Polizei vor dem Weserstadion

Fußball Vor dem Sicherheitsgipfel - Innenminister: Kein großer Wurf von DFB und DFL

Stand: 17.10.2024 14:19 Uhr

Um das Gewalt-Problem im Fußball in den Griff zu bekommen, treffen sich am Freitag (18. Oktober 2024) in München Vertreter aus Politik und Sport. SPORT IM OSTEN hat vor dem Treffen exklusiv erfahren, welche Forderungen die Länder an den DFB und die DFL haben - und dass es zwischen Sport und Politik mächtig knirscht.

Gewalt, Pyrotechnik, Gefahr von Leib und Leben von Stadionbesuchern, Ordnungsdienst-Mitarbeitern und Polizeikräften: Krawalle im Fußball sind inakzeptabel. Darin sind sich Politik und Sport einig. Ansonsten herrscht im Vorfeld keineswegs Einklang.

Sachsens Innenminister Armin Schuster machte am Donnerstag im MDR klar: "In der Bevölkerung besteht zunehmend kein Verständnis mehr dafür, dass wir die Polizei für Fußballspiele, insbesondere in Profiligen, in Größenordnungen einsetzen müssen, wie sie für keine andere Sport- oder Kulturveranstaltung so notwendig wäre. Diese Problematik besteht jetzt ungelöst seit Jahren und deshalb erwarte ich von dem Gespräch mit der DFL und dem DFB morgen endlich einen gemeinschaftlichen Durchbruch und Konsens."

In dem Positionspapier, das SPORT IM OSTEN exklusiv vorliegt, zählen die Länder Bayern, Hamburg, Niedersachsen und Sachsen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) scharf an.

Vorschläge von DFB und DFL ohne "erheblichen Mehrwert"

Man habe den DFB und die DFL gebeten, eigene konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie die gewünschten Ziele erreicht werden können. Die Antworten - ein sogenannter "Punkteplan Spitzengespräch" - habe aus Sicht der Länder "keinen erheblichen Mehrwert" und könne nicht "als großer Wurf" bezeichnet werden.

Die Länder gehen ihrerseits mit zahlreichen Forderungen in den Gipfel. Das sind die Wichtigsten:

  • Konsequente und zeitnahe Umsetzung der Stadionverbote und Schaffung einer zentralen Stelle, die Stadionverbote bearbeitet und konsequent verhängt.
  • Personalisierte Tickets, um täterorientierte Maßnahmen zu erleichtern.
  • Anpassung der Sicherheitsrichtlinie des DFB, um Zuschauerausschlüsse und Reduzierung von Zuschauerkontingenten bei Risikospielen einfacher und einheitlicher umsetzen zu können.
  • Gewährleistung eines ausreichenden und qualifizierten Sicherheits- und Ordnungsdienstes.
  • Keine Pyrotechnik im Stadion und konsequente Maßnahmen bei Verstößen.
Pyrotechnik wird von Fußballfans abgebrannt

Das Abbrennen von Pyrotechnik ist ein stetiger Streitpunkt. Politik und Verbände sind sich über den Umgang mit Sanktionen uneins.

Stadionverbote künftig Sache des DFB?

Bisher sind die Vereine für die Bearbeitung von Stadionverboten zuständig, dies erfolge sehr unterschiedlich. Laut den Ländern sei es sinnvoll, die gesamte Bearbeitung von Stadionverboten dem DFB zu übertragen. So gebe es einheitliche Stadionverbotsrichtlinien und der Wegfall von Reibungspunkten zwischen Polizei und Verein wäre gesichert. Die Länder sprachen sich für eine Stelle zum Beispiel beim DFB aus, die Stadionverbote zentral bearbeitet und konsequent verhängt.

Ausschlüsse schon vor Vorfällen?

Aktuell erlauben die Sicherheitsrichtlinien des DFB eine komplette Sperrung des Platzes oder im Rahmen der Sportgerichtsbarkeit auch den teilweisen Ausschluss von Zuschauern. Das soll geändert werden. Der DFB müsse - so die Länder - Ausschlüsse auch schon auszusprechen, bevor Störungen passieren. Beispielsweise bei fehlender oder anhaltend mangelhafter Fanarbeit oder Nichteinhaltung der Stadionverbotsrichtlinien des DFB.

Allein die Möglichkeit dieser Sanktion könnte zum Umdenken bei den Vereinen und in der Folge zur Initiierung von Maßnahmen gegenüber Problemfans führen, glauben die Politiker. Zudem müsse der DFB die Sicherheitsrichtlinien bei den Zuschauer-Kontingenten nachschärfen. Es solle leichter werden, weniger Fans ins Stadion zu lassen oder Gäste-Fans komplett auszuschließen.

Personalisierte Tickets - Bedenken beim DFB und der DFL

Personalisierte Tickets sehen die Länder als weiteren Schlüssel, DFB und DFL sehen dagegen das Risiko einer Überregulierung und die praktische Umsetzbarkeit kritisch. Die technischen Voraussetzungen für personalisierte Tickets seien nicht gegeben.

Nachschärfen beim Einlass und Ordnungsdienst

Die Kontrollen seien ausbaufähig, so die Meinung. Die Stadien müssen die erforderlichen baulichen und technischen Maßnahmen umsetzen und die Technik auf den aktuellen Stand bringen. Oft sei die Video-Überwachung zu schlecht, um Täter zu überführen. Zudem müsse noch stärker auf qualifiziertes Personal der Ordnungsdienste geachtet werden.

EinlassKontrollen der Dynamo Dresden Fans

Auch bei Einlasskontrollen fordert die Politik schärfere Maßnahmen.

Größere Pufferzonen

Das Thema "Verkehrssicherungspflicht" nimmt einen erstaunlich großen Teil des Papiers ein. Es herrscht Uneinigkeit, ob die Sicherheit im Stadion, bspw. "größere Abstände im Stadion", also Pufferzonen, zentral und nach einheitlichen Kriterien vorgeschrieben werden oder eher Vereine einen eigenen Handlungsspielraum und damit Flexibilität behalten sollten. Auf zwei A4-Seiten wird geschildert, welche Maßnahmen bei Spielen "mit erhöhtem Risiko" und bei Spielen "unter Beobachtung" ergriffen werden sollten.

Während die repressiven Maßnahmen bis ins Detail geschildert werden, wird relativ wenig über Deeskalation und Fanarbeit geschrieben bzw. am Freitag gesprochen. Die 1992 eingeführten Fanbeauftragten werden grundsätzlich als positiv von Seiten der Politik wahrgenommen.

Auch die thematisierten Stadionallianzen - bestehend aus Clubs, Fanprojekte, städtische Behörden und Sicherheitskräfte der Polizei - sind nicht neu und ein Teil, wie versucht wird, über gemeinsame Kommunikation und Erfahrungsaustausch, die Sicherheit im Rahmen von Fußballspielen zu erhöhen.

Scharfe Kritik von Fanvertretern

Zu dem Gipfel sind keine Fans eingeladen. Dies führte zu reichlich Kritik. "Es ist in unseren Augen eine völlig absurde Veranstaltung, weil mal wieder über Fans gesprochen werden soll, ohne diese oder Vertreter dort mit einzubeziehen", erklärte Oliver Wiebe, Sprecher der Fanhilfe Magdeburg, im Gespräch mit SPORT IM OSTEN.  

Der Dachverband der Fanhilfen sprach von einer "populistischen Veranstaltung", die "im Zweifel ganz konkrete Folgen hat und das irgendwann auch für alle anderen gesellschaftlichen Gruppen - Fußballfans sind hier erst der Anfang."

Sanny Stephan