Krieg in der Ukraine IOC öffnet Tür für russische Einzelsportler zu Olympischen Spielen
Das IOC öffnet die Tür für die Rückkehr russischer und belarusischer Sportler in den Weltsport - und erntet harsche Kritik. Die Entscheidung über die Spiele 2024 in Paris bleibt offen.
Die IOC-Exekutive beschloss am Dienstag (28.03.2023), den Weltverbänden die Teilnahme der bisher verbannten Athletinnen und Athleten unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen. Dabei handelt es sich um eine Empfehlung an die einzelnen Sportfachverbände. Vor 13 Monaten, unmittelbar nach dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine, waren die meisten Fachverbände einer IOC-Empfehlung zum Ausschluss der Sportler gefolgt.
Militärangehörige bleiben ausgeschlossen
Zu den IOC-Bedingungen zählen strikte Neutralität, die Einhaltung des Anti-Doping-Codes und der Nachweis, den Krieg nicht aktiv zu unterstützen. Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus, die dem Militär angehören, bleiben ausgeschlossen, ebenso Mannschaften der beiden Nationen.
Die vom IOC hinzugezogene UN-Beraterin Alexandra Xanthaki hatte sich im Vorfeld der Tagung noch dafür ausgesprochen, auch Angehörige des russischen Militärs zu Wettkämpfen zuzulassen, es sei denn, ihnen könnten im Krieg direkt Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden.
Noch keine Entscheidung zu Olympia 2024 und 2026
Eine Entscheidung bezüglich der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 und den Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo 2026 in Paris werde "zu gegebener Zeit" getroffen werden, so Bach. Wann genau und auf welcher Grundlage, ließ er offen.
"Wir können keine Lösung bieten, die allen gefällt", sagte Präsident Thomas Bach zu Beginn der Exko-Sitzung. Das IOC war vor allem in der westlichen Welt von Regierungen und Athleten für die Pläne kritisiert worden, pocht aber auf die Autonomie des Sports und verweist auf die Richtlinien der UN- und Olympischen Charta zur Diskriminierung.
"Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler"
Die Bundesregierung verurteilte die IOC-Empfehlung scharf: "Die Entscheidung des IOC ist ein Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler. Sie haben die Solidarität des internationalen Sports verdient. Das Mindeste, was die Ukraine erwarten kann, ist eine klare Haltung", erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Es gibt keinerlei Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport. Putin führt seinen verbrecherischen Krieg weiter mit entsetzlicher Brutalität gegen die ukrainische Zivilbevölkerung."
Ähnlich äußerte sich der polnische Außenminister Piotr Wawrzyk: "Es ist ein Tag der Schande für das IOC." Am Tag vor dem Beginn der IOC-Tagung hatten die Außenminister von Polen, Großbritannien, Litauen, Lettland und Estland in einer gemeinsamen Erklärung gefordert, Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus von internationalen Wettbewerben auszuschließen.
Die Ukraine dagegen wertet den Beschluss als Teilerfolg auf dem Parkett der internationalen Sportpolitik. "Wir haben es geschafft, dass die Entscheidung über die Zulassung von Russen und Belarussen zu den Olympischen Spielen 2024 verschoben wird", schrieb Sportminister Wadym Hutzajt bei Facebook.
Das Nationale Olympische Komitee Russlands ROC bezeichnete die Empfehlung als "Diskriminierung aufgrund der Nationalität". "Die angekündigten Kriterien für die Rückkehr zu internationalen Wettbewerben sind inakzeptabel", sagte ROC-Präsident Stanislaw Posdnjakow.
DOSB fügt sich, Boykott ausgeschlossen
Der Deutsche Olympische Sportbund hält eine Rückkehr russischer und belarusischer Athletinnen und Athleten zu internationalen Wettkämpfen für falsch. "Aus unserer Sicht ist das nicht das, was wir uns gewünscht hätten. Wir sind für den Ausschluss russischer und belarusischer Sportler und Sportlerinnen", sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert der ARD.
"Die Voraussetzungen, die das IOC benannt hat, sind sehr strikt, und das ist auch gut so. Nun muss man sich anschauen, wie das umgesetzt wird", so Weikert weiter. Einen Boykott der Olympischen Spiele schloss er weiterhin aus: "Wir halten einen Boykott für nicht hinnehmbar, wir werden auf jeden Fall mit unseren Athletinnen und Athleten in Paris starten," so Weikert.
Athleten Deutschland für "kollektiven Ausschluss"
Die Aktivenvertretung Athleten Deutschland übte harte Kritik: "Athleten Deutschland ist enttäuscht von der erwartbaren Empfehlung des IOC an die Weltverbände, russische und belarussische Athlet*innen unter Auflagen im internationalen Sport wieder zuzulassen", heißt es in dem Statement. "Das IOC (...) trifft diese Entscheidung zu einem Zeitpunkt, an dem Russland den Angriffskrieg mit unverminderter Härte weiterführt und dabei täglich Opfer unter den Ukrainer*innen in der Zivilbevölkerung und Athletenschaft fordert."
Die Wiederzulassung für manche Athletinnen und Athleten unter Auflagen sei falsch: "Dieses Instrument ist nicht geeignet, die Instrumentalisierung des Sports und der Athlet*innen für Putins Kriegspropaganda zu unterbinden. Ein kollektiver Ausschluss wäre – nach mehrfachen Brüchen mit den Werten und Regeln der Olympischen Bewegung – ein geeignetes und legitimes Mittel gewesen, auch ohne gegen Diskriminierungsverbote zu verstoßen."
Im Fechten hatte sich der Weltverband bereits Anfang März für die Rückkehr mit Fahnen und Hymnen ausgesprochen. Dagegen hatten am Montag mehr als 300 Fechterinnen und Fechtern in einem offenen Brief an das IOC und den Weltverband protestiert.