Ein Polizist bei einem Spiel im Stadion des 1. FC Köln

Sicherheit im Stadion Innenpolitik und Verbände - Positionierung vor dem Gipfeltreffen

Stand: 18.09.2024 16:04 Uhr

Im Oktober soll ein Gipfeltreffen zwischen der Innenpolitik sowie DFB und DFL zur Sicherheit im deutschen Fußball stattfinden. Bayerns Innenminister erntete Widerspruch auf seine Forderungen - im Hintergrund bahnen sich aber Maßnahmen an.

An diesem Freitag (20.09.2024) trifft sich das Präsidium des Deutschen Fußballbundes (DFB) zu einer Sitzung. Dort wird es auch um das Thema Stadionsicherheit gehen. Die Ende 2023 gegründete AG Stadionsicherheit des DFB, in der auch die Deutsche Fußballliga (DFL) vertreten ist, wird dem DFB-Präsidium dort mehrere Empfehlungen unterbreiten, die der Sportschau vorliegen.

Metalldetektoren am Einlass und Weitergabe von Bildern durch die Polizei

Unter diesen Empfehlungen befindet sich "eine Prüfung von neuen technischen Instrumenten bei Einlasskontrollen zusammen mit bestimmten Vereinen auf freiwilliger Basis." Diese sollen in Eigenverantwortung durch die Vereine genutzt werden. Ein Beispiel: Der FC Bayern München hat Metalldetektoren beim Einlass eingeführt. Die manuelle Prüfung durch Ordner entfällt für die Fans damit weitgehend, die nur noch die Detektoren durchschreiten. "Falls keine unzulässigen Gegenstände erkannt werden, können die Zuschauer direkt zum Ticketscan am Drehkreuz gehen", schreibt der FC Bayern.

Künftig mit Metalldetektoren: Der Einlass am Stadion in München

Künftig mit Metalldetektoren: Der Einlass am Stadion in München

Eine weitere Empfehlung der AG an das DFB-Präsidium sieht vor, dass die Polizei in "datenschutzrechtlich zulässigem Umfang" beispielsweise Bilder und Videos an Klubs freigeben darf, damit diese dann vom DFB verhängte Strafen direkt an Täter weitergeben können. Weiterer Hintergrund: Bei einer Ermittlung von Tätern bekommen Klubs geringere Strafen.

Kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik soll getestet werden

Die AG schlägt zudem vor, ein dreijähriges Pilotprojekt mit dem kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik zu starten - so wie es derzeit in Norwegen praktiziert wird. Dabei sollen Veranstalter, Stadt, Polizei und Feuerwehr jeweils einbezogen werden, um geeignete Vorgaben zu entwickeln.

Pyrotechnik ist seit Jahren einer der größten Streitpunkte zwischen aktiven Fanszenen auf der einen sowie Politik, Polizei und Verbänden auf der anderen Seite. Für viele Fans gehört Pyrotechnik untrennbar zu einer lebendigen Fankultur, Politik und Polizei sowie Verbände verweisen immer wieder auf Gefahren.

Kompromisse für ein kontrolliertes Abbrennen kamen in der Vergangenheit in Deutschland nicht zustande. Eine entsprechende Diskussion mit Fanbündnissen brach der DFB mit Verweis auf die Ergebnisse eines Gutachtens 2011 einseitig ab. Im Februar 2020 gestatteten der DFB und die zuständigen Behörden unter Auflagen das Abbrennen mehrerer Rauchtöpfe im Stadion des Hamburger SV - ein Novum.

Im Februar 2020 wurden beim Hamburger SV im Spiel gegen Karlsruhe Rauchtöpfe mit behördlicher Genehmigung gezündet.

Im Februar 2020 wurden beim Hamburger SV im Spiel gegen Karlsruhe Rauchtöpfe mit behördlicher Genehmigung gezündet.

