Synchronschwimmen bei Olympia Wo sind die Männer in Paris?
Lange war Synchronschwimmen für Männer tabu. Bei den Olympischen Spielen dürften nun im Teamwettbewerb bis zu zwei Männer pro Nation starten. Doch daraus wurde nichts. Aber warum eigentlich?
Schiebetür auf und das Spektakel beginnt. In glitzernden Anzügen schreiten die Athletinnen in Formation zum Pool, jede Bewegung sitzt, ist in stundenlanger täglicher Trainingarbeit über Jahre einstudiert. Sprung in den Pool und dann geht es los, 2:50 Minuten in bestmöglicher Perfektion und Synchronität. Rhythmusgefühl, Ästhetik und ein langer Atem sind gefragt in diesem anspruchsvollen Sport, der allzu oft unterschätzt wird.
Olympia, das ist die große Bühne auch fürs Synchronschwimmen, in Deutschland eine Randsportart, in anderen Ländern eine Attraktion und entsprechend beliebt, das Centre Aquatique ist rappellvoll, die Stimmung euphorisch. Zwei Entscheidungen gibt es in Paris in diesem Sport, im Duett und im Mannschaftswettbewerb, der dreigeteilt ist und auf drei Tage verteilt: technische Kür, freie Kür und Acrobatic Routine. Am Ende werden die Ergebnisse addiert und die Medaillen verteilt.
Nur eine Premiere statt der geplanten zwei
Der dritte Teilbereich ist neu bei Olympia, drei Minuten lang wird es am Mittwoch (07.08.2024) in dieser letzten von drei Küren um rein akrobatische Elemente gehen, also Heber und Sprünge. Wie gemalt für Männer, die eigentlich auch im Teamwettbewerb eine Premiere feiern und erstmals an Olympischen Spielen teilnehmen sollten. Zwar nur maximal zwei pro Team, aber immerhin eine Revolution - die jedoch im Konjunktiv bleibt. Denn kein Mann ist am Start.
Nachholbedarf in der technischen Kür
Alle zehn teilnehmenden Nationen haben jeweils neun Athletinnen aufgeboten, acht sind gesetzt und eine ist Ersatz. Wer in der ersten Kür am Montag (05.08.2024) schwamm, darf nur bei einem Krankheitsfall an den weiteren beiden Tagen ausgetauscht werden - und das ist ein Problem. Denn die Männer können zwar mit ihrer Kraft und Athletik in der Acrobatic Routine punkten, in der technischen Kür aber haben sie noch Nachholbedarf und sind beim Gesamteindruck eher Hindernis als Hilfe.
"Alle Bewegungen müssen da gleich sein. Die Männer sind aber oftmals Quereinsteiger, die vom Wasserspringen, Schwimmen oder Turnen kommen und haben das nicht von klein auf gemacht. Da fehlen noch ein paar Jahre", erklärt die Flensburgerin Petra Obermark, die als Wertungsrichterin in Paris dabei ist.
Zu starres Regelwerk
Viele finden schade, dass das Olympia-Debüt eines männlichen Synchronschwimmers weiter warten muss, die Italienerinnen hätten gerne ihren Teamkollegen dabei gehabt.
Wir haben einen wirklich guten Mann in Italien und sind ein bisschen traurig, dass wir ihn nicht bei uns haben, aber die Regeln geben es nicht her.
Aber: "So wie es jetzt ist, passt es nicht zusammen. Die Zeit hat nicht gereicht. Wir müssen viele Jahre zusammen trainieren, um perfekt zu harmonieren. Wir haben einen wirklich guten Mann in Italien und sind ein bisschen traurig, dass wir ihn nicht bei uns haben, aber die Regeln geben es nicht her", sagt Synchronschwimmerin Linda Cerruti.
Auch Obermark hätte sich mehr Flexibilität von Weltverband und IOC gewünscht. "Ich denke, dass die Italiener und die Amerikaner sicher einen Mann ins Team genommen hätten, wenn sie zehn Teammitglieder hätten nominieren oder tauschen können", meint sie. "Oder man hätte Mixed-Duett ins olympische Programm aufnehmen können. Dann wäre auf jeden Fall ein Mann pro Team dabei gewesen."
Schwierige Suche nach männlichem Nachwuchs
Lange war das Synchronschwimmen für Männer tabu. Erst seit 2015 dürfen sie im Mixed-Duett - aktuell keine olympische Disziplin - starten, seit dem vergangenen Jahr sind sie auch in den Team-Wettbewerben international zugelassen.
Der Berliner Frithjof Seidel, einst im Wasserspringen aktiv, gewann 2023 EM-Silber und war im selben Jahr auch im WM-Team dabei. Er hat für einen kleinen Schub gesorgt, grundsätzlich aber ist es schwierig, Nachwuchs zu finden. An der Förde hat Obermark nun einen 13-Jährigen unter ihren Fittichen und hofft, dass er dabei bleibt, ihr Club TSB Flensburg bietet zudem Anfängerkurse, wo Jungen und Mädchen direkt gemeinsam einsteigen.
Männer können Synchronschwimmen bereichern
"Das muss erst wachsen", sagt die 51-Jährige und weiß, es braucht Geduld. "Ich denke aber, dass man von Anfang an darauf hintrainieren kann." Noch wird es jedoch dauern, bis die Männer auf dem Niveau der Frauen mithalten können, vor allem mit Blick auf die technische Kür.
Dass Männer das "Artistic Swimming" bereichern können, davon ist die erfolgreiche Trainerin überzeugt: "In der freien Kür hat man mehr Spielraum für Vielfältigkeit in der Choreografie, und in der Akrobatik ist es schon ein Vorteil, dass Männer deutlich kräftiger sind. Es werden sicher andere Hebefiguren möglich sein, an die man jetzt vielleicht noch gar nicht denkt." Nicht zuletzt der Verband erhofft sich perspektivisch einen Leistungs- und Popularitätsschub des Sports.
Dass Männer jetzt teilnehmen können, ist wirklich ein cooler Fortschritt für unseren Sport.
Wie Synchronität in Perfektion funktioniert, zeigen zum Auftakt die favorisierten Chinesinnen mit ihrer fulminanten Kür. Jede Rotation, jede Feinheit sitzt. Die USA, die wie Italien auf die mögliche Nominierung ihres sehr guten männlichen Synchronschwimmers verzichtet haben, werden als Viertplatzierte in den zweiten Tag starten.
Theorie im Jetzt, Vorfreude auf die Zukunft
"Dass Männer jetzt teilnehmen können, ist wirklich ein cooler Fortschritt für unseren Sport", meint Keana Hunter vom US-Team. "Unglücklicherweise war noch keiner soweit, richtig gut zusammen bei den Olympischen Spielen performen zu können. Aber ich freue mich auf die Zukunft."
Noch hat sie bei Olympia nur in der Theorie begonnen.