Grand-Prix-Spektakel in Miami Wenn die Formel 1 zur Showkulisse wird
Die Formel 1 präsentiert sich beim Großen Preis von Miami vor allem als Spektakel. Aus dem Lager der Fahrer gab es auch Kritik, doch die USA bleiben der Markt der Zukunft.
Die internationale Motorsport-Presse hatte am Montagmorgen (08.05.2023) nach dem Grand Prix von Miami ein großes Thema: die Dominanz von Max Verstappen. Der Weltmeister hatte in Florida den nächsten imponierenden Erfolg herausgefahren. Von Startplatz Nummer neun hatte Verstappen das Feld wirklich von hinten aufgerollt und dabei der Konkurrenz inklusive seines Stallrivalen bei Red Bull, Sergio Perez, die nächste demütigende Niederlage beigebracht.
"Verstappen verschlingt die Rivalen wie Bonbons", schrieb die italienische "Corriere dello Sport". "La Repubblica" gab sich etwas seriöser, inhaltlich aber auf einer Linie : "Die Formel 1 ist jetzt eine Formel Red Bull. Verstappen kennt keine Rivalen."
"Sun": "Langeweile in Miami bei der nächsten Red-Bull-Prozession"
"Can't stapp him", dichtete die wortspielverliebte "Sun" und lieferte auch eine passende Zusammenfassung des gesamten Rennwochenendes: "Das starbesetzte Publikum in Miami langweilt sich bei der nächsten Red-Bull-Prozession."
Vin Diesel, Roger Federer, LL Cool J - großes Star-Aufgebot in Miami
Die sportlichen Aspekte des Rennens konnten in der Berichterstattung in der Tat leicht aus dem Fokus geraten, angesichts des Star-Auflaufs an der Rennstrecke. Aus der Hollywood-Fraktion gaben sich Vin Diesel und Tom Cruise die Ehre, Cruise hatte dafür Berichten zufolge sogar die Reise zur Krönung von König Charles sausen lassen. Roger Federer und die Williams-Schwestern kamen aus der Superstar-Garde des Sports. Auch sonst war die Pop- und Showwelt in Miami gut vertreten, quer durch alle Zielgruppen und Generationen: mit Shakira, Ludacris, The Jonas Brothers und den Reggaeton-Stars Wisin y Yandel.
Dazu präsentierte will.i.am die neue Formel-1-Hymne mit eigenem Orchester. Hip-Hop-Legende LL Cool J stellte in einer Extra-Zeremonie die Piloten einzeln vor.
Kritik der Fahrer: "Eine halbe Stunde in der knalligen Sonne"
Vor allem dieser Teil der Show stieß bei einigen der Fahrer im Anschluss auf Kritik. "Wir stehen da eine halbe Stunde in der knalligen Sonne", meckerte Mercedes-Pilot George Russell. "Ich bin offen für Neues, aber das brauche ich nicht."
Sergio Perez und Fernando Alonso bemängelten fehlenden Respekt vor den Fahrern. "Wir müssen uns auf das Rennen vorbereiten, das war ja wenige Minuten vor dem Start." Die groß inszenierte Vorstellung habe die Vorbereitung und die letzte Abstimmung mit den Ingenieuren gestört, sagte Alonso. McLaren-Pilot Lando Norris gab ein allgemeines Stimmungsbild ab: "Keiner der Fahrer mag es."
Auch der Sieger Verstappen zeigte wenig Verständnis: "Ich hoffe, sie machen das jetzt nicht bei jedem Rennen. Manche Leute stehen gern im Rampenlicht. Ich persönlich tue es nicht gern. Für mich war das nicht nötig", sagte Verstappen - was ihn allerdings nicht davon abhielt, für einen gemeinsamen Fototermin mit Dolphins-Quarterback Tua Tagovailoa zu posieren, Verstappen hielt dabei sein Football-Trikot mit der Nummer 1 in die Kamera.
Drei Rennen in den USA - auch dank Netflix-Boom
Lewis Hamilton zeigte sich als einer der wenigen angetan von der bunten Sause in Miami. "Es ist großartig zu sehen, wie der Sport wächst und sich wandelt." Die USA, die lange als Problempflaster galten, sind für die Formel 1 der wichtigste Markt der Zukunft. In diesem Jahr finden gleich drei Rennen in den USA statt.
Befeuert wurde der Boom auch von der Netflix-Serie "Drive to survive", die vor allem in den USA extrem erfolgreich läuft. Bei dem Spektakel in Miami dürfte manch einen Fahrer das Gefühl beschlichen haben, dass es bei der US-Expansion der Formel 1 weniger um ihren Sport gehen könnte. Sondern dass sie eher wie Schauspieler in einer gigantischen Marketing-Show agieren.
Die Grenzen zwischen Film und Wirklichkeit scheinen längst fließend zu sein, gerade in der Glitzermetropole Miami, die schon immer eine schöne Serienkulisse abgegeben hat. In einer Szene der Netflix-Serie zum Beispiel sitzt Valtteri Bottas mit seiner Freundin, der Radsportlerin Tiffany Cromwell, beim Frühstück in einem schicken Hotel in Miami. Glaubt man den Netflix-Showrunnern, hatten sie dem Paar kein Skript vorgegeben, sondern ließen einfach die Kamera mitlaufen, während die zwei über den Kaffee und das bevorstehende Rennen plauderten.
Kulissenzauber in Miami - Vertrag mit Formel 1 läuft zehn Jahre
Zum typisch amerikanischen Kulissenzauber passt auch die Grand-Prix-Strecke, die rund um das NFL-Stadion in Miami errichtet wurde. Das Areal sieht weniger aus wie eine Rennstrecke, dafür eher wie ein Themen-Park. Die Zeitung "USA Today" listete auf, was die Organisatoren alles an neuen Attraktionen aufgeboten haben, im Vergleich zum Vorjahr: insgesamt elf Fußgängerbrücken über die Strecke, mit breiteren Aussichtsplattformen. Zwei Swimming Pools in der nahe gelegenen Marina. Und vor allem einen noch größeren Hospitality-Bereich, für Businessgäste und die zahlreichen VIPs.
Der "ökonomische Effekt für die Region Süd-Florida", eine der von Sportvermarktern gerne herumgereichten, aber auch schwer nachprüfbaren Erfolgszahlen, wurde bei der Premiere im Vorjahr auf rund 350 Millionen Dollar beziffert. Der Vertrag der Rennveranstalter mit der Formel 1 ist auf zehn Jahre angelegt. "Es geht darum, die Marke Miami in der Formel-1-Kultur zu präsentieren", sagte Miamis Renn-Organisator Tyler Epp gegenüber "USA Today".
Europa fremdelt mit "amerikanischem Formel-1-Erlebnis"
In Europa, der traditionellen Heimat der Formel 1, muss man sich daran noch gewöhnen, aber der "Daily Telegraph" zeigte schon einmal, wo es in Zukunft langgeht. "Das amerikanische Formel-1-Erlebnis in seiner ganzen 'Pracht', wie es sich in Miami gezeigt hat, wird bleiben. Ob es den Puristen gefällt oder nicht", kommentierte die konservative britische Zeitung. Dies klang ein bisschen wie ein pikierter Landlord, wenn der reiche Cousin aus Amerika zu Besuch kommt, in Hawaiihemd und Shorts, und das Gartenfest sprengt.