Olympisches Tennis-Turnier Bittersüßes Ende - Kämpferherz Kerber sagt in Paris "adieu"
Mit einem grandiosen Match hat sich Angelique Kerber im olympischen Viertelfinale von der Tennisbühne verabschiedet und ihre erfolgreiche Karriere beendet. Ein letztes Mal zeigte die Kielerin bei der knappen Dreisatz-Niederlage gegen die Chinesin Zheng Qinwen eindrucksvoll ihre Qualitäten, die sie einst zur Nummer eins der Welt gemacht hatten.
Als die letzte Tennisschlacht geschlagen und das epische Match im olympischen Viertelfinale gegen die Weltranglistensiebte Zheng Qinwen knapp verloren war, brauchte Angelique Kerber erst einmal einen Moment für sich. Drei Stunden lang hatte sich die Norddeutsche mit der 15 Jahre jüngeren Chinesin duelliert. Ein unglaubliches Match zum Abschied und ein würdiger Rahmen im Glutofen des riesigen Court Philippe-Chatrier, wo Tausende Fans sie feierten.
"Jetzt ist es also vorbei. Und es ist irgendwie verrückt. Ich habe wirklich alles in meiner Karriere erreicht, wovon ich als Kind geträumt habe", sagte Kerber, die sich um Fassung bemühte, doch ein wenig brach ihr am Ende die Stimme. Gerne hätte sie ihre wundersame Reise in Paris fortgesetzt, wo sie es entgegen aller Erwartungen mit starken Vorstellungen bis ins Viertelfinale geschafft hatte.
"Natürlich bin ich traurig, dass es nicht gereicht hat", sagte die 36-Jährige nach dem 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (6:8) in einem Krimi, der das Publikum von den Sitzen gerissen hatte. "Zwei Punkte haben es letztlich entschieden", bedauerte sie. "Aber ich bin auch stolz, auf welchem Level ich in den vergangenen Tagen gespielt habe. Ich habe alles auf dem Platz gelassen. Das hat mich während meiner ganzen Karriere ausgezeichnet und ich bin froh, dass ich das heute noch einmal zeigen konnte."
Es war die richtige Entscheidung, in Paris mein letztes Turnier zu spielen. Ich habe es wirklich sehr genossen. Ich habe mein Herz auf dem Chatrier gelassen.
Das Herz auf dem Platz gelassen - wie oft hat Angelique Kerber das gesagt. Und auch getan in den 21 langen Jahren ihrer erfolgreichen Tenniskarriere, während der sie drei Majors gewann, die Australian Open und die US Open 2016 sowie Wimbledon 2018 - ihr "schönster Sieg". Bei den Olympischen Spielen 2016 holte sie Silber, 34 Wochen war sie die Nummer eins der Weltrangliste.
Willensstärke und unbändiger Kampfgeist
Keine spielte in Bedrängnis so stark, verteidigte so leidenschaftlich wie die Linkshänderin. Auch gegen Zheng wehrte sie drei Matchbälle ab, da war sie schon stehend K.o. Ihre Willenstärke und ihr unbändiger Kampfgeist zeichneten sie als Spielerin aus.
In Paris, für sie auf der ungeliebten Asche bislang kein gutes Pflaster, feierten sie die Fans dafür - ein letztes Mal. "Am Ende haben Paris und ich uns doch noch versöhnt", meinte sie. "Ich bin froh, dass ich hier aufgehört habe. Ich glaube, ich habe hier auch noch den einen oder anderen Fan dazugewonnen."
Rittner: "Eine außergewöhnliche Sportlerin"
Eine tadellose Haltung und Einsatz scheinbar über die Grenzen hinaus - Kerber ist das Erbe wichtig, das sie hinterlässt: "Ich hoffe, dass die Leute wissen, dass ich immer bis zum Letzten gekämpft und auch an schlechten Tagen mein Bestes versucht habe, wenn sie über mich sprechen", sagte sie der Sportschau.
Sie hatte eine wunderbare Karriere und hat ohne Zweifel ihren Traum gelebt. Herzlichen Glückwunsch zu allem, was sie erreicht hat. Ich wünsche ihr das Allerbeste.
Nach dem Match verneigten sich Boris Becker und ihre langjährige Wegbegleiterin Barbara Rittner vor ihr, die auf dem Court mitgefiebert hatten. "Sie muss so unglaublich stolz auf sich sein. Eine außergewöhnliche Sportlerin, die uns in Paris nochmal alles gezeigt hat", sagte Rittner. "Ein bitteres Ende, aber ein fantastisches Match zum Ende der Karriere", bilanzierte Olympiasieger Alexander Zverev im Sportschau-Interview.
An der Seine glänzte Kerber beim Schlussakkord so, wie es ihr nach der Geburt ihrer Tochter Liana im Februar 2023 noch nicht wieder gelungen war. Nun geht sie auf einem Höhepunkt, nicht allen Sportlern ist das geglückt.
Kein Rücktritt vom Rücktritt
Einen Rücktritt vom Rücktritt wird es nicht geben, Kerber geht emotional angefasst, aber sie geht ganz. "Ich weiß, dass ich immer noch mit den Top-Spielerinnen mithalten kann. Das ist ein gutes Gefühl, aber es bleibt eine gute Entscheidung, hier mein letztes Turnier gespielt zu haben, das ganz besonders war mit diesen Fans und dieser Atmosphäre", betonte sie. "Besser hätte man sich kein letztes Spiel vorstellen können. Ich werde es immer in Erinnerung behalten."
Keine Nachfolgerin in Sicht
Am Abschluss ihres letzten Arbeitstages als Tennisprofi ging Kerber zügig vom Platz, drehte sich noch einmal kurz um und winkte tapfer in die Menge. Dann verschwand sie in den Katakomben, begleitet von tosendem Applaus. Ihrem geliebten Sport will sie verbunden bleiben, in Polen hat sie eine Tennis-Akademie, zudem ist sie Turnierbotschafterin in Bad Homburg. Doch sie hinterlässt eine riesige Lücke: Weit und breit ist keine Nachfolgerin für die erfolgreichste deutsche Spielerin seit Steffi Graf zu entdecken.