Kristin Pudenz, Claudine Vita und Shanice Craft (v.l.)
analyse

Busemanns WM-Orakel Wurf: Im Diskus wird durchgedreht - auch vom DLV-Trio?

Stand: 17.08.2023 10:12 Uhr

Gelingt Kristin Pudenz, Shanice Craft oder Claudine Vita dieser eine Diskus-Wurf ins Glück? Speer-Ass Julian Weber macht Hoffnung auf eine deutsche Medