Schwimmer Lukas Märtens in Paris mit seiner Goldmedaille
analyse

Schwimm-Bilanz Deutsche Hoffnungsschimmer und zwei Superstars

Stand: 04.08.2024 19:53 Uhr

Die Schwimm-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Paris im Becken sind vorbei. Olympiasieger Lukas Märtens und Isabel Gose bescherten dem Deutschen Schwimm-Verband das beste Abschneiden seit 2008. Alles gut also im DSV? ARD-Schwimmreporter Alexander Bleick zieht Bilanz.

Von Alexander Bleick, Paris

Zwei Medaillen nimmt das deutsche Team mit von den Wettbewerben im Beckenschwimmen in Paris. Zwei waren es auch in Tokio. "Stagnation" könnte man auf den ersten Blick denken. Doch bei genauer Betrachtung ist eine deutlich positive Entwicklung erkennbar.

Nicht nur, weil mit einmal Gold und einmal Bronze die Bilanz der Corona-Spiele in Japan (zweimal Platz 3) verbessert wurde, sondern weil auch eine Leistungssteigerung in der Breite erkennbar ist. In Paris war Deutschland in 17 Endläufen vertreten. Das sind mehr als doppelt so viele wie die acht in Tokio. Die gleiche Entwicklung zeigt sich auch beim Blick auf die Top 5 (acht versus vier). Der DSV scheint also auf dem richtigen Weg zu sein.

Weltklasse dank Trainer Berkhahn

Bei genauem Hinsehen offenbaren sich allerdings erhebliche Unterschiede. Im Mittel- und Langstreckenbereich gehört Deutschland dank der Arbeit am Stützpunkt Magdeburg mit Trainer Bernd Berkhahn zur Weltspitze. Dafür stehen die beiden Medaillengewinner Lukas Märtens (Gold über 400 m Freistil) und Isabel Gose (Bronze über 1500 m Freistil) sowie Florian Wellbrock in Normalform, Oliver Klemet, Leonie Märtens und internationale Top-Schwimmerinnen und Schwimmer, die inzwischen in Magdeburg trainieren.

Mychailo Romantschuk (Ukraine), Moesha Johnson (Australien) oder Freiwasser-Olympiasiegerin Sharon van Rouwendahl vertrauen oder vertrauten auf Berkhahn und das Knowhow seines Trainerteams.

Sprintbereich bereitet Sorgen

Ein Sorgenkind im deutschen Schwimmsport bleibt der Sprintbereich. Auch wenn mit Weltmeisterin Angelina Köhler (Berlin), Melvin Imoudu (Potsdam) und Lucas Matzerath (Essen) drei Aktive in 100-m-Wettbewerben Top-5-Platzierungen erreichten, klaffen auf vielen Strecken große Lücken. Die Halbfinals in fünf der acht 100-m-Strecken fanden ohne deutsche Beteiligung statt. Erschreckend!

Über 100 m Rücken und Schmetterling der Männer sowie 100 m Freistil, Rücken und Brust der Frauen fehlt es an Athletinnen und Athleten von internationaler Klasse. Damit fallen deutsche Staffeln als Medaillenkandidaten per se aus. Besserung ist nicht in Sicht. Denn die Zahl der leistungsorientiert trainierenden Jugendlichen geht wegen der weit offenen Schere zwischen Aufwand und möglichem Ertrag immer mehr zurück.

Märtens taugt als Vorbild

Immerhin hat der deutsche Schwimmsport in Lukas Märtens jetzt wieder einen Olympiasieger, der nicht nur im Wasser sondern auch außerhalb des Beckens als Vorbild taugt. Offen, sympathisch, schlagfertig und dazu aktiv in den Sozialen Medien - Märtens erfüllt alle Voraussetzungen, um das neue Gesicht in dieser Sportart zu werden. Seine Goldmedaille, die erste bei den Männern seit Michael Groß und Uwe Dassler 1988, bleibt im Gedächtnis.

Rätselraten um Wellbrock

Genauso wie das immer noch unerklärliche Scheitern von Florian Wellbrock. Seine erneute Blockade in zwei Vorläufen trotz laut Trainerteam optimaler Vorbereitung und exzellenter Leistungstests im Vorfeld der Spiele sorgt für Rätselraten. Spekulationen verbieten sich an dieser Stelle und zu dieser Zeit.

Der Leistungsdruck ist in den vergangenen Jahren in allen Disziplinen nochmals gestiegen. Mit dem Briten Adam Peaty und dem Amerikaner Caeleb Dressel nahmen zwei Olympiasieger von Tokio in den vergangenen Jahren Auszeiten, weil sie sich ihren eigenen Ansprüchen und Erwartungen nicht mehr gewachsen fühlten.

Marchand und Ledecky überstrahlen alle

Geschichte haben in Paris andere geschrieben: Léon Marchand und Katie Ledecky. Die Amerikanerin gewann erneut vier Medaillen und ist mit jetzt insgesamt neun Olympiasiegen die erfolgreichste Schwimmerin aller Zeiten. Als erste Frau der Welt gewann sie mit den 800 m Freistil viermal in Folge das gleiche Rennen. Das hatte zuvor nur Michael Phelps geschafft.

Das Gesicht der Wettbewerbe in der La Defense Arena aber war Léon Marchand. Der 22-jährige Franzose verzauberte ein ganzes Land und ließ den Schwarzmarkt für Schwimmtickets förmlich explodieren. Das Talent hat er von seinen Eltern geerbt, die beide Olympia-Teilnehmer im Schwimmen waren. Die Klasse hat er sich bei Bob Bowman erarbeitet, der Michael Phelps zum erfolgreichsten Athleten der Olympischen Spiele formte.

Ein (offenes) Geheimnis seines Erfolgs: Arbeite täglich härter als alle anderen. Das beherzigt auch Katie Ledecky, die jeden Tag in einer Männergruppe trainiert. Genauso, wie Isabel Gose in Magdeburg. Der Erfolg gibt ihnen Recht.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 04.08.2024 | 08:45 Uhr