Schwimmen bei Olympia 2024 Lukas Märtens - Gold-Krönung mit Tränen
In einem furiosen Finale holt sich Lukas Märtens als erster deutscher Beckenschwimmer seit 1988 Olympia-Gold. Es ist der Erfolg einer stetigen Entwicklung - und wohl der Startschuss für weitere Höchstleistungen.
Er wischte sich einmal mit der Hand durchs Gesicht, atmete heftig durch, als die deutsche Nationalhymne aus den Lautsprechern der Pariser Arena von La Défense ertönte. Und ja, natürlich hatte er Tränen in den Augen, als er anschließend seine Hand auf die Brust legte. Wie sollte es auch anders sein.
An diesem Samstagabend (27.07.2024) fügten sich schließlich alle diese kleinen Pinselstriche, die in so einer Schwimmer-Karriere über die Jahre zusammenkommen, zu einem Gesamtkunstwerk zusammen: Olympia-Gold für Lukas Märtens über 400 Meter Freistil in Paris.
Erster Schwimm-Olympiasieger im Becken seit 1988
"Das klingt gar nicht so schlecht", sagte er mit einem Lachen im Sportschau-Interview. "Ich glaube, ich habe mich jetzt über die letzten Jahre so krass entwickelt - nicht nur von der Persönlichkeit, auch von der Leistung und Konstanz. Die letzten Jahre liefen schon phänomenal, jetzt die Krönung. Es hat einfach alles gekribbelt. Es ist einfach wunderschön."
Märtens lächelte durchweg, all das Glück, all die Freude dieses Moments nach all den Jahren der Schinderei waren ihm anzusehen. Er ist der erste deutsche Schwimm-Olympiasieger im Becken seit Olympia 1988, seit Uwe Daßler und Michael Groß, bei den Frauen gelang zuletzt Britta Steffen 2008 Gold. Was für ein Erfolg! Was für ein Meilenstein in der Karriere des immer noch 22 Jahre jungen Schwimmers aus Magdeburg.
Erster Tag, erstes Olympia-Gold: Deutsches Team kann durchatmen
Auch für das deutsche Olympia-Team in Paris ist dieser erste Olympiasieg am ersten Wettkampftag ja schon die erwünschte Nachricht. Statt dass die Öffentlichkeit nun in die Verlegenheit gerät, die Tage bis zur ersten Goldmedaille zu zählen, sticht gleich der erste Trumpf des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Mit einer Wucht, die sich Märtens selbst erhofft hatte, die man aber so nicht erwarten konnte.
Von Beginn an bestimmte er das Rennen über die 400 Meter Freistil, hatte schon nach der ersten Wende eine Armlänge Abstand zum Rest, erster Jubel brandete in der Halle auf. 100 Meter vor dem Ende war er gar mehr als eine Sekunde vor dem Weltrekord seines Idols Paul Biedermann (3:40,07 Minuten, damals noch im Hightech-Anzug), die Menge auf den Tribünen stand auf, begann zu toben. 50 Meter später lag Märtens immer noch 77 Hundertstelsekunden davor. Die Zuschauer jubelten ihm immer lauter zu, als wollten sie ihn jetzt zur Bestmarke ziehen.
Hinter der Tribüne muss sich Märtens übergeben
"Am Ende stand ich", sagte Märtens selbst über die letzten Meter. In 3:41,78 Minuten verpasste er den Rekord zwar um mehr als eine Sekunde, aber darauf kommt es im Kampf um Edelmetall ja letztlich auch nicht an. "Ich bin das Rennen mutig geschwommen. Ich habe nicht überpaced, aber ich musste das Rennen von vorne gehen, weil ich weiß, die Konkurrenz ist zum Ende hin stark."
Im Ziel angekommen zuckte er mit den Schultern, patschte sich mehrmals mit beiden Händen auf den Kopf, ehe er sie wuchtig ins Wasser sinken ließ. "Für den Sport muss man so viel opfern. Das ist der verdiente Lohn", sagte Märtens. Und das nach Infekten und Trainingspausen in der Vorbereitung. Er hatte sich an diesem Abend so sehr verausgabt, dass er sich nach dem Rennen hinter der Tribüne übergeben musste.
Erst EM- und WM-Medaillen, nun Olympia-Gold
Diese Gala-Vorstellung hat sich über die Jahre angedeutet, sie ist der zwischenzeitliche Höhepunkt eines langen Plans. Denn der 22-Jährige Märtens nimmt schon an seinen zweiten Olympischen Spielen teil. Nachdem er in Tokio 2021 noch in den Vorläufen ausschied, hat er sich seither stetig verbessert. Nach und nach ist er der Weltspitze näher gerückt, bis er selbst an sie schwomm.
2022 holte er WM-Silber und den EM-Titel auf dieser Strecke, 2023 und 2024 zudem WM-Bronze - in dieser Saison hat er unabhängig von den Medaillen einen richtigen Satz nach vorne gemacht, schnappte sich schon den Deutschen Meistertitel in einer Fabelzeit von 3:40,33 Minuten. Der Fokus galt dabei immer diesen Olympischen Sommerspielen in Paris. Die nun nur der Startschuss für weitere Höchstleistungen sein dürften.
Lukas Märtens (l) aus Deutschland jubelt nach dem Gewinn der Goldmedaille mit Schwimm-Bundestrainer Bernd Berkhahn
Ex-Partnerin Gose schwimmt im Sog von Märtens auf Rang fünf
Gefördert hat Märtens dabei auch die Magdeburger Trainingsgruppe unter dem Schwimm-Bundestrainer Bernd Berkhahn. Unter anderem mit dabei: die anderen Weltklasse-Freistilschwimmer Florian Wellbrock und Isabel Gose.
Gose wurde am Samstag im Sog ihres früheren Lebensgefährtens Märtens über 400 Meter Freistil Fünfte, mit deutschem Rekord wohlgemerkt (4:02,14 Minuten). Auch da brandete noch einmal Jubel auf bei den deutschen Fans. Sie hat auf den längeren Strecken in den nächsten Tagen noch größere Chancen auf eine Medaille.
Gose: "Er hat es sich so verdient. Wir sind alle einfach nur unendlich stolz"
Auch Gose hatte Tränen in den Augen, wie so viele in der deutschen Schwimmer-Delegation nach der Siegerehrung von Märtens. "Er hat es sich so verdient, da übermannen einen die Emotionen. Wir sind alle einfach nur unendlich stolz", sagte Gose der Sportschau.
Dabei waren die 200 und 400 Meter Freistil "eigentlich immer meine Hassstrecken", sagte Märtens noch vor wenigen Tagen zu "Swimsportnews". Doch vom Training unter Berkhahn hat Märtens profitiert - vor allem in puncto Ausdauer, einer großen Stärke des Langstreckenschwimmers Wellbrock. Der sagt über seinen Kollegen: "Es ist schön mitzuerleben, wie da neben einem so ein Topstar heranwächst."
Einer, der nun wie Wellbrock Olympiasieger ist. Und einer, für den der Weltrekord immer machbarer erscheint. Auch Biedermann würde sich "freuen, wenn Lukas den Rekord unterbieten könnte", sagte er zuletzt. Märtens kommt immer näher, das hat er wie die frenetischen Zuschauer in der Arena von La Défense registriert.