Paris-Nizza Roglic-Debüt für Bora - ein Start mit Rückstand
Primoz Roglic, der neue Tour-de-France-Siegerkandidat von Bora-hansgrohe, landet bei Paris-Nizza, seinem ersten Rennen für den neuen Rennstall, nur auf Rang 10. Panik herrscht dennoch nicht, weder bei ihm noch bei seinem Arbeitgeber. Aber Luft für Verbesserungen gibt es auch.
Nein, es war nicht der Tag des Primoz Roglic. Vor Kälte zitternd bog er auf die Promenade des Anglais, die Meerespromenade im südfranzösischen Nizza, ein. Vier Minuten hatte der Slowene dort schon auf Etappensieger Remco Evenepoel und den Gesamtsieger der Rundfahrt, Matteo Jorgenson, verloren. Schnell fuhr er zum Teambus durch, selbst wenn die Sonne im Zielbereich wieder zwischen den Wolken herausschaute. "Ja, mir war wirklich kalt. Und als ich im Rennen endlich die Jacke bekam, war ich schon am Ende", sagte er später. Als Ausrede wollte er das nicht bewertet wissen. "Es ist für jeden schließlich dasselbe. Manche Jungs waren besser, und einige von uns weniger gut", meinte er trocken.
Unter den Erwartungen
Aber die Enttäuschung war dem Sieger der Rundfahrt von 2022 dennoch anzumerken. "Natürlich bin ich mit der Absicht hergekommen, das Rennen zu gewinnen. Sonst fährt man ja nicht zu Rennen. Aber es hat nicht geklappt. Wenigstens hatte ich einen guten intensiven Block. Und ich bin auch gesund geblieben und habe das Rennen in einem Stück beendet", versuchte er gegenüber der Sportschau die negativen und die positiven Seiten zu gewichten.
Auch bei seinem Arbeitgeber herrschte alles andere als Zufriedenheit. "Wir haben hier mehr erwartet, da braucht man kein Blatt vor den Mund zu nehmen“, meinte Teamchef Ralph Denk zur Sportschau. "Wir müssen das jetzt analysieren. Und dann ist es gut, wenn man in den nächsten Stunden und Tagen die Gründe findet, warum das jetzt nicht ganz so geklappt hat. Nur wenn man keine Gründe findet, ist das eher schlecht, denn dann weiß man nicht, wo man ansetzen muss“, nahm er sich vor.
Ansatzpunkte gibt es einige. Roglic geriet bereits beim Teamzeitfahren ins Hintertreffen. 54 Sekunden betrug der Rückstand auf den Sieger UAE Emirates, 16 Sekunden waren es noch auf Visma - Lease a Bike mit dem späteren Gesamtsieger Jorgenson.
Im "Usain-Bolt-Stil" in den Marathon gestartet
Ursache war ein zu schnelles Angehen. "Unsere Fahrer sind da im Usain-Bolt-Stil losgefahren, sie hatten aber einen Marathon vor sich. Und da wird es schwer, das auch so durchzuziehen", beschrieb Sportdirektor Rolf Aldag das Problem. Einen Vorwurf wollte er seinen Fahrern damit aber gar nicht machen. "Das spricht erstmal für die Moral in der Truppe, dass sie nicht sagen: ‚Hey, lass uns mal kontrolliert angehen, sondern wir fahren hier los, als wenn wir gewinnen wollen.‘ Und damit kann man viel besser leben, als wenn alle ins Ziel kommen und sagen: ‚Ich hätte ja noch gekonnt und habe jetzt noch Reserven.‘ Das wäre schlecht. Insofern finde ich das ganz positiv", sagte Aldag der Sportschau.
Primoz Roglic (mitte) mit seinen neuen Teamkollegen beim Team Bora-hansgrohe
Überhaupt sah Aldag das erste Rennen mit Roglic in der neuen Umgebung als einen Testlauf. "Es geht darum, zu lernen, wie wir gemeinsam als Mannschaft funktionieren. Da geht es um ganz einfache Sachen wie: Soll man vor ihm fahren oder hinter ihm fahren? Wie packt man ihn ein, damit ihm nichts passiert, von vorne, hinten, rechts oder links? Das sind neue Situationen für alle. Und da haben wir immer Briefings und Gespräche, jedes Mal neu, und wir entwickeln uns. Klar ist er ein Gewinner, und hätte auch gern hier gewonnen. Aber dieses ganze Setup muss sich erst entwickeln. Und da sind wir auf einem guten Wege", bilanzierte Aldag.
Auch ihm wird selbstverständlich nicht entgangen sein, dass Roglic nicht in jener körperlichen Verfassung war, um in einem guten, aber keineswegs exzellenten Feld für Unterschiede zu sorgen. Die Toursieger der letzten vier Jahre, Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard, fehlten. Mit Remco Evenepoel, Ex-Weltmeister und Vuelta-Sieger, konnte er bis zum vorletzten Tag zumindest mithalten. Aber die einzige nennenswerte Attacke, die er bei Paris-Nizza setzte, war letztlich nur die Vorbereitung für den entscheidenden Angriff des späteren Gesamtsiegers Matteo Jorgenson.
Zu viele Raketen für den einstigen Skispringer?
Für Roglic, der gewöhnlich wie eine Rakete aus Trainingslagern kommt, war dieser Unterschied auch eine Überraschung. "Es gibt inzwischen viele Raketen hier, oder?", meinte er mit einem leicht sarkastischen Lachen.
Primoz Roglic (M.) mit Jorgenson (l.) und Evenepoel (r.)
Bora-hansgrohe und der neue Spitzenmann Roglic starten mit Rückstand auf die anderen Tour-de-France-Kontrahenten in die Saison. Das nagt am Selbstvertrauen. Alarmläuten ist allerdings erst angesagt, wenn sich diese Tendenz auch bei den anderen Rennen bestätigt. Der nächste Auftritt ist für die Baskenlandrundfahrt vom 1. bis 6. April geplant. Da ist dann auch der doppelte Tour-Sieger Vingegaard der Gradmesser. Der Däne erledigte sein Saisoneinstiegsprogramm mit Rundfahrtsiegen bei O Gran Camino und beim Tirreno Adriatico ganz ohne Fehl und Tadel. Aber bei ihm müssen sich die Teamkollegen ja auch nicht erst dran gewöhnen, von welcher Seite sie ihn am besten schützen sollen.