Indiens Goldhoffnung Sheetal Devi - Bogenschützin ohne Arme
Sie ist Indiens große Goldhoffnung bei den Paralympics in Paris - Sheetal Devi. Die Bogenschützin wurde erst vor gut zwei Jahren bei einem Sportfest der indischen Armee "entdeckt" und hat seitdem eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Sie ist die einzige Schützin ohne Arme im Paralympischen Turnier.
Die Art wie Sheetal Devi ihren Bogen spannt, ist einzigartig: Als Erstes greift sie sich mit den Zehen des rechten Fußes einen Pfeil vom Boden und hängt ihn in die Sehne des Bogens. Über den Schultern und dem Brustkorb trägt Devi einen speziellen Gurt, dort hängt sie das Ende des Pfeils ein und spannt den Bogen, indem sie ihren Fuß gegen diesen stemmt. Sobald sie ihr Ziel anvisiert hat, lehnt sie sich mit ihrem Körper ruckartig nach hinten und der Pfeil schießt Richtung Scheibe.
Mit 17 Jahren ist Devi eine der besten Schützinnen der Welt
Die erst 17-jährige Bogenschützin gilt als eine der besten weltweit. Sie ist derzeit die einzige aktive Schützin ohne Arme. Sie kam mit der seltenen Krankheit Phokomelie zur Welt, die unterentwickelte Gliedmaßen hervorrufen kann. Die Erkrankung führte dazu, dass sich ihre Arme nicht vollständig ausbildeten.
"Ich bin motiviert, Gold zu gewinnen", wird Devi von der BBC zitiert. "Wenn ich die Medaillen sehe, die ich bereits gewonnen habe, fühle ich mich inspiriert, noch mehr zu gewinnen. Ich habe gerade erst angefangen."
Devis Bewegungstalent fiel bei einem Sportfest der Armee auf
Tatsächlich begann Devi erst im Alter von 15 Jahren mit dem Bogenschießen. Ihr Bewegungstalent fiel bei einem von der indischen Armee organisierten Sportfest für Kinder und Jugendliche in der Kaschmir-Region 2021 auf. Devi begründete ihr Talent mit ihrer Leidenschaft, auf Bäume zu klettern: "Nach der Schule spielten meine Freunde und ich den ganzen Tag draußen. Wir kletterten auf Felsen und Bäume. Als ich das erste Mal auf einen Baum kletterte, hatten alle anderen Angst, nur ich nicht."
US-Athlet Matt Stutzman als Vorbild
Zwei Trainer der Rashtriya Rifles, einer Anti-Terror-Einheit der indischen Armee, hatten die Idee, dem Mädchen das Bogenschießen mit den Füßen beizubringen. Zunächst sollten für Devi Prothesen angefertigt werden. Dieser Versuch scheiterte allerdings, brachte die drei aber nicht vom ihren Plan ab. Als Inspiration diente zu dieser Zeit Matt Stutzman. Der US-Amerikaner gewann bei den Paralympischen Spielen in London 2012 als armloser Bogenschütze die Sibermedaille und ist auch in Paris wieder mit dabei.
Training mit Gummiband und Bogen
"Devi hatte starke Beine, aber wir mussten herausfinden, wie sie ihren Rücken zum Schießen einsetzen kann", beschreibt Abhilasha Chaudhary, einer der Coaches, die Herausforderung dieser Zeit. Zunächst trainierte Devi mit einem Gummiband, machte aber schnell Fortschritte und konnte schon bald einen Bogen nutzen. Die Trainingsintensität stieg weiter an, von 50 Pfeilen bis zu 300 Pfeilen pro Tag. Devi schloss sich ihrem heutigen Trainer Kuldeep Vedwan an und trainierte fortan an der Sportschule in Katra.
Niemand hat irgendwelche Mängel, wir müssen nur ein bisschen härter arbeiten.
Devis Karriere nimmt schnell Fahrt auf
Mit beachtlichem Erfolg: Bereits wenige Monate später trat Devi bei den National Championships an. Bei den indischen Junioren-Meisterschaften, bei denen Sportlerinnen und Sportler ohne Beeinträchtigung teilnehmen, verpasste sie knapp eine Medaille.
Der erste internationale Erfolg - spektakulärer Auftakt in Paris
Für Aufsehen auf der internationalen Bühne sorgte Devi bei den Para-Asienspielen 2022. Dort traf sie sechsmal hintereinander in die Zehn und gewann Gold. Bei der Para-Weltmeisterschaft 2023 gewann sie Silber - als erste Schützin ohne Arme - und qualifizierte sich damit für die Spiele in Paris. Das Besondere ist, dass Devi zu diesem Zeitpunkt den Sport gerade einmal seit elf Monaten ausübte. Durch diese Erfolge kletterte sie innerhalb kürzester Zeit auf Platz eins in der Weltrangliste. Am Donnerstag (29.08.2024) startet in Paris für sie das Paralympische Tunier, das Finale findet am Samstag (31.08.2024) statt. Der Auftakt verlief vielversprechend. In der 1. Runde kam Devi mit persönlicher Bestleistung von 703 Punkten auf Platz zwei. Besser war nur die Türkin Oznur Cure Girdi, die dazu aber auch einen Weltrekord mit 704 Zählern benötigte.
Neben der harten Arbeit, musste Devi auch Opfer für ihre Karriere bringen. Sie sagt, dass sie nicht ein einziges Mal nach Hause gegangen ist, seit sie zum Training nach Katra gezogen ist. Nach den Paralympics will sie unbedingt zurückkehren, "hoffentlich mit einer Medaille". So oder so, sie ist entschlossen, ihr Bestes zu geben. "Niemand hat irgendwelche Mängel, wir müssen nur ein bisschen härter arbeiten", sagt sie.