BR24 Sport Timo Boll exklusiv: "Habe mich nie gefühlt wie der Beste"
Timo Boll ist der erfolgreichste deutsche Tischtennis-Spieler der Geschichte. Im exklusiven "Blickpunk Sport"-Interview erzählt er von seinem Abschied vom Sport, seinen Zweifeln - und seiner übernatürlichen Sehfähigkeit.
"Damals dachte ich: Wenn es gut läuft, werde ich mal ein solider Bundesliga-Spieler - und mit Ende 20 ist dann Schluss", sagte Timo Boll am Sonntagabend im exklusiven "Blickpunkt Sport"-Interview. Heute ist Boll 43 Jahre alt, spielt zwar seine letzte Bundesliga-Saison - aber hat am Weg dorthin so ziemlich alles gewonnen, was es im Tischtennis zu gewinnen gibt: zweimal WM-Bronze, achtmal EM-Gold und zweimal den prestigeträchtigen World Cup. Mit der Mannschaft gewann er zweimal olympisches Silber und zweimal Bronze. Hinzu kamen viermal WM-Silber und einmal Bronze. Bei Europameisterschaften standen Teams mit Boll siebenmal ganz oben.
Am Sonntag spielte er zum letzten Mal in Würzburg - nach dieser Saison ist Schluss für den Tischtennis-Star. Viele Menschen kamen nur für ihn in die Halle. "Das war schon besonders. Das hat schon gekribbelt", so Boll bei im exklusiven "Blickpunkt Sport"-Interview.
Timo Boll: "Habe mich nie wie der Beste gefühlt"
Bei all seinen Erfolgen, gibt es da einen Lieblingstitel, ein Match, das alle anderen übertrifft? Timo Boll, der Team-Player, der Publikums-Liebling und Sympathieträger, zögerte nicht lange mit der Antwort - und die verrät einiges über seinen Charakter: "Vom Emotionalen her sicher die vielen Mannschaftstitel. Sich mit einem Team zu freuen, ist immer am schönsten."
Und obwohl der Spieler von Borussia Düsseldorf auch zahlreiche Einzelerfolge feierte, "hab ich mich trotzdem nie gefühlt wie der beste Spieler der Welt, weil ich immer gedacht habe: Die anderen sind eigentlich besser, als ich."
Boll wurde selbst in China zum Star
"Ich war eher immer Understatement, ich hatte eher immer zu viel Respekt vor dem Gegner. Aber das hat mir gut getan, deswegen hab ich mich auch immer weiterentwickelt, weitergearbeitet, trotz der vielen Erfolge", sagte Boll. Über Jahrzehnte erspielte er sich erst in Deutschland und dann international Respekt und Anerkennung. Selbst in China, im Land des Tischtennis, wurde Boll zum Star. "Wenn dir 11.000 oder 12.000 Leute zujubeln und deinen Namen rufen, ist das schon besonders".
Die vielen Erfolge zeichneten sich mit der Zeit nicht nur im Trophäenschrank ab - Timo Boll entwickelte über die Jahrzehnte hinweg auch außerordentliche körperliche Fähigkeiten: "Durch das viele Tischtennis-Training hat sich natürlich auch eine extreme Sehfähigkeit entwickelt", erklärte Boll. Bei einem Test an der Universität in Bonn habe er einen Wert von 280 Prozent Sehfähigkeit beim dynamischen Sehen erreicht. "Das war der beste Wert, der jemals gemessen wurde", so Boll.
Boll: "Der ganze Körper lässt nach"
Seine Sehfähigkeit gepaart mit einer flinken Hand, schnellen Füßen und der Blitzreaktionsfähigkeit brachten ihn an die internationale Tischtennis-Spitze. Doch mittlerweile spürt selbst Boll an der Platte, dass er mit seinen 43 Jahren zu den Ältesten zählt - "ab und zu verlier ich sogar mal einen Ball aus den Augen. Der ganze Körper lässt ein bisschen nach."
Zeit, Adieu zu sagen: "Ich hab immer gedacht, dass ich nicht loslassen kann und den richtigen Zeitpunkt verpassen werde. Aber jetzt merke ich natürlich auch, dass ich abbaue und dass es dann vielleicht nicht mehr ganz so viel Spaß macht."
Bei Olympia flossen bei Boll die Tränen
Von seinen internationalen Fans hatte sich Boll auf der wohl größtmöglichen Bühne verabschiedet: bei den Olympischen Spielen in Paris im vergangenen Sommer. Es hallten "Timo, Timo, Timo, Timo, Timo"-Sprechchöre durch den Saal. Es gab Standing-Ovations von den Zuschauern. Und auch die deutsche Basketball-Legende und der gute Freund Bolls, Dirk Nowitzki, war gekommen, um ihn noch einmal hochleben zu lassen - Boll hatte Tränen in den Augen. "Ich hab schon gewusst, dass es hart wird. Die Nationalmannschaft war ja auch ein kleiner Teil meiner Familie. Das war schon sehr emotional."
Quelle: Blickpunkt Sport 15.12.2024 - 21:45 Uhr