Olympia 2024 IOC lässt Russen und Belarusen als neutrale Athleten zu
Das IOC entscheidet wie erwartet: Russen und Belarusen werden als neutrale Athleten bei Olympia zugelassen. Der ukrainische Außenminister reagierte scharf.
Fast 22 Monate nach Kriegsausbruch und trotz des anhaltenden Blutvergießens in der Ukraine hat das IOC den erwarteten letzten Schritt vollzogen: Russen und Belarusen werden als neutrale Athleten (AINs) und unter weiteren Auflagen bei den Olympischen Spielen im kommenden Sommer in Paris zugelassen. Der Rahmen steht damit, die Diskussionen dürften aber anhalten - nicht nur in der von Russland überfallenen Ukraine.
Bislang haben sich nach IOC-Angaben elf "neutrale" Athletinnen und Athleten für die Wettbewerbe qualifiziert, acht aus Russland und drei aus Belarus. Athletinnen und Athleten, die dem Militär angehören, sollen ebenso ausgeschlossen bleiben wie Mannschaften aus beiden Nationen. Zu den IOC-Bedingungen zählen zudem strikte Neutralität, die Einhaltung des Anti-Doping-Codes und der Nachweis, den Krieg nicht aktiv zu unterstützen.
Reaktionen aus der Ukraine und Russland
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte die Entscheidung scharf. "Das Internationale Olympische Komitee hat Russland grünes Licht gegeben, Olympia als Waffe zu benutzen", schrieb Kuleba beim Kurznachrichtendienst X. Jeder Athlet aus Russland und dem verbündeten Belarus werde nun zu Propagandazwecken benutzt. Kuleba rief zudem die Partner der Ukraine auf, die Entscheidung des IOC zu verurteilen.
Russlands Sportminister Oleg Matyzin kritisierte die Auflagen als diskriminierend. Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen sei für Sportler selbstverständlich ein Traum, sagte Matyzin am Freitag der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. "Aber die Bedingungen, die uns geboten werden, laufen grundlegenden olympischen Prinzipien zuwider."
DOSB begrüßt Entscheidung
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begrüßt die Entscheidung wegen der nun "herrschenden Klarheit" für Athleten und Athletinnen auf dem Weg nach Paris. Die damit verbundene "Aufrechterhaltung der strikten Sportsanktionen" sei ebenso wichtig und richtig.
"Jetzt gilt es, diese Auflagen weiterhin konsequent umzusetzen", sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert am Freitag.
Zulassung unter Auflagen
Das IOC um Präsident Thomas Bach hatte am 28. Februar 2022 und damit vier Tage nach dem Angriff Russlands mithilfe des Nachbarn Belarus auf die Ukraine den internationalen Fachverbänden empfohlen, Sportler aus den Aggressornationen bis auf Weiteres von ihren Wettbewerben auszuschließen. Viele, aber nicht alle folgten.
Im März 2023 erging dann die Empfehlung, Aktive aus beiden Ländern unter Auflagen wieder international starten zu lassen. Auch hier war das Bild uneinheitlich - und das bleibt es auch nach der Entscheidung von Freitag.
Leichtathletik-Verband bleibt beim Nein
Der internationale Leichtathletik-Verband bleibt bei seinem strikten Nein-Kurs. "Vielleicht werden Sie in Paris einige neutrale Athleten aus Russland und Belarus sehen, aber in der Leichtathletik wird das nicht der Fall sein", sagte der World-Athletic-Präsident Sebastian Coe.
Eine klare Linie des IOC war auch deshalb fällig, weil Qualifikationswettbewerbe anstehen oder bereits gestartet sind.
Wie reagiert die Ukraine?
Die Ukraine hatte bereits im März empört reagiert auf die Aufweichung des IOC-Kurses und untersagte seinen Athletinnen und Athleten zwischenzeitlich, im selben Wettbewerb wie Russen anzutreten. Auch ein Olympia-Boykott des überfallenen Landes für die Spiele von Paris (26. Juli bis 11. August 2024) wurde immer wieder angedroht.
Und doch kann die jüngste IOC-Entscheidung niemanden überraschen. Zunächst hinter verschlossenen Türen begannen schließlich bereits im Sommer 2022 erste Gespräche mit Vertretern von Weltverbänden und Nationalen Olympischen Komitees über den Umgang mit der Russland-Frage.
Die Richtung wurde schnell klar, Bach predigte früh, dass Sportler nicht für Entscheidungen ihrer Regierungen bestraft werden dürften und sprach stets von einem "Dilemma" für das IOC. Die Schritte waren klein, Entscheidungen wurden nicht selten in Hinterzimmern getroffen, zwei Sonderberichterstatterinnen des UN-Menschenrechtsrats mussten zwischenzeitlich als formal unabhängige Anwälte für eine Aufweichung herhalten, die im Frühjahr 2023 eintrat.
"Internationale Linie" der Verbände
Immer mehr Verbände und NOKS begaben sich in der Folge auf die "internationale Linie", im November schließlich auch der DOSB - der nur eine von vielen Nationen vertritt, die gerne Olympische Spiele ausrichten möchten. Und dafür ist ein gutes Standing in Lausanne und im Weltsport essenziell.
Außerhalb Europas stellte sich die Frage, ob Russen und Belarusen in Paris dabei sein sollten, ohnehin schon lange nicht mehr. Zwischenzeitlich stand etwa gar ein "Gaststart" bei den Asienspielen im Raum, zu diesem kam es aber letztlich "aus technischen Gründen" nicht. Auf internationaler Ebene fanden seit dem Frühjahr immer wieder brisante Aufeinandertreffen zwischen Sportlern aus Russland und der Ukraine in den Sportarenen statt.
Offene Fragen
Es bleiben Fragen zu klären: Sind Russlands Sportler, in Dopingfragen seit einem Jahrzehnt dauerhaft in Verruf, sauber? Wie lässt sich sicher nachweisen, dass Athletinnen oder Athleten nicht mit dem russischen Militärapparat oder dem Kreml verwoben sind? Und das Russische Olympische Komitee (ROC) mag zwar suspendiert sein, die Aktiven neutral gekleidet - die Propagandafrage aufgrund ihrer Herkunft wird sie aber ebenfalls auf dem Weg zu den Spielen begleiten.