Eva Lys bejubelt ihren Sieg bei den Australian Open
analyse

Australian Open Achtelfinale - Ein lebensveränderndes Turnier für Eva Lys

Stand: 18.01.2025 11:50 Uhr

Eva Lys rückte nur aufgrund der Verletzung einer Konkurrentin ins Hauptfeld und feiert jetzt den größten Erfolg ihrer Karriere. Ihr Geheimnis? Der Spaß am Spiel.

Von Andreas Thies, Melbourne

Eva Lys kann ihre herausragende Stimmung auf einen Satz runterbrechen: "Diese Tage hier in Melbourne haben mein Leben verändert." Das ist eine mutige Aussage, selbst für eine 23-jährige Profisportlerin, und doch dürfte sie in diesem Fall stimmen. Denn Lys, die nach ihrer Niederlage in der letzten Qualifikationsrunde eigentlich nicht für das Hauptfeld der Australian Open qualifiziert war, hat jetzt, als Lucky Loserin, also als Nachrückerin für eine verletzte Spielerin, auf einmal das geschafft, was ihr viele Experten schon lange zugetraut haben: Den erstmaligen Einzug in die Top 100 der Weltrangliste - und das ist in der Tat lebensverändernd für eine Spielerin wie Lys.

Denn Lys, die erst ganz kurz vor ihrer Erstrundenpartie von ihrem Glück erfahren hatte, steht mittlerweile, nach drei Siegen im Hauptfeld, im Achtelfinale der Australian Open. Der Lohn: Ein Match gegen die Weltranglisten-Zweite Iga Swiatek und ein Preisgeld von umgerechnet 250.000 Euro.

Wie Lys herausstreicht, wird sich durch die gewonnenen Punkte auch ihr Turnierplan verändern. Von nun an kann sie höher dotierte Turniere spielen. Vielleicht kann sie ihren Vater, seit Kindertagen auch ihr Trainer, dann öfter mitnehmen. Denn der hatte die Sternstunde von Melbourne verpasst: "Meine Eltern müssen natürlich arbeiten, ich bin noch nicht in der Position, meinen Vater die ganze Zeit dabei zu haben. Finanzen spielen eine große Rolle. Für ihn kommt es nicht in Frage, vier oder fünf Tage Arbeit zu verpassen."

Lockerheit trägt Lys

So ist im Moment ein Altbekannter der Trainer vor Ort. Torben Beltz, Ex-Coach von Angelique Kerber und seit Dezember neuer Chef-Bundestrainer der deutschen Tennis-Frauen, hilft hier vor Ort aus. Im Fall von Lys übernimmt er die Vorbereitung auf die Matches und das Training an den spielfreien Tagen. Lys stellt fest: "Torben ist derzeit definitiv ein Teil des Teams."

Was er dabei am Samstag bei Lys Drei-Satz-Sieg gegen die Rumänin Jacqueline Cristian sehen konnte, war vor allem Leichtigkeit in den entscheidenden Phasen. Wie schon in ihrem Match gegen die Französin Varvara Gracheva in der zweiten Runde fand Lys, als es wirklich darauf ankam, eine entspannt-fokussierte Einstellung. Schon gegen Gracheva hatte sich Lys in den entscheidenden Momenten gesagt: "Genieß das Spiel." Die half auch am Samstag gegen Cristian.

Dabei hatte es Lys in ihrer Karriere bisher nicht immer einfach gehabt. Abseits des vergleichsweise noch wackeligen Aufschlages hat sie das Talent, sich dauerhaft in den Top 100 festzusetzen. Doch die Hamburgerin leidet an Spondylarthritis, einer rheumatischen Autoimmun-Krankheit. "Ich muss immer aufpassen. Ich muss mich um meinen Körper kümmern, mich vernünftig ernähren, die Regeneration ist sehr wichtig. Es ist ein Teil von mir und ich muss auch in den kommenden Jahren aufpassen." Bis zur Diagnose hatte Lys immer wieder Turniere absagen müssen.

In diesen Tagen in Melbourne ist von der Erkrankung nichts zu spüren. Im Gegenteil. Lys hat sechs zum Teil sehr lange Matches überstehen können. "Ich habe heute im dritten Satz mein bestes Tennis spielen können. Ich bin sehr froh, dass mein Körper inzwischen so stabil ist."

"Lucky Lys" nicht vom Glück abhängig

Lys spielt Tennis mit einer authentischen Freude am Sport. Sie hat häufig ein Lächeln im Gesicht, beklatscht gelungene Aktionen ihrer Gegnerinnen. Eine Einstellung, die die Lucky Loserin nun in die Runde der letzten 16 gebracht hat. Wobei sie schon nach ihrem Sieg gegen Gracheva in der zweiten Runde festgestellt hatte: "Ich mag den Spitznamen Lucky Lys sehr gerne, aber irgendwann ist es kein Glück mehr. Man muss die Matches ja auch noch gewinnen." Oder wie der Fußballtrainer Hermann Gerland einst gesagt hatte: "Immer Glück ist Können". Man muss ihm, was Eva Lys bei diesen Australian Open angeht, zustimmen.

Auch gegen die Rumänin Cristian, eine hochgewachsene Rumänin mit viel Power im Spiel, musste sich Lys nicht auf ihr Glück verlassen. Mitte des dritten Satzes hatte Lys ihre Selbstsicherheit endgültig gefunden, wie sie im Anschluss berichtete: "Ab 4-2 hatte ich den Ball so gut auf dem Schläger, ich hatte so eine geile Einstellung, dass ich wusste, das Spiel werde ich nicht mehr verlieren."

So kann Lys nun auch einem neuen Ritual frönen. Ihren eigentlich schon für letzten Mittwoch angesetzten Rückflug mal wieder verschieben. Als Lys durch das Nichtantreten der Russin Anna Kalinskaya ins Hauptfeld rutschte, buchte sie ihren Rückflug auf diesen Sonntag um. Auch der Reisetermin ist nun passé.

Klare Außenseiterin im Achtelfinale

Denn erstmal steht am Montag das große Match gegen Iga Swiatek an. In die Partie gegen die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin geht Lys ohne Druck: "Mein Arm ist so locker, ich habe nichts zu verlieren. Ich werde garantiert nicht mehr unterschätzt. Ich werde einfach versuchen, mein bestes Tennis zu spielen. Sie wird ein bisschen härter arbeiten müssen, um zu gewinnen." Selbstbewusste Worte von einer Spielerin, die sich das Glück in den letzten Jahren hart erarbeitet hat und deren Tennisleben sich auch jetzt schon für immer verändert hat – zum Positiven.