Busemanns WM-Kolumne Leo Neugebauer - Diplom bestanden, mit ganz viel Liebe und guter Laune
Er hatte gute Laune, er machte gute Laune, er war gute Laune: Leo Neugebauer hat mit einem Comeback der Extraklasse und wahnsinnigen 8.645 Punkten Platz fünf im WM-Zehnkampf belegt. Für ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann hat er sein Diplom bestanden. Auf geht's zu noch größeren Aufgaben!
Mittlerweile weiß ich, warum man die Zehnkämpfer Könige der Athleten nennt. Es ist eine Tortur, daher ist es Pflicht und Tradition die zweitägige Vielseitigkeitsprüfung entsprechend zu würdigen und kurz Revue passieren zu lassen. Die Fülle der Disziplinen und Menge der Athleten verbietet es eigentlich unter Romanlänge, aber in Zeiten von Social Media lernt man sich kurz zu halten.
Nun also der WM-Zehnkampf in Budapest. Zwölf Athleten in der Meldeliste warteten mit Bestleistungen jenseits von 8.500 Punkten auf. Über allem thronte der neue Deutsche Rekordhalter Leo Neugebauer. Mit dabei der deutsche Europameister und Weltmeister von 2019, Niklas Kaul. Erfreulicherweise komplettierte das deutsche Trio Manuel Eitel. Eine erfreuliche Quote von 12,5 Prozent des gesamten Starterfeldes mit dem Bundesadler auf dem Trikot.
Die Ausgangslage war so spannend wie hoffnungsvoll. Eine Medaille im Bereich des Möglichen, Deutschland lechzte förmlich danach. Und Neugebauer legte los, wie ein… wie ein Zehnkämpfer. Gäbe man bei Chat-GPT ein: "Wie sieht ein Zehnkämpfer aus?" Dann würde als Ergebnis ein Bild von Leo ausgeworfen und geschrieben ständ dort: "So! Und nicht anders."
Im Weitsprung haute er im ersten Versuch 7,83 Meter raus und die ganze Welt schrie: "Aufhören! Reicht! Kräfte sparen!" Doch weit gefehlt. Er wollte mehr, er bekam mehr und wurde für seinen Mut belohnt. 8,00 Meter hört sich auch definitiv besser an, als 7,83 Meter. Es ist übrigens auch besser. Für die Ergebnisliste der Spezialisten, für die Punkte und fürs Ego. So stieß er auch die Kugel. 17,04 Meter. Ein Riese. Wer sollte ihn stoppen?
Aber ein jeder weiß, dass die Psyche eine nicht unerhebliche Rolle in diesen zwei Tagen spielt. Deshalb sagt man, dass Athleten ab 25 die Klasse und Reife haben, die Höhen und Tiefen des Zehnkampfes zu bestehen. Aber bei dieser Vorstellung dieser Leichtigkeit konnte eigentlich nichts und niemand dazwischenfunken. Eigentlich.
Die Nacht macht die Zehn zum Kampf
Die Mittagspause war eine erste Gelegenheit über diesen Wahnsinn nachzudenken. Und das war nicht gut. Kaul sprang richtig gut hoch und beendete zu früh mit Schmerzen den gesamten Zehnkampf. Sch… Aber auch das ist Zehnkampf. Survival of the fittest. Wer durchkommt hat schon irgendwie gewonnen. Bei Leo liefen Hochsprung und 400 Meter normal. Was ein Glück, dachte man, er ist ein Mensch. Keine Maschine. Zwar eine lustige mit Emotionen, aber die ersten drei Disziplinen waren unmenschlich.
Trotzdem ging er als Erster in die Nacht und die macht die Zehn zum Kampf. Sozusagen die elfte Disziplin. Die Gedanken verselbständigen sich. "Ich kann gewinnen", "genau so weitermachen", "das hat Spaß gemacht", "ich bin so gespannt", alles nicht wild, aber es spukt im Kopf. Irgendwas, irgendwie, irgendwo.
Comeback der Extraklasse
Am nächsten Morgen tritt er in die Hürden und "versemmelt" den Diskus. Okay, 47 und ein paar zerquetschte sind für Otto-Normal-Zehnkämpfer eine Nummer, für das Chat-GPT-Ergebnis aber nur Mittelmaß. Jetzt war er mitten in der Diplomprüfung. Von gaaanz oben, nach fast gaaanz unten durchsegeln. Aber er fing sich. Sprang toll mit dem Stab, warf mit Bestleistung den Speer und rannte um sein Leben. Platz fünf im Gesamtklassement. Mit wahnsinnigen 8.645 Punkten. In einem der stärksten Wettkämpfe der Geschichte. Ein Comeback der Extraklasse. Aus eigener Kraft kämpfte er sich zurück und zeigte, dass mit ihm zukünftig zu rechnen ist. Genau solche Erlebnisse macht man nur im Zehnkampf, da hat man was fürs Leben.
Leo, das ist gute Laune
Und das teilte er mit ganz vielen anderen im Stadion. Er hatte gute Laune, er machte gute Laune, er war gute Laune. Das Publikum liebte ihn und umgekehrt. Das war seine Art, sich wohlzufühlen. Das Spiel mit der Emotion. Jubel schon vor der Latte, Feiern mit den Freunden, Selfies mit den Fans. Ein ganz nahbarer Sportler. Er bereichert die Szene und er hat sein Diplom bestanden. Auf geht's zu noch größeren Aufgaben.