Tischtennis Wunderkind Lebrun scheitert an Fan Zhendong
Das französische Tischtennis-Wunderkind Felix Lebrun wird sich mit dem olympischen Bronze-Kampf zufriedengeben müssen. Im Halbfinale unterlag der 17-Jährige dem erfahrenen Chinesen Fan Zhendong deutlich mit 0:4 (8:11, 6:11, 7:11, 5:11). Der trifft im Finale auf den Schweden Truls Möregardh.
Wo ist das Limit von Felix Lebrun? Diese Frage stellte sich der Tischtennis-Gemeinde in den letzten Tagen, als das französische Tischtennis-Wunderkind nicht nur gegen den Deutschen Dimitrij Ovtcharov gewann, sondern sich anschließend im Viertelfinale auch gegen den Taiwanesen Lin Yun-Ju durchgesetzt hatte. Könnte tatsächlich ein 17-Jähriger Nicht-Chinese Olympiasieger 2024 werden?
Die über 6.400 Fans, die am Freitagvormittag (02.08.2024) in die Paris Arena Süd 4 gekommen waren, hatten keine Zweifel daran. Schon vor dem Spiel war die Stimmung enorm, während des Matches dann eine für Tischtennis völlig ungewöhnliche Atmosphäre. Wie im Fußballstadion wurde jede Aktion lautstark kommentiert, die Ballgewinne Lebruns lösten regelrechte Jubelstürme aus.
Jugendlicher Leichtsinn gegen chinesische Erfahrung
Allerdings: Der Wunderknabe hatte es im Halbfinale des Männer-Einzelturniers mit keinem Geringeren als dem Chinesen Fan Zhendong zu tun. Der stand zwar tags zuvor im Viertelfinale gegen den Japaner Tomokazu Harimoto beim 4:3-Sieg selbst kurz vor dem Aus, brachte aber natürlich jede Menge Erfahrung bei Turnieren auf höchstem Niveau mit.
Und der 27-Jährige zeigte dem jungen Franzosen recht schnell, wie Tischtennis-Matches auf allerhöchstem Nievau angegangen werden. Die langen Power-Aufschläge Lebruns beantwortete der letzte Chinese im Turnier von Anfang an mit eigenen Angriffsbällen, die dem Franzosen Schwierigkeiten bereiteten.
Zu stark: Fan Zhendong
Lebrun kann's nicht glauben
Es entwickelte sich eine Partie auf höchstem Niveau mit außerordentlichem Tempo. Im ersten Satz hatten beide ihre Läufe, am Ende kassierte Zhendong mit 11:8 seinen ersten Satzgewinn. Lebrun schaute teils ungläubig auf die Antworten des Chinesen, der sich gegenüber dem Vortag erheblich verbessert präsentierte.
Zhendong hatte Oberwasser - auch im zweiten Satz, den er mit 11:6 für sich entschied. Lebrun war beeindruckt, seinem Spiel fehlte in dieser Phase der letzte Mut, das letzte Risiko. Dies erhöhte er nach Absprache mit seinem Coach in der kleinen Pause nach dem zweiten Satz. Es zahlte sich zunächst aus. Der Franzose ging mit 4:1 im dritten Satz in Führung - aber Zhendong wehrte sich. Nahm Lebrun immer wieder dessen Aufschlag ab und ging seinerseits mit 9:5 in Führung. Bei 10:7 hatte er seinen zweiten Satzball, den er nutzte: Lebrun geriet nach Zhendongs Schlag auf den Körper unter Druck und sein Rückschlag geriet zu lang - auch der dritte Satz ging mit 11:7 an den Chinesen.
Aufatmen in China
Zhendong war auf Kurs - was sicherlich für großes Aufatmen in China sorgte. Schließlich bestreiten das andere Halbfinale mit Truls Moregardh (Schweden) und Hugo Calderano (Brasilien) ja zwei Nicht-Chinesen. Hieß: Würde Zhendong scheitern, wäre es das erste Mal seit 20 Jahren, dass es keinen chinesischen Olympiasieger im Herren-Einzel geben würde.
Zu diesem chinesischen Debakel kam es aber hier nicht. Auch im vierten Satz ging Zhendong - der beinahe unfassbar exakt und konzentriert spielte - mit 7:4 in Führung. Das Match lief auf seine frühe Entscheidung zu. Zhendong, der nach Problemen im letzten Jahr aus den Top-Drei der Weltrangliste gefallen war, spielte sein überragendes Tischtennis bis zum Schluss: Holte sich den vierten Satz mit 11:5 sehr deutlich. Und zog ins Finale ein.
Möregardh bezwingt Calderano
Im zweiten Halbfinale schlug am Nachmittag der Schewede Truls Möregardh den Brasilianer Hugo Calderano mit 4:2 (12:10, 16:14, 7:11, 11:7, 10:12, 11:8).
Truls Möregardh - nervenstark ins Finale
Für Möregardh, der in der kommenden Bundesliga-Saison für den 1. FC Saarbrücken antreten wird, war schon der Einzug in die Runde der letzten Vier eine Sensation. Das war ihm mit einem 4:1 gegen den Ägypter Omar Assar gelungen. Schon in der 2. Runde war ihm die Sensation schlechthin gelungen, als er den chinesischen Weltranglisten-Ersten Wang Chuqin mit 4:2 besiegt hatte.
Sechseckiger Schläger bietet mehr Trefferfläche
"Ich stehe komplett unter Schock", hatte sich Möregardh nach dem Viertelfinale gefreut: "Es fühlt sich komplett krank an. Das ist absolut das Größte, was ich je getan habe." Gegen Calderano, der für den TTC Ochsenhausen in der Bundesliga spielt, bestimmte der Weltranglisten-26., der mit einem sechseckigen Schläger mit größerer Trefferfläche spielt, von Beginn an das Spiel.
Mit seinem druckvollen Tempo-Tischtennis hielt er den Südamerikaner in den ersten beiden Sätzen in Schach, war aber auch vor Schwächephasen nicht gefeit. Diese nutzte Caledron wann immer sich ihm die Möglichkeit bot. Doch der 22-jährige Schwede blieb nervenstark und zog sich selbst immer wieder aus kleinen Tiefs heraus. Letztlich war sein Sieg nach sechs Sätzen sogar recht deutlich und natürlich hochverdient.
Nun hat er am Sonntag (04.08.2024, 14.30 Uhr) mit Fan Zhendong den nächsten Topfavoriten im Kampf um Gold vor der Brust.