IOC-Gehälter Wie sich die Führungsriege Olympias an den Athleten bereichert
Der in den USA veröffentlichte Finanzbericht des Internationalen Olympischen Komitees für 2022 zeigt, wie Angestellte abkassieren, während die Sportler bei Olympiateilnahmen leer ausgehen. Auch weil viele IOC-Topverdiener nun noch mehr Salär erhalten als 2021, hagelt es Kritik.
Überall auf der Welt versucht sich das Internationale Olympische Komitee als Botschafter eines Ideals darzustellen: als eine Organisation, die die Jugend der Welt durch Sport zusammenbringt. Auch in diesen Tagen schmücken sich die Herren der fünf Ringe mit grellen Bildern aus Gangwon in Südkorea, wo gerade die Olympischen Winter-Jugendspiele zu Ende gegangen sind. Oder sie blicken bereits voller Vorfreude auf die Sommerspiele in Paris im August.
Weniger gern lässt sich das IOC in die Bücher schauen, in denen die riesigen Finanzströme des Milliarden-Imperiums mit Sitz in der Schweiz verzeichnet sind. Nachdem schon im vergangenen Jahr die Gehaltszahlen der IOC-Spitzenkräfte für das Jahr 2021 von der amerikanischen Non-Profit-Plattform Pro Publica Quellen öffentlich gemacht worden waren, hat die Organisation nun auch den Finanzbericht des IOC für das Jahr 2022 mit den Winterspielen in Peking publiziert. Das vorgelegte sogenannte Formular 990 ist ein Dokument, das steuerbefreite Organisationen bei der US-Steuerbehörde (Internal Revenue Service, IRS) einreichen.
Kritik der Athleten
Aus dem Dokument geht wie schon aus der Vorjahresausgabe hervor, wie großzügig die Sportorganisation aus Lausanne weiter die Olympia-Einnahmen unter den eigenen Mitarbeitern verteilt. So bekamen allein die 21 Top-Angestellten des IOC im Jahr 2022 zusammen fast so viel Geld (12,47 Mio. US-Dollar/etwa 11,46 Mio. Euro) wie die kleinsten der olympischen Sommersportverbände - Moderner Fünfkampf, Rugby oder Golf - für die Teilnahme in Tokio bei den Olympischen Spielen 2021 (je 12,98 Mio. US-Dollar/ca. 11,93 Mio. Euro). Für die Verbände war es das Geld, mit dem sie bis Paris in diesem Sommer wirtschaften mussten.
"Wir sehen an dem Bericht, dass das IOC noch immer so operiert wie vor 20, 30 Jahren. Es ist erschreckend zu sehen, wie viel Gehälter es seinen Mitarbeitern zahlt, während die Athleten weiterhin leer ausgehen", sagte Rob Koehler, der Generaldirektor der weltweiten Athletenvereinigung Global Athlete, auf ARD-Anfrage: "Und nicht nur das: Das IOC nimmt den Athleten die Möglichkeit, bei Olympia ihre Bildrechte zu verwerten oder sogar auf dem Podium Stellung zu beziehen gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit."
Auch die Organisation Athleten Deutschland kritisiert die Gehaltspolitik des IOC scharf. "Es ist kaum vermittelbar, dass das IOC offenbar rund 20 Führungskräfte mit mehr als 50 Millionen US-Dollar in einem Vierjahreszeitraum vergütet, es aber gleichzeitig nicht schafft, den rund 10.000 startenden Athletinnen und Athleten bei Olympischen Sommerspielen eine angemessene Entlohnung zu zahlen oder sie an der Milliardenwertschöpfung zu beteiligen", schrieb Athleten Deutschland auf ARD-Anfrage.
Das IOC rühmt sich gern dafür, bei Sponsoren, Medien und anderen Geldgebern mit seinen Spielen in einer Olympiade, den vier Jahren zwischen den Spielen, zuletzt 7,6 Milliarden Dollar (knapp sieben Millarden Euro) erlöst zu haben. Es prahlt dann damit, das Geld an Nationale Olympische Komitees und Sportverbände weiterzureichen. So legitimiert es, dass die Athleten an den Olympischen Spielen ohne Gage oder Honorar teilnehmen.
Der olympische Einkommensmillionär
Von den Einnahmen der IOC-Spitzenangestellten können die meisten olympischen Athleten nur träumen. So bringt es der Komitee-Krösus, Generaldirektor Christophe de Kepper, inklusive Boni, Prämien und Rentenzahlungen laut dem US-Formblatt im Jahr 2022 auf 1,58 Millionen US-Dollar (etwa 1,53 Millionen Euro) – und damit über zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Keiner in der olympischen Verwaltung hat das "Schneller, Höher, Weiter" der Bewegung so perfektioniert wie der belgische Jurist de Kepper: Im November 2001 vom damaligen Präsidenten Jacques Rogge als sein Bürochef ins Internationale Olympische Komitee geholt, erhielt er 2004 als Rogges "Kabinettschef" noch vergleichsweise bescheidene 290.000 Dollar (damals etwa 230.000 Euro).
Auffällig ist zudem, wie in der von Thomas Bach straff geführten Organisation offenbar die Prioritäten gesetzt werden: Während die Direktoren der für die Zukunftsfähigkeit Olympias wichtigen Bereiche Nachhaltigkeit, Ethik oder Medizin allesamt empfindliche Gehaltseinbußen von etwa 50.000 US-Dollar (gut 46.000 Euro) zum Vorjahr hinnehmen mussten, kassieren die PR- und Kommunikationsexperten des IOC zuverlässig jährlich mehr.
