Olympische Spiele 2024 Ärger im Surfer-Paradies
Bei den Olympischen Spielen 2024 sollen die Surfwettbewerbe vor Tahiti ausgetragen werden. Vor Ort gibt es Widerstand gegen den Bau eines Turms im Meer für Jury und TV-Teams. Doch die Organisatoren setzen vor allem auf spektakuläre Bilder.
Die Olympischen Spiele im Sommer in Paris werden die ersten echten Post-Corona-Spiele: befreit von jeglichen Pandemie-Beschränkungen für Athleten, Fans und Medienvertreter. Die Gastgeberstadt Paris fährt dafür die ganz große Bühne auf: Die Eröffnungsfeier, mit dem traditionellen Einmarsch der Nationen, ist als Bootsparade auf der Seine geplant. Tennis steigt im berühmten Stadion von Roland Garros.
Teahupo'o - mythischer Ort in der Surfszene
Für die Surfwettbewerbe haben die französischen Organisatoren noch einen drauf gesetzt: Sie sollen in Teahupo'o auf Tahiti stattfinden, rund 16.000 Kilometer von Paris entfernt, die Insel ist Teil von Französisch-Polynesien. Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra schwärmte im vergangenen August bei einem Besuch auf der Südseeinsel von einem "magischen Ort", der die Spiele noch spektakulärer mache.
Teahupo‘o ist ein vor allem in der Big-Wave-Szene ehrfürchtig verehrter, beinahe mythischer Ort. Berühmt für seine Monsterwellen, die über mehrere Tausend Seekilometer, ungebremst von jeglicher Landmasse, Fahrt aufnehmen können, bis sie an Tahitis Küste gegen ein großes Riff branden. Der Spot wurde erst in den 1990er-Jahren erschlossen, auch wegen der gefährlichen Bedingungen. Die ersten Türme, die dort für professionelle Surfevents ins Wasser gesetzt wurden, wurden von den meterhohen Wellen einfach weggespült.
Bauvorhaben bedroht Korallenriff - und den Surfspot
Für die olympischen Surfwettbewerbe im Sommer soll nun ein neuer, 14 Meter hoher und neun Tonnen schwerer Turm aus Aluminium errichtet werden, der die Wertungsjury, aber auch Übertragungstechnik beherbergen soll. Doch die polynesische Regionalregierung hatte den Bau Anfang Dezember vorerst gestoppt, nachdem ein Lastkahn, mit dem das Fundament für den Turmbau vorbereitet werden sollte, Teile des Korallenriffs beschädigt hatte. Zerstörung geschützer Gebiete durch olympische Bauarbeiten - das Projekt Olympia im Surfer-Paradies wurde zum PR-Desaster.
Korallenriffe seien grundsätzlich äußerst dynamische, anfällige Ökosysteme, die ohnehin stark durch Meereserwärmung bedroht seien, sagt Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung. Direkte Eingriffe durch Bauvorhaben, auch in angrenzenden Bereichen oder an der Küste, seien sehr schädlich für das ökologische Gleichgewicht, erklärt Ferse.
Dadurch werde die Wachstumsdynamik der Korallen verändert, im schlimmsten Fall sterben sie ab - mit weiterreichenden Folgen, auch für den Surfspot vor Tahiti: "Wenn das Riff beschädigt ist oder eine andere Form annimmt, etwa durch Bauaktivitäten, dann kann das dazu führen, dass über kurz oder lang der Charakter dieser Welle verloren geht. Das, was die Magie dieses Ortes ist, und die Veranstalter eigentlich dahin gezogen hat, wird durch diese eine Veranstaltung bedroht."
Bevölkerung von Anfang an "nicht eingebunden"
Widerstand bei der Bevölkerung vor Ort gab es schon vor dem Unfall mit dem Lastkahn: Auch Bürgerverbände und Umweltinitiativen befürchteten Schäden am sensiblen Ökosystem durch das gigantische Bauvorhaben, bei dem unter anderem Betonplatten im Meeresboden verbohrt und Unterwasserkabel verlegt werden sollen - für Kosten von knapp viereinhalb Millionen Euro.