AG Stadionsicherheit des DFB will mehr Prävention, aber keine Kollektivstrafen

Die AG Stadionsicherheit schlägt auch einen verstärkten Dialog mit den Fans und mehr Prävention vor. Dabei soll beispielsweise die verpflichtende Zahl der Fanbeauftragten in den Klubs erhöht werden. Die Jugend- und Sozialarbeit soll gestärkt werden, auch über die sozial-pädagogischen Fanprojekte, die an vielen Standorten arbeiten. Ein höherer Anteil der Geldstrafen soll zudem künftig in Sicherheitsmaßnahmen und Gewaltprävention gesteckt werden können.

Gleichzeitig soll bei der Bestrafung von Pyrotechnik klarer unterschieden werden, beispielsweise zwischen dem Gebrauch einer Fackel am Zaun und dem Einsatz von Pyrotechnik als Waffe, wenn sie bewusst auf andere Fans geworfen oder geschossen wird. Kollektivstrafen wie Geisterspielen und dem Ausschluss von Gästefans erteilte die AG dagegen eine Absage, sie fordert eine "Abkehr von der wiederkehrenden Drohkulisse".

Bayerns Innenminister schlägt Kollektivstrafen, Schnellgerichte und Geisterspiele vor

Eine solche wurde zuletzt wieder seitens der Politik aufgebaut. Die Innenminister der Länder und Bundesinnenministerin Nancy Faeser haben DFB und DFL für Mitte Oktober zum Gespräch geladen. Nach Informationen der Sportschau ist das Treffen für den 18. Oktober vorgesehen. Es soll in München stattfinden, denn Bayern hält derzeit den Vorsitz der Sportministerkonferenz.

Der CSU-Politiker und bayerische Innenminister Joachim Herrmann will Maßnahmen zum Thema machen, die die Sicherheit bei Fußballspielen erhöhen sollen. Herrmann sagte in einem Interview mit "Sport Bild", er erwarte bei dem Treffen "dringend" konkrete Vorschläge für mehr Sicherheit in den Stadien und eine klare Distanzierung der Klubs von Gewalt, sagte Herrmann.

Bayerns innenminister Joachim Herrmann

Bayerns innenminister Joachim Herrmann

Er sprach sich für verschiedene Maßnahmen aus, etwa für personalisierte Eintrittskarten sowie für die Rückkehr zum kollektiven Ausschluss von Fans, die das DFB-Sportgericht nur noch als letztes Mittel vorsieht und in der Praxis seit 2017 nicht mehr verhängt hat. Herrmann nannte weitere Vorschläge wie Schnellgerichte zur Bestrafung von Fußballfans, die Verhängung von Geisterspielen sowie in bestimmten Situationen auch Spielabbrüche durch die Schiedsrichter. Das Risiko für Verletzungen sei gerade durch Pyrotechnik hoch. Herrmann sprach von "Lebensgefahr" und fügte an: "Wir können von Glück sagen, dass das bisher nicht eingetreten ist. Das Risiko ist offenkundig groß."

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DFB: Vorschläge der AG keine Reaktion auf die Debatte

Der DFB teilte auf Anfrage der Sportschau zu den Forderungen Herrmanns mit: "DFB und DFL begrüßen das bevorstehende Spitzengespräch mit Bund und Ländern. Der konstruktive Austausch mit der Politik ist im Sinne von DFB und DFL."

Es gebe einen Bedarf für Maßnahmen zur Prävention, Eindämmung und zielgerichteter Sanktionierung von Vorfällen, so der DFB. Aber: "Die von der AG formulierten Empfehlungen sind keine Reaktion auf öffentlich geführte Debatten, sondern unabhängig davon über viele Monate erarbeitet worden, um das Stadionerlebnis weiterhin sicher zu halten."

Fan-Bündnisse nennen Herrmanns Forderungen Populismus

Der Dachverband der Fanhilfen widersprach Herrmann. "Einmal mehr werden Horrorgeschichten über das Stadionerlebnis verbreitet, die nichts mit der Realität zu tun haben", sagte Linda Röttig, Vorstandsmitglied beim Dachverband, in einer Stellungnahme. Stadien seien sichere Orte. "Die aufgestellten Forderungen von Joachim Herrmann sind an Populismus nicht zu überbieten und ein direkter Angriff auf die freie und selbstbestimmte Fankultur in den Kurven."

