Basketball bei Olympia Hexenkessel von Bercy zieht DBB-Team den Stecker
Der Traum vom Olympia-Gold ist geplatzt: Deutschlands Basketballer scheitern im Halbfinale an Gastgeber Frankreich. Wohl auch, weil der einen "sechsten Mann" dazubekommen hat.
Das war mal ein heftiger Empfang. Ein Großteil der 15.000 Zuschauer buhte und pfiff, als Dennis Schröder, Deutschlands Kapitän, aufs Feld gerufen wurde. Eigentlich hörte man in der Halle von Paris-Bercy nur den Ausruf "numéro 17", das "Dennis Schröder" des Arenasprechers war gar nicht mehr richtig zu vernehmen, und das war nur der Höhepunkt einer Minute des Gebuhes und Gepfeifes. Die einlaufenden Franzosen wiederum wurden danach frenetisch bejubelt.
Der Ton war also gesetzt in diesem Olympia-Halbfinale am Donnerstag (08.08.2024), und eine Überraschung war das natürlich nicht. Deutschlands Basketballer wussten eigentlich, auf was sie sich einstellen mussten. Sie kannten dieses lärmende Heimpublikum ja schon aus der Halle in Lille, erst vor sechs Tagen hatten sich die beiden Teams schon in der Gruppenphase getroffen. Die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) brachte die Halle schnell zum Schweigen, siegte klar, 85:71. Doch diesmal war alles anders.
Frankreich nahm Revanche, setzte sich daheim in der Hauptstadt durch, 73:69 (33:33) gewannen die Gastgeber und zogen ins Endspiel um Gold am Samstagabend ein. Es war die erste Niederlage für Schröders Team nach 13 Siegen bei Großevents - ein Serienstopp zum ungünstigsten Zeitpunkt.
"Unser Ziel war Gold" - nun kann es noch Bronze werden
Deutschlands Bundestrainer Gordon Herbert schmiedete einen Dreijahresplan mit dem Nationalteam, dahinter sollten auch die NBA-Stars stehen, und einige davon meldeten sich auch brav zum Dienst. Mittlerweile sind die Deutschen hoch dekoriert mit EM-Bronze 2022 und WM-Gold 2023 - bei Olympia sollte der nächste große Wurf gelingen. "Unser Ziel war Gold", sagte der niedergeschlagene Center Johannes Voigtmann. Nun muss sich der Weltmeister mit dem Bronzespiel am Samstagmittag arrangieren. Dann wird es gegen Serbien mit dem Ex-Alba- und FC-Bayern-Trainer Svetislav Pesic gehen. Eine harte Nuss, gaben die Serben den Finaleinzug gegen die großen Favoriten aus den USA erst in den Schlussminuten aus der Hand.
Die DBB-Auswahl verpasste das Finale auch, weil dieser Hexenkessel von Bercy den Deutschen zu schaffen machte. Schon weit vor dem Anwurf heizten französische Fans mit Trommeln und Megaphonen die Stimmung an, "Allez les Bleus" schallte den ganzen Abend über durch die Halle: "Es war wirklich laut", fand Franz Wagner. "Die Zuschauer waren der sechste Mann für sie", sagte der Nationaltrainer Herbert, "sie haben ihnen viel Energie gegeben - und auch das Momentum zu bestimmten Zeiten. Das Publikum war hervorragend."
Nur halt in dem Fall nicht für und zu seiner Mannschaft, die fast schon etwas verunsichert wirkte ob der Jubelstürme nach französischen Körben, Rebounds und Rettungsaktionen in der Verteidigung.
Frankreich lässt Deutschland nur wenig Raum
"Mit uns macht das nicht unbedingt was", sagte Voigtmann. "Aber mit den Franzosen macht das was. Es gibt ihnen Selbstvertrauen. In Lille haben wir das relativ schnell geklärt, dass die Halle auch gegen das eigene Team war." Frankreich präsentierte sich komplett anders als vor sechs Tagen, vor allem defensiv deutlich stärker.
