Busemanns WM-Orakel Lauf: Ingebrigtsen nur mit verbotener Grätsche zu stoppen
Schaulaufen der afrikanischen Läuferschar und ein fast unbezwingbarer Norweger: ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann mit seinen Einschätzungen für die WM in Budapest.
800 m
In Kenia ist die Hölle los. Titelverteidiger Korir will in Budapest trotz verletzungsbedingter Probleme den Titel verteidigen und der Weltjahresschnellste Kinyamal war bei den Trials nur Vierter und die anderen laufen halt um die 1:44 und schneller. Das muss man auch, gepaart mit einem guten Spurt und dem Überblick in der Schlussphase. Vielleicht stößt Kanadas Marco Arop oder gar ein Brite in die Phalanx der Afrikaner.
WM- oder Urlaubs-Flieger für Überfliegerin Mu?
Läuft sie oder läuft sie nicht? Überfliegerin Athing Mu startete in diesem Jahr nur über die 1.500 m und entscheidet als Titelverteidigerin kurz vorher, ob sie in den Urlaubs- oder WM-Flieger steigt. Eigentlich unerklärlich, wenn nicht gesundheitliche oder andere Gründe vorliegen. Die Olympischen Spiele in Paris 2024 stehen zwar vor der Tür, aber der Weg ist noch ein weiter.
ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann.
Nutznießer dieser Planung kann die Olympia- und WM-Zweite Keely Hodgkinson sein, die den britischen Rekord in diesem Jahr auf 1:55,77 Minuten drückte und sich bei der U23-EM noch ein bisschen Schnelligkeit und die Bronzemedaille über 400 m holte.
Kolberg, Hering und die magische Zwei-Minuten-Marke
In der Leichtathletik geht es neben Platzierungen natürlich auch immer um Zahlen. Die magische Grenze von zwei Minuten wollen Majtie Kolberg wieder und Christina Hering zum ersten Mal in diesem Jahr unterbieten, wobei Meisterschaftsrennen von Taktik geprägt sind und selten für Bestleistungen taugen. Aber beide sollten ins Halbfinale einziehen können.
1.500 m
Ingebrigtsen nur mit verbotener Grätsche zu stoppen
Wird das der erste Streich von Norwegens Wunderläufer Jakob Ingebrigtsen? Wer soll ihn schlagen? Er ist nach seiner Historie und den Vorleistungen der Favorit, obwohl dass immer noch ein wenig unwirklich ist, wie er die Szene beherrscht. Unter 3:30 Minuten scheint er zu jeder Tageszeit laufen zu können, man fragt sich nur, wann der Weltrekord fällt. In Budapest wahrscheinlich nicht, da der Titel mehr zählt als der Rekord. Aber es wird schnell, notgedrungen. Vielleicht opfert sich ein Kenianer für die gemeinsame Sache. Aber was bringt's? Ingebrigtsen kann man vorne nicht müde machen und im Spurt nur schwer abkochen. Grätschen, festhalten und Beinchen stellen sind auch verboten. Also doch alle auf eigenen Deckel.
Amos Bartelsmeyer wird für Schwarz-Rot-Gold allein auf die drei-dreiviertel Runden gehen und versuchen den verletzten Robert Farken bestmöglich zu vertreten. Im Juni zauberte er eine 3:34 auf die Bahn und muss hellwach sein, damit er ins Halbfinale einzieht.
Weltrekordlerin Faith Kipyegon wird WM-Gold holen
Bei den Frauen führt kein Weg an Weltrekordlerin Faith Kipyegon vorbei. Das Ding ist ausgemachte Sache und die Weltelite würfelt Platz zwei und drei aus. Äthiopien oder vielleicht eine starke Laura Muir? Der Vorteil der Britin ist, dass sie Englisch kämpfen kann, das heißt, sie hört erst auf zu beißen, wenn sie im Ziel ist. Keinen Zentimeter vorher. Allerdings müsste sie dafür eine Läuferin des äthiopischen Trios verdrängen.
Katharina Trost musse leider kurzgristig wegen einer Erkrankung absagen.
5.000 m
Ingebrigtsen zum zweiten? Eher nicht
Ingebrigtsen zum zweiten? Das ist das erklärte Ziel. Wird aber nicht klappen. Sagen die anderen. Dafür ist die Gegnerschaft stark und vorbereitet und will und wird den Doppeltriumph verhindern. Die Weltbestleistung über zwei Meilen zeigt, dass er auf den etwas längeren Strecken auch top in Schuss ist, doch Äthiopien und Uganda sind in Spitze und Breite äußerst stark. In der Meldeliste liegen die ersten sechs Plätze aus diesen zwei Nationen nur zwei Sekunden auseinander. Und bei 12:42 Minuten ist der Norweger (noch?) nicht.