Bachs deutscher Vertrauter Christian Klaue etwa, der Kommunikationsdirektor, fällt öffentlich vor allem dann auf, wenn er bei aufkommender Kritik am IOC, etwa dem engen Paktieren des IOC mit totalitären Regimen wie China, Nachrichten einen positiven Spin zu geben versucht. Der frühere Journalist hat allein von 2021 (525.649 US-Dollar/etwa 490.000 Euro) einen satten Sprung auf 588.074 US-Dollar (etwa 557.000 Euro) 2022 gemacht - einschließlich Boni und Prämien von 198.953 US-Dollar (etwa 188.000 Euro), sowie Zahlungen auf Rentenansprüche in Höhe von 54.042 US-Dollar (ca. 51.000 Euro).
Die vergessenen Führungsfrauen
Auch in anderen Bereichen des modernen Wirtschaftswesens scheint das IOC nicht dem allgemeinen Trend zu folgen. So geht die Berufung von Frauen in Führungspositionen unter Bach sehr schleppend voran. Es gibt unter seinen 21 höchstbezahlten Angestellten gerade mal fünf Frauen. Auffällig zudem: Vier von diesen fünf IOC-Führungsfrauen mussten von 2021 zu 2022 auch noch Einkommenseinbußen hinnehmen.
"Wie das IOC so seine bis 2024 zurecht gesteckten Gleichstellungsziele erreichen will, bleibt zweifelhaft", schrieb Athleten Deutschland, "dass bei genereller Gehaltssteigerung im Top-Management vier von fünf Frauen Gehaltseinbußen hinnehmen müssen, wirft ernsthafte Fragen nach der Benachteiligung von Frauen im IOC auf."
Treue langjährige Mitarbeiter hingegen können sich offenbar auf Bachs Loyalität verlassen. Der noch von seinem Mentor Juan Antonio Samaranch sen. nach den Spielen in Barcelona 1992 ins IOC geholte Pere Miro, zuletzt 2021 offiziell als stellvertretender Generaldirektor mit 731.407 Dollar (etwa 693.000 Euro) Jahresgehalt geführt, bevor er mit öffentlicher Würdigung ausschied, wurde offenbar auch anschließend üppig honoriert. Als "Berater des Präsidenten" kam Miro auch 2022 noch auf 375.842 US-Dollar (etwa 356.000 Euro) inklusive Boni und Rentenzahlungen.
"Moderne Sklaverei"
Zudem sorgt Bach dafür, dass das IOC binnen der vergangenen Olympiade zuverlässig gewachsen ist und in Lausanne immer mehr Angestellte finanziell an Olympia partizipieren, während die Stars der Spiele weiter leer ausgehen. Statt 372 Angestellte 2018 wies das IOC 2022 stattliche 525 Mitarbeiter aus. "Obwohl es die Athleten sind, die dem IOC die riesigen Einnahmen ermöglichen, werden sie vom IOC noch immer nicht wie gleichberechtigte Partner anerkannt", sagt der amerikanische Athletensprecher Koehler, "das ist eine Form der modernen Sklaverei. Und es ist nur eine Frage der Zeit, dass Regierungen, die den Löwenanteil des Sports bezahlen, und Nationale Olympische Komitees sich auf die Seite der Athleten stellen und das IOC in die Pflicht nehmen."
Die Gesamtgehälter des IOC im Jahr 2022 sind zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, aber weiterhin eher fürstlich, selbst für ein Land wie die Schweiz: Statt 100,77 Millionen US-Dollar (etwa 94,8 Millionen Euro) im Jahr 2021 zahlte das IOC 98,6 Millionen US-Dollar (etwa 93,5 Millionen Euro) in 2022 – im Vergleich zu 77,85 Millionen Dollar (etwa 74,3 Millionen Euro) fünf Jahre zuvor. Das entspricht den Personalausgaben einer mittelgroßen deutschen Stadt wie Bamberg mit knapp 80.000 Einwohnern, die allerdings ziemlich genau drei Mal so viele Angestellte hat wie das IOC.
450 Dollar Spesen pro Tag
Im Vergleich zur festangestellten Verwaltung werden die derzeit 107 Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees vergleichsweise bescheiden bedacht, wie aus dem Rechenschaftsbericht 2022 hervorgeht: IOC-Mitglieder erhalten jährlich als Verwaltungsaufwand 7.000 US-Dollar (etwa 6.500 Euro). Pro Tag bekommen sie bei allen IOC-Treffen 450 Dollar Spesen (etwa 420 Euro). Vorstandsmitglieder und der Präsident erhalten das Doppelte an Aufwandsentschädigung für ihre Vorstandstreffen.
Die Ausgaben von Präsident Bach hat das IOC 2021 in Höhe von 376.000 US-Dollar (etwa 325.000 Euro), 2022 mit 370.000 US-Dollar (etwa 344.000 Euro) übernommen. Beinhaltet sind die 275.000 Euro Aufwandsentschädigung, die Bach von der Ethik-Kommission zugebilligt sind - aber das zumindest steuerfrei. 163.000 US-Dollar (etwa 150.000 Euro) hat das IOC für Bach zusätzlich als Einkommenssteuer für seine Aktivitäten in der Schweiz abgeführt.