In Lille spielten die deutschen Basketballer eine furiose erste Halbzeit, die Bälle von Franz Wagner und Dennis Schröder flogen nur so in den Korb der Franzosen. Diesmal war da nicht viel mit brillieren, im zweiten Viertel schaffte das DBB-Team gerade einmal acht Zähler: Zu wenig Raum bekamen Deutschlands eigentlich so abschlussstarke Werfer, zu stark verteidigten die Franzosen mit ihrer Fan-Meute Rücken. "Es war sehr, sehr voll alles. Es war nicht einfach heute für uns", sagte Andreas Obst. Seine karge Ausbeute: zwei Dreier und ein Zwei-Punkt-Wurf. An anderen Tagen lässt er, wie es die Basketballer sagen, die Dreier nur so regnen.
Auf starken DBB-Start folgt der Einbruch
Dabei legte die DBB-Auswahl eigentlich souverän los. 12:2 stand es schnell, Schröder, am Ende mit 18 Zählern bester deutscher Werfer, hatte schnell sieben Punkte auf dem Konto. Doch dieses Mal stemmten sich die Franzosen der drohenden Niederlage entgegen, zwangen die Deutschen zu Fehlern. Und die zockten nun viel zu überhastet, nahmen sich zu schnell zu schwierige Würfe. Oder dribbelten wie Schröder offensichtlich ziellos durch die gegnerische Hälfte - ehe auch hier oft ein Ballverlust folgte.
33:33 stand es zur Halbzeitpause. Und je mehr die Olympia-Gastgeber die deutschen Angriffe verteidigt bekamen, desto enthusiastischer wurde das Publikum, das von Herbert angesprochene Momentum also. "Wir haben ein paar Bälle weggeschmissen und dann sind sie ein bisschen ins Laufen gekommen, einfache Punkte. Und die nehmen halt dann auch so die Zuschauer mit", analysierte Voigtmann klar. "Das hat dann auch noch eine Rolle gespielt, dass die so richtig heiß werden."
Wagner-Punkte fehlen diesmal: "Kein Videospiel"
Wie aufgedreht wirkten die 15.000 Menschen zu Beginn des dritten Viertels dann. Anders als die Wagner-Brüder Moritz und Franz, deren Punkte dem DBB-Team dieses Mal am meisten fehlten. Franz machte in der zweiten Hälfte lediglich drei, Moritz zwei Punkte. Auch, weil sie sich immer mehr Ballverluste direkt unter dem Korb leisteten. "Wir haben wirklich nicht unser bestes Spiel gespielt. Und sie haben einiges verändert", sagte Franz Wagner. "Es ist kein Videospiel, ne. Man spielt nicht immer perfekt. Wir sind auch alles Menschen."
Das Gebuhe und das Gejubel wurden lauter, nun war Bercy zur dampfenden Arena mutiert, aufgeheizte Stimmung in der eigentlich so heruntergekühlten Halle. Trotzdem kamen die Deutschen im letzten Viertel noch einmal heran, aber eben nicht näher als auf zwei Punkte. So blieb am Ende ganz viel Ernüchterung, mit hängenden Köpfen und reichlich bedröppelt standen Schröder und die Wagners auf dem Parkett.
Voller Fokus auf Bronze: Nur dann wird's "ein spezielles Spiel" für Coach Herbert
Trotzdem blicken sie weiterhin auf ein starkes Turnier zurück. "Dass eine deutsche Mannschaft EM-Dritter wird, Weltmeister, und dann bei Olympischen Spielen das Halbfinale erreicht – das hätte ich nie gedacht, dass das möglich ist", sagte etwa Dirk Nowitzki, der wieder einmal von der ersten Reihe aus zuschaute. Dieses Mal war auch der Ex-NBA-Star Carmelo Anthony dabei. Bei ihrer siebten Teilnahme spielen Nowitzkis Nachfolger erstmals um die Medaillen, es ist so oder so das bislang stärkste Olympia-Turnier.
Kapitän Schröder richtete den Blick deshalb schon auf die Partie am Samstag gegen Serbien. "Du kannst nicht alle Spiele gewinnen, man muss den Kopf hochhalten, vor allem weil wir noch eine Chance haben Bronze zu gewinnen." Dann endet auch der DBB-Dreijahresplan offiziell, und Herbert verabschiedet sich vom Nationaltrainerposten zum FC Bayern Basketball. Das Ziel bleibt klar für den Medaillen-dekorierten Coach: "Mit der Bronzemedaille würde es ein besonderes Spiel für mich werden", sagte er zu seinem letzten Auftritt. Sonst nicht.