Einschätzung von Alexandra Xanthaki IOC-Beraterin - Auch Russlands Militärangehörige sollen bei Olympia starten
IOC-Beraterin Alexandra Xanthaki hat sich im Vorfeld der IOC-Exekutivsitzung dafür ausgesprochen, dass Angehörige des russischen Militärs grundsätzlich an den Olympischen Spielen teilnehmen können. Von Seiten von Athleten, vor allem aus der Ukraine, gab es heftige Kritik.
Wie mehrere internationale Medien, darunter "Associated Press" und "Guardian" berichten, hat sich UN-Beraterin Alexandra Xanthaki dafür ausgesprochen, dass Angehörige des russischen Militärs an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilnehmen dürfen.
Xanthaki, Juristin und UN-Berichterstatterin für kulturelle Rechte, berät das Internationale Olympische Komitee (IOC) bei der Frage, wie mit Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus umgegangen wird. Die IOC-Exekutive hat auf ihrer Sitzung am Dienstag (28.03.2023) in Lausanne angekündigt, "Leitplanken" für die Rückkehr der bislang verbannten Athletinnen und Athleten zu beschließen - vor allem mit Blick auf die Sommerspiele 2024 in Paris.
UN-Beraterin Xanthaki: "Ausschluss russischer Militärs diskriminierend"
UN-Beraterin Xanthaki äußerte sich nun bereits im Vorfeld der IOC-Entscheidung. Es ergebe keinen Sinn, russische Soldaten und Angehörige des russischen Militärs generell auszuschließen, sagte Xanthaki im Rahmen einer vom IOC einberufenen Schalte mit Athletenvertretern.
Dies sei diskriminierend, wurde Xanthaki bei AP zitiert, weil es schon Athleten aus anderen Ländern gegeben habe, die aktiv an Militäroperationen beteiligt gewesen wären. Sie seien auch nicht von Wettbewerben ausgeschlossen worden. "Wir können nicht diejenigen dafür verantwortlich machen, dass sie Befehle ausführen, auch nicht bei völkerrechtswidrigen Operationen."
Ausschluss nur bei "Menschenrechtsverletzungen" und "Kriegspropaganda"
Russlands Sport ist eng mit der Armee verwoben, viele Athletinnen und Athleten sind Angehörige des Militärs. Sie von Wettbewerben auszuschließen, sei aber für Xanthaki auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nur vertretbar, wenn sich Athleten beim Militär "ernsthafter Menschenrechtsverletzungen" schuldig gemacht hätten, so die griechische Juristin. Insbesondere bei "Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord".
Ein Ausschluss einzelner Sportler sei zudem möglich, sollten sie "aktiv Kriegspropaganda" betreiben, aber auch dies müsste im Einzelfall nachgewiesen werden.
Empörte Reaktionen aus der Ukraine
Die Reaktionen aus der Ukraine fielen erwartungsgemäß empört aus. Skeleton-Pilot Wladislaw Heraskewitsch bezeichnete Xanthakis Äußerungen gegenüber dem "Guardian" als "verrückt". Der Ukrainer war einer der Athleten, die sich mit Xanthaki zusammengeschaltet hatten. Auch viele der anderen Teilnehmer seien geschockt gewesen, so Heraskewitsch: "Darüber, dass sie offensichtlich einen juristischen Weg bereiten möchte, dass Russen wieder an Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Trotz des illegal geführten Krieges."
In jedem Fall hat die UN-Juristin Xanthaki schon vor der IOC-Exekutivsitzung öffentlich ihre Einschätzung zur brisanten Russland-Frage abgegeben. Dies könnte zugleich eine Tendenz sein, in welche Richtung die "Leitplanken" weisen, die der IOC-Vorsitz in Lausanne festlegen möchte.
Einige Punkte ihrer Argumentation erinnern dabei an die Äußerungen, die in den vergangenen Wochen vonseiten des IOC kamen. Auch das Führungsgremium unter Präsident Thomas Bach hatte immer wieder von Diskriminierung gesprochen, sollten Athleten und Athletinnen aufgrund ihrer Nationalität von Wettkämpfen ausgeschlossen werden.
Xanthakis Vorschläge klingen nach Thomas Bach
Auch den Vorschlag, die Teilnahme Russlands und Belarus an Bedingungen zu knüpfen, hat man schon vom IOC gehört. Schon bei dem Kriterienkatalog, mit dem das IOC vor Wochen den möglichen Weg für eine mögliche Rückkehr russischer Athleten aufgezeigt hatte, ging es um ein Bekenntnis russischer Athleten, Putins Angriffskrieg nicht zu unterstützen.
Bei Xanthaki ist es nun der Ausschluss von Militärangehörigen, die aktiv an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Dies umzusetzen, erscheint aber ebenso realtitätsfern wie der vom IOC ins Spiel gebrachte Gesinnungsnachweis. Denn eine mögliche Aufarbeitung des Krieges und Verfahren wegen Kriegsverbrechen sind ja noch in weiter Ferne.
Xanthaki verwies außerdem in einer Twitter-Mitteilung darauf, dass "alle Verbände des globalen Südens" den Kurs des IOC mittragen würden, Athleten und Athletinnen aus Russland den Start unter neutraler Flagge zu ermöglichen. Auch dies klingt verdächtig nach der IOC-Linie des deutschen Präsidenten: Thomas Bach hatte sich mehrfach darauf berufen, dass die Wiedereingliederung von Russland und Belarus von einer Mehrheit der nationalen olympischen Komitees mitgetragen werde.
Erneuter Appell gegen Zulassung Russlands - auch von Athleten Deutschland
Bei den Aktiven sieht das Meinungsbild dagegen weiterhin anders aus. Nachdem die deutsche Nationalmannschaft im Fechten sich bereits gegen eine Zulassung Russlands zu den Olympischen Spielen ausgesprochen hatte, legten am Dienstag mehr als 300 internationalen Fechterinnen und Fechter einen offenen Brief an den Weltverband und das IOC nach.
Der Weltverband FIE hatte Anfang März die Rückkehr russischer sowie belarusischer Athletinnen und Athleten beschlossen. Dagegen protestierten die Aktiven nun in ihrem Appell und forderten, die Suspendierung gegen Russland und Belarus aufrechtzuerhalten. Der einseitige Angriffskrieg sei ein "Bruch des Olympischen Friedens", der nicht ignoriert oder gar gebilligt werden dürfe, hieß es in der Protestnote. "Es wäre ein katastrophaler Fehler, zur Tagesordnung überzugehen."
Auch der Verein Athleten Deutschland bekräftigte am Tag der Beratungen des IOC-Exekutivkomitees seine Forderung nach einem Komplettausschluss von Russland und Belarus. Dieser müsse "für Verbände, Funktionäre, und leider auch für Athlet*innen gelten", erklärte Athleten Deutschland: "Der Weltsport muss seine Unterwanderung durch russischen Einfluss systematisch und unabhängig aufarbeiten lassen."