Deutschland Tour Tudor und Q36.5 - Schweizer Radsportteams greifen an
Sowohl der aktuelle deutsche Meister Marco Brenner sowohl der derzeit Beste im Gesamtklassement, Jannik Steimle, treten bei der Deutschland Tour für Schweizer Teams an. Und diese müssen sich als Neulinge im Peloton erst einmal behaupten.
Auf der Straße erkannt zu werden, Autogramme zu geben, mit Radsportfans zu schnacken - daran muss sich Marco Brenner erst noch gewöhnen. Aber das gehört nun einmal dazu, wenn man das Trikot des deutschen Meisters sein Eigen nennen darf.
Und auch heute ging der 21-Jährige seinen neuen Pflichten nach; sehr zur Freude einer älteren Dame, die beim Posieren des obligatorischen Fotos nicht nur nicht fassen konnte, wie groß Brenner ist, sondern sich gleich auch noch einen ganzen Stapel Autogrammkarten schnappte. Der Schwiegersohn würde sich so freuen.
Brenner trägt das Meister-Trikot bei der Deutschland Tour
Doch auch Brenner hatte sichtlich Spaß an der Sache. Erst Ende Juni sicherte sich der Augsburger die deutsche Meisterschaft auf der Straße, womit er zum jüngsten Titelträger seit fast 20 Jahren wurde und die Vorherrschaft von Red Bull-Bora-hansgrohe durchbrach.
Nun bei seiner zweiten Deutschland-Tour-Teilnahme nach 2021 das Meistertrikot tragen zu dürfen, sei etwas ganz Besonders. Aber das sei das Jahr bisher eh schon gewesen. Denn bereits im März fuhr Brenner den ersten Profi-Sieg seiner Karriere ein.
Beim Settimana Internazionale Coppi e Bartali gewann er eine Etappe, drei Jahre nach seinem WorldTour-Debüt. "Der erste Sieg war mega. Dahin zu kommen, hat lange gebraucht, auch wenn ich ja noch recht jung bin", so Brenner gegenüber der Sportschau. Die Erleichterung, diesen Meilenstein endlich abhaken zu können, habe er nämlich schon gespürt. "Der anschließende Meistertitel war dann natürlich das Highlight."
Neuling Tudor Pro Cycling
"Marco trägt jetzt ein Jahr lang das schönste Trikot des Feldes. Toll, dass es mit Tudor beflockt ist", freut sich Marcel Sieberg, selbst ein ehemaliger deutscher Radprofi und jetzt sportlicher Leiter des Tudor Pro Cycling Teams, im Gespräch mit der Sportschau. Nach drei Jahren beim World Team DSM fährt Brenner seit dieser Saison für das Schweizer Pro Team. Und dieses ist ebenfalls erst in seiner zweiten Profi-Saison unterwegs. Es hätte einfach von Beginn an gepasst, erzählt Brenner. "Es ist noch alles sehr jung und ich bin froh, dass ich mit diesem Projekt mitwachsen kann."
Marco Brenner (rechts)
Seinen Ursprung hat das Tudor Pro Cycling Team in der Swiss Racing Academy, welche 2018 gegründet wurde und den Schweizer Nachwuchs fördern sollte. Als schließlich der Uhrenhersteller Tudor als Sponsor gewonnen werden konnte, erhielt das Team die zweitklassige Pro-Lizenz.
Tudor Pro Cycling: Attraktiv fahren und Spaß haben
Setzte Tudor Pro Cycling bisher vor allem auf junge Fahrer, möchte man mit den Verpflichtungen von erfahrenen Profis wie Marco Haller, Marc Hirschi und Julian Alaphilippe ab der nächsten Saison mehr Erfahrung ins Team holen – und dank des französischen Publikumslieblings Alaphilippe vielleicht auch eine Wildcard für die Tour de France, bei der es bisher außen vor war.
Julian Alaphilippe
Dennoch bleibt die Teamphilosophie dieselbe: attraktive Rennen bestreiten und Spaß haben. "Wir sind noch am Anfang und haben keinen Druck", bekräftigt Sieberg.
Zwei Schweizer Teams bei Deutschland Tour
Tudor Pro Cycling ist nicht das einzige Schweizer Team, welches an der Deutschland Tour teilnimmt. Auch mit dabei ist das Q36.5 Pro Cycling Team, gegründet 2023 und ebenfalls mit einer Pro-Lizenz unterwegs. Unterstützt wird Q36.5 Pro Cycling von einigen namhaften Geldgebern, so zum Beispiel von Breitling – wie der Zufall es will auch ein Uhrenhersteller – und dem Finanzinstitut UBS.
Marcel Sieberg begrüßt den Aufbruch im Schweizer Radsport. So sind die Eidgenossen aus dem Radsport zwar nicht mehr wegzudenken, eigene Teams waren aber lange Fehlanzeige. "Es ist schön, zwei Teams zu haben, denn es ist gar nicht mal so einfach, ein Radsportteam zu gründen", gibt er zu bedenken.
Extra-Boost in der Heimat
Während Tudor Pro Cycling mit vier Deutschen im Team bei der Deutschland Tour antritt, ist für Q36.5 Pro Cycling nur Jannik Steimle am Start. Bis jetzt allerdings mit großem Erfolg, denn nicht nur war der 28-Jährige beim Prolog der beste deutsche Fahrer, sondern er behauptete auch nach der ersten Etappe von Schweinfurt nach Heilbronn seinen siebten Rang in der Gesamtwertung mit gerade einmal 15 Sekunden Rückstand auf den Führenden Jonathan Milan.
Besonders auf die zweite Etappe freut sich Steimle, denn diese endet mit Schwäbisch-Gmünd in seiner Heimat. "Dort kenne ich alles in- und auswendig, deshalb ist das große Ziel, morgen vorne mitzuspielen", so Steimle. "Ich hoffe, dass ich am Ende der Deutschland Tour meinen Top-Ten-Platz im Gesamtklassement behaupten kann."
Brenner mit bescheidenen Zielen
Für Marco Brenner geht es eher darum, sich zu zeigen. Denn die Streckenführung sei nicht seins, so der deutsche Meister. "Aber ich kann unsere Sprinter unterstützen. Und wenn sich die Möglichkeit ergibt, versuche auch ich, offensiv zu fahren", kündigt Brenner an.
Vor allem auf die letzten zwei bergigen Etappen würde er sich freuen, mit Blick auf das Gesamtklassement bleibt er aber bescheiden. "Es kann natürlich sein, dass ich ein gutes Ergebnis einfahre. Genauso kann es aber sein, dass ich mit leeren Händen nach Hause komme." Noch sind es nur 22 Sekunden Rückstand nach ganz vorne.