Die Bevölkerung Tahitis sei von Anfang an nicht in den Prozess eingebunden gewesen, sagte Astrid Drollet von der Umweltschutzorganisation "Vai Ara O Teahupo’o" im Deutschlandfunk. "Niemand hat uns über die Vor- und Nachteile aufgeklärt." Drollets Organisation initiierte eine Online-Petition gegen die Surfwettbewerbe auf Teahupo’o, die bislang knapp 250.000 Personen unterzeichneten.
Unterstützung bekam die Protestbewegung aus der Surfszene, darunter viele Profis mit polynesischer Herkunft. Auch Mega-Stars wie Kelly Slater sprachen sich gegen den Neubau eines Turms aus. "Es ergibt keinen Sinn, einen so riesigen Turm für eine zweitägige Veranstaltung zu verlangen", verkündete die Surfer-Legende seinen Millionen Followern.
Olympia-Organisatoren verwerfen Alternativpläne
Angesichts des Widerstands verkündeten die Olympia-Organisatoren, dass der Turm nun als abgespeckte, leichtere Variante gebaut werden solle. Die Umweltbelastung solle "so gering wie möglich" gehalten werden, hieß es in einer Erklärung aus Paris. Details der neuen Pläne wurden bislang allerdings nicht öffentlich gemacht.
Die International Surfing Association, als olympischer Fachverband auch zuständig für technische Fragen rund um die Wettkämpfe, hatte den Olympia-Organisatoren nach dem Baustopp im Dezember ein detailliertes Alternativkonzept zum umstrittenen Turmbau vorgelegt. Darin vorgesehen war ein Wertungs-Turm auf dem Strand, die Bilder vom Wettkampf sollten zusätzlich per Kamera-Drohnen an die Jury übermittelt werden.
Turm im Meer wird gebaut - auch wegen der TV-Bilder
Von den Organisatoren in Paris wurde dieser Plan aber verworfen. Livekameras, obwohl in der Vergangenheit bei internationalen Wettkämpfen angewendet, würden die Anforderungen für die Bewertung der Wettkämpfe, die Sicherheitsüberwachung und für die Übertragung der TV-Bilder nicht ausreichend erfüllen, hieß es vom Organisationskomitee.
Vor allem letzteres ist wohl auch der Grund, warum die Organisatoren nicht den Holzturm nutzen wollen, der jedes Jahr für das World-Series-Event in Teahupo’o temporär errichtet wird. Die Verankerung dafür ist bereits auf dem Meeresgrund vorhanden. Doch die Konstruktion bietet eben nicht genug Platz für die rund 40 Personen, die dort Platz finden sollen: neben der Wertungsjury auch die Kamerateams der "Olympic Broadcasting Services", die ein Maximum an spektakulären Bildern vom Surf-Thrill vor Tahiti liefern sollen.
Uhr tickt - Testevent für Spiele am 13. Mai
Sportministerin Oudéa-Castéra hatte im Dezember bekräftigt, es gebe keine Alternative zu Teahupo’o als Standort für die olympischen Surfwettbewerbe. Zudem tickt, wie so oft bei olympischen Bauvorhaben, die Uhr: Spätestens bis zum 13. Mai, bis zu einem Testevent für die Spiele, soll alles bereit sein. Die Bauzeit falle genau in die "intensivste Sturmzeit und Unwettersaison", sagt Meersesbiologe Ferse. Auch die Schädigung des Riffs durch den Lastkahn im Dezember sei durch einen Sturm verursacht worden. "In dieser sensiblen Zeit da etwas zu bauen, finde ich gewagt", so Ferse.
Polynesiens Regierungschef Moetai Robertson erklärte den Streit um den Turmbau gegenüber AFP für beendet, man habe eine gemeinsame Lösung mit den Umweltverbänden gefunden. Nach den Schädigungen am Korallenriff hatte Robertson noch Teahupo‘o als Austragungsort grundsätzlich in Frage gestellt. Doch am Ende war wohl die Aussicht zu verlockend, ein Stück vom olympischen Glanz abzubekommen.