Wir freuen uns auf Sam Parsons, der das Laufen liebt und mit seinem ansteckenden Enthusiasmus bis zum Äußersten kämpft. In der deutschen Rangliste steht er zwar nur auf dem fünften Rang, hat sich aber einen Startplatz über die Weltrangliste ergattern können.
Kipyegon holt das Gold-Double
Bei den Frauen ist der Sieg wie im 1.500-m-Lauf scheinbar schon vergeben. Auch hier wird Faith Kipyegon das Double klarmachen, aber es wird etwas knapper, da Gidey und Tsegay etwas näher dran sind. Und nicht zu vergessen, Sifan Hassan, die wieder auf drei Strecken gemeldet ist und nach der Ausdehnung ihres Produktportfolios auf den Marathon auch bei den "kurzen" Strecken zu beachten ist. Allerdings wird auf den zwölfeinhalb Runden elfeinhalb Runden geschaut, wie man sich am besten in Position bringt. Nach ihrem verletzungsbedingten Aus kann Konstanze Klosterhalfen dabei leider nicht mitmischen.
10.000 m
Titelverteidiger Cheptegei schlägt gern eiskalt zu
Macht es Titelverteidiger Joshua Cheptegei wieder? Vor dem Saisonhöhepunkt ist er meist eher ein Mitläufer, um dann bei WM und Olympia eiskalt zuzuschlagen. Zwei olympische und drei WM-Medaillen sprechen dafür, dass er auch in Budapest wieder vorn mit dabei sein wird. Die 25 Runden werden auch wieder ein Kampf der Nationen, in dem Äthiopien und Kenia etwas vom Medaillenkuchen mitnehmen wollen. Die beiden US-Amerikaner Kincaid und Klecker liegen in der Meldeliste auf Platz drei und vier.
Das Fachpersonal dieser Strecke deckt erst beim Saisonhöhepunkt alle Asse auf.
Nils Voigt reist mit guten 27:30 Minuten nach Ungarn und muss ein gleichmäßiges Rennen abliefern. Achillessehnenbeschwerden verhinderten allerdings eine optimale Vorbereitung, dementsprechend fehlt ein wenig die Rennpraxis.
Schaulaufen der afrikanischen Läuferinnenschar
Nach dem schwachen Abschneiden bei den letztjährigen Weltmeisterschaften läuft Olympiasiegerin Sifan Hassan um Wiedergutmachung. Mit dem Marathontraining in den Knochen sollte sie ihr nicht ungewohntes Mammutprogramm schaffen. Es bleibt aber abzuwarten, auf welche Strecken sie letztlich den Fokus legt. In der Pole Position dieses Jahr liegt Gudaf Tsegay, die bei den äthiopischen Trials in Spanien ihr einziges Saisonrennen in 29:29 Minuten in die Bahn brannte. Darüber hinaus wird es wieder ein Schaulaufen der afrikanischen Läuferinnenschar.
Marathon
Zwei deutsche Marathonis dabei
Nach der kurzfristigen Absage von Tom Gröschel (Fersenprobleme) machen sich zwei deutsche Marathonis morgens um 7 Uhr am Abschlusstag auf die 42,195 Kilometer lange Strecke. Johannes Motschmann und Haftom Welday. Letzterer hat sich mit zwei tollen Zeiten unter 2:10 Stunden für Budapest empfohlen. Motschmann ist fleißiger Punktesammler in der Weltrangliste und wird mit einer WM-Teilnahme belohnt.
Kenias Wunderläufer Kipchoge wird im September in Berlin laufen und lässt seinen Landsleuten aus der zweiten Reihe den Vortritt - die laufen alle nur knapp unter 2:05 Stunden. Die schnellsten im Feld, Timothy Kiplagat und Tamirat Tola, wird man bei der Medaillenhatz vorn finden.
Mama Kejeta will Punkte für Paris sammeln
Bei den Damen wird Deutschlands Olympia-Sechste Melat Kejeta auf die Zeitenhatz gehen und nach der Geburt ihres Kindes versuchen, in Hinblick auf die Olympischen Spiele Rennpraxis, Zeiten und Punkte zu sammeln. Dementsprechend wird nach fast zweijähriger Babypause, später Qualifikation und Erwartung eines Hitzerennens in Budapest eher der Fokus in der erfolgreichen Anknüpfung an ihren Marathon im Mai liegen.
