ausreichend. Bestehende Sicherheitsrichtlinien müssten "insgesamt auf ihrer praktische Umsetzung und Wirksamkeit überprüft" werden. Die Sportminister aller Länder forderten deshalb ein Spitzengespräch mit DFB, DFL und allen Innenministern.
DFB-Präsident als Vermittler
Mäurer wurde für seine Hartnäckigkeit von vielen Fußball-Verantwortlichen angefeindet, über Jahre. "Das war ja tiefste Eiszeit, die wir hatten im Verhältnis zu DFB, DFL", sagt Mäurer. Wegen des Streits um Polizeikosten bei Hochrisikospielen in der Bundesliga gastierte die Nationalmannschaft lange nicht in Bremen. "Diese Phase ist aber vorüber. Da hat die Vernunft Fortschritte gemacht."
Direkte Gespräche mit der DFL habe es allerdings nicht gegeben, diese warte ebenfalls den Ausgang des Verfahrens ab. Mäurer fand aber einen guten Draht zu Bernd Neuendorf. Der DFB-Präsident habe signalisiert, seinen Einfluss bei der DFL geltend zu machen, um nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Lösung zu finden. "Insofern sind unsere Türen offen. Gefühlt bewegt man sich eher aufeinander zu als gegeneinander", so Mäurer: "Ich war nie ein Anhänger dieser ganzen Gebühren-Rechts-Regelung – aber für alle anderen Wege hatte man uns ja gesperrt."
Mäurers Argument war stets: Die DFL verdient viel Geld, die Gebühren würden ihr bei über vier Milliarden Euro Jahresumsatz nicht wehtun. Insgesamt, so betonte Mäurer nun noch einmal, gehe es lediglich um 20 bis 30 Millionen Euro pro Saison, mit denen sich die DFL an den Polizeikosten beteiligen müsse. Sein Vorschlag, den er nach errungenem Sieg in Karlsruhe mit den anderen Innenministern vorantreiben will: ein Fonds, den die DFL alljährlich in Höhe dieser Summe bestückt. Je nach Anzahl von Hochrisikospielen sollen die Bundesländer daraus prozentual entschädigt werden.