Thomas Kessen, Sprecher der Organisation "Unsere Kurve", nannte die Forderungen Herrmanns ebenfalls populistisch. Sie gingen am Thema vorbei, sagte er im Gespräch mit der Sportschau. "Durch E-Tickets sind fast alle Eintrittskarten längst personalisiert", meinte Kessen und fragte: "Soll es jetzt für die Klubs eine Lizenzauflage werden, einen Gerichtssaal im Stadion bereitzuhalten?" Die wiederkehrende Debatte sei ermüdend, sagte Kessen. "Die Polizeizahlen zeigen, dass es kaum einen Raum gibt, der sicherer als Fußballstadien ist."

Thomas Kessen, Vorsitzender "Unsere Kurve"

Thomas Kessen, Vorsitzender "Unsere Kurve"

ZIS-Bericht: Mehr Pyrotechnik im Vergleich zur Zeit vor Corona

Einen Hinweis auf die Sicherheitslage in Deutschlands Stadien gibt der Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei. Die aktuelle Version bezieht sich auf die Saison 2022/23, die sich wegen der zwischenzeitlichen Coronamaßnahmen am besten mit der Saison 2018/19 vergleichen lässt.

ZIS-Jahresberichte im Vergleich (obere drei Ligen)
18/19 22/23 +/-
Besucher 22,00 Mio. 22,85 Mio. +3,86 %
Verfahren 5.271 5.498 +4,31 %
Verletzte 1.127 1.176 +4,35 %
Verletzte Pyro 152 92 -39,47 %

Die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren im Rahmen der Spiele in der Bundesliga, der 2. Bundesliga und 3. Liga erhöhte sich, auch die Zahl der verletzten Personen stieg von 1.127 auf 1.176. Im Verhältnis zu den Besucherzahlen erhöhte sich der Anteil der verletzten Menschen von 0,0051 Prozent auf 0,0052 Prozent. "Das sind 1.176 verletzte Personen zu viel", schrieb der DFB im April. "Daraus abzuleiten, dass der Stadionbesuch nicht sicher ist, geht aber an der Realität vorbei."

Pyrotechnik auf der Südtribüne in Dortmund

Pyrotechnik auf der Südtribüne in Dortmund

Polizeidirektor Oliver Strudthoff, der die ZIS leitet, teilte zu dem Bericht mit: "Ob die gestiegenen Zahlen auch künftig Bestand haben werden, bleibt abzuwarten." Gleichzeitig forderte er eine konsequentere Anwendung von Stadionverboten. Die unerlaubte Verwendung von Pyrotechnik hat laut DFB 2022/23 "signifikant zugenommen", auch die ZIS meldet in diesem Bereich einen deutlichen Anstieg und verweist auf die Gefahren. Die Zahl der Verletzungen infolge der Verwendung von Pyrotechnik in den drei Ligen ist dem ZIS-Bericht zufolge gesunken.

Liga sieht "Handlungsauftrag der Politik"

In der Bundesliga blickt man eher skeptisch auf die Forderungen der Politik. Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann sprach bei WELT TV über die Forderungen des bayerischen Innenministers. "Wir sehen den Handlungsauftrag der Politik", sagte Hellmann. Geisterspiele als Strafe lehnte er ab. "Du kannst nicht alle im Stadion in die Haftung nehmen."

Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender des DFL-Aufsichtsrats, DFB-Vizepräsident und Geschäftsführer von Borussia Dortmund, sprach sich bei "Bild" ebenfalls gegen Geisterspiele aus und sagte mit Bezug auf die Aussagen das bayerischen Innenministers: "Dass wir ein Problem haben, lässt sich nicht von der Hand weisen. Aber mir hat die deutliche Rhetorik nicht so gut gefallen. Die Bayern neigen ja dazu, zu überpointieren."

Hans-Joachim Watzke ist Chef des DFL-Aufsichtsrats, DFB-Vizepräsident und Geschäftsführer von Borussia Dortmund.

Hans-Joachim Watzke ist Chef des DFL-Aufsichtsrats, DFB-Vizepräsident und Geschäftsführer von Borussia Dortmund.