Vorn gehen die Medaillen wie so oft an die Läuferinnen aus Kenia mit Wanjiru oder Äthiopien mit Gemechu oder Shankule weg. Die beiden Erstgenannten sind in 2023 auch die bisher schnellsten Zeiten weltweit gelaufen. Oft liegt der Fokus auch auf den großen City-Marathons und somit könnten Plätze für andere Nationen frei werden.
3.000 m Hindernis
Der Weltbeste Lamecha Girma weiß, wie sich der zweite Platz anfühlt. Einige sagen, schön, er wird ihn nicht mehr zu 100 Prozent mögen und endlich einen Titel wollen. Allerdings ist er in diesem Jahr selten in Erscheinung getreten. Titelverteidiger El Bakkali hat immerhin schon drei Rennen in den Büchern und geht in einen engen Fight um die Goldmedaille an den Start.
Für Bebendorf geht es sofort um alles
Karl Bebendorf verbessert sich stetig und freut sich auf seine dritte WM-Teilnahme. Für ihn, wie so viele andere, geht es im Vorlauf am ersten Tag sofort um alles. Taktisch klug laufen, mit ein bisschen Glück unter die ersten Fünf kommen und dann gibt es das Finale als Zugabe. Unfassbar schwer. Wäre aber schön.
Krause in der Babypause - Meyer hat Rücken
Bei den Frauen vermissen wir natürlich die Hindernis-Legende Gesa Krause, die in der Babypause ist, aber von Lea Meyer schon in München hervorragend vertreten wurde. Leider musste auch Meyer wegen anhaltender Rückenbeschwerden ihren Start zurückziehen.
Olivia Gürth haute im Juli bei den U23-Europameisterschaften in Finnland richtig einen raus, wurde dort mit der Goldmedaille und hier mit dem Start bei der WM belohnt. Für sie geht es darum, im Getümmel und Nahkampf an Hindernis und Wassergraben die Oberhand zu behalten und Erfahrungen für das nächste Jahr zu sammeln.
Also bewundern wir die Laufstärke und Technikschwäche um Afrikas Wunderläuferinnen in Gestalt von Jackline Chepkoech oder Weltrekordlerin Beatrice Chepkoech.
Gehen
Linke haut nichts aus den Socken - Top sechs?
Das Gehen mausert sich bei den Männern zu einer äußerst erfolgreichen Disziplin. Nach Olympia-Silber von Jonathan Hilpert und EM-Silber von Christopher Linke im vergangenen Jahr hofft man schon fast, dass es wieder klappt, zumal Linke auch sonst immer dicht dran war. Linke geht die 20 Kilometer aus deutscher Sicht allein, muss technisch sauber sein und seinen Rhythmus finden. Bestens präpariert geht er an den Start, postete im Vorfeld sogar Hitzetraining. Ihn haut nichts aus den Socken. Ein Topmann für Top-Sechs-Platzierungen, das wäre einmal mehr tippitoppi. Favorisiert mit ein bisschen Puffer ist der Chinese Jun Zhang.
Über die lange Distanz wird er noch von den anderen beiden alten Hasen im deutschen Gehen, Carl Dohmann und Karl Junghannß, unterstützt. Bei Junghannß ging es in Erfurt im April wirklich gut und wenn er das Ergebnis (natürlich unter anderen Bedingungen) wiederholt, ist er ein Mann für eine Top-Zehn-Platzierung. Dohmann, der in diesem Jahr schon zweimal knapp über 2:31 Stunden ging, kann wieder wertvolle Punkte sammeln.
Auch hier liegt in der Meldeliste ein Chinese vorn, Xianhong He, gefolgt von dem leidensfähigen Japaner Tomohiro Noda. Aber auf 35 Kilometern in fast zweieinhalb Stunden kann einiges passieren …
Dauerbrennerin Feige eine für die Top Ten
Bei den Damen geht Dauerbrennerin Saskia Feige die 20 Kilometer. Im vergangenen Jahr wurde sie bei den Europameisterschaften für ihren unermüdlichen Einsatz mit der Bronzemedaille belohnt. Auch in Budapest könnte sie mit einer weiteren tollen Leistung in den Top Ten der Welt landen. Vorne weg wird die Spanierin Maria Perez gehen, die die Chinesinnen Yang und Ma sowie die Südamerikanerinnen fernhalten will.
Über die lange Distanz ist Bianca Maria Dittrich gemeldet, die in Budapest ihren fünften 35er des Jahres macht. Zweimal ist sie schon drei Stunden gegangen. Ungarn im August könnte mitunter heiß werden, aber vielleicht schafft sie wieder eine gute Zeit und hat irgendwann eine zwei vor dem Doppelpunkt. Auch hier sind die beiden schnellsten Perez und Garcia Leon.