Busemanns WM-Kolumne Carey McLeod oder Clark Kent? Das gibt's doch gar nicht
Golfwagen-Unfälle mit Lyles mittendrin, Parsons' Drama und Carey McLeod macht den Clark Kent: ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann zu einem verrückten sechsten WM-Tag in Budapest.
Das gibt's doch gar nicht. Dachte man, als die Bilder zweier verunfallender Golfwagen im TV eingespielt wurden. Die Athleten werden vom Einlaufplatz mit kleinen Transportwägelchen mit sechs bis acht Sitzplätzen ins Stadion gefahren, damit der Weg anstrengungsfrei überwunden werden kann. Doch plötzlich bog ein Wagen im steilen Winkel in die Kurve und krachte mit voller Breitseite in einen anderen. Der Blick ins Innere zeigte, dass die Insassen des einen Wagens fast der komplette erste Zwischenlauf über 200 Meter waren.
Der einzig deutsche Starter am gestrigen Tag war der 5.000-Meter-Läufer Sam Parsons, der sich trotz widrigster Vorbereitung in guter Form wähnte und zur Mitte des Rennens noch alle Möglichkeiten hatte. Wie aus heiterem Himmel stürzte er und auch in der zehnten Zeitlupe war kaum ersichtlich, was ihn da traf, ob ihn jemand im Feld von hinten streifte oder er dem Vordermann versehentlich unter den Fuß trat.
Der Schweizer Simon Ehammer zeigte schon im vergangenen Jahr, dass er als Zehnkämpfer die Weitsprungspezialisten herausfordern kann und gewann die Bronzemedaille. Hier sprang er im zweiten Versuch verdammt weit, aber die elektronische Absprungüberwachung zeigte an, dass dieser Sprung ungültig sei. Es ist ein Krux mit der neuen Technik. Auch hier ist es vermeintlich Auslegungssache, da geschaut werden muss, wann die Fußspitze gemessen wird. Beim Aufsetzen, beim Abdrücken oder beim Abrollen kurz vor dem Abheben? Ungültig.
McLeod alias Clark Kent
Und dann war da noch der Jamaikaner Carey McLeod, der mit der Ferse auf dem Brett ausrutschte, wie der junge Clark Kent durch die Lüfte segelte und sich dabei verletzte. Warum ist das Brett so glatt? Warum haben Weitsprungspikes hinten keinen Grip?
Seit 1992 habe ich nun insgesamt 36 internationale Meisterschaften vor Ort erlebt. Ich habe schon viele Medaillen bewundert, Leistungen beobachtet und Dinge gesehen, die nicht passieren können. Hinter allem stecken individuelle Geschichten und Schicksale, die das Leben so mit sich bringt. Die vier eben genannten Protagonisten habe alle gemein, dass sie an besagtem Tag x nicht ihre Leistung zeigen konnten, die in ihnen steckt. Ob selbst-, fremd- oder unverschuldet, sie konnten es nicht zeigen.
McLeod ist zwar Vierter geworden, aber er war richtig gut unterwegs. Er hätte sogar Dritter werden können. Konjunktiv. Ehammer hätte das auch drauf gehabt. Hätte. Konjunktiv. Jetzt ist er Neunter. Parsons hätte in den Endlauf einziehen können. Hätte. Auch Konjunktiv. Nur im ersten Fall, wurde aus dem Konjunktiv ein Fakt geschaffen.
Hudson im Finale - Was sagen die anderen dazu?
Der Jamaikaner Andrew Hudson bekam bei dem Unfall im Golfwagen Glas ins Auge und konnte nicht mehr so gut sehen. Mit 20,38 Sekunden war er sportlich nicht qualifiziert, wird aber für das Finale auf die eine freie Bahn gesetzt, die für solche und ähnliche Fälle vorhanden ist.
Sportlich und menschlich nachvollziehbar, aber was sagen die anderen dazu? Die, die sich nicht für das Finale qualifiziert haben und auch in dem Unfallwagen saßen. Es ist schwierig. Es ist wichtig. Sportler haben nicht viele Chancen. Eigentlich nur einmal im Jahr. Beim Saisonhöhepunkt. Wenn sie da nicht liefern, war die ganz Arbeit gefühlt umsonst. Meist kann man sagen, selbst schuld. Trotzdem gibt es Dinge, die hat man nicht selbst in der Hand.
Regeln! Manchmal ausgelegt, aufgeweicht oder eingehalten
Ich hätte mir so gewünscht, dass ein jeder zeigen kann, was er kann. Das können die wenigsten. Es muss eben immer sehr viel zusammenpassen. Und es gibt Regeln, die manchmal ausgelegt, auch aufgeweicht oder eingehalten werden. Deshalb wollte man Hudson dieser Chance nicht berauben. So viele Chancen hat man als Sportler nicht. Und er war nur zum falschen Moment am falschen Ort. Drücken wir ihm die Daumen, dass er diese Chance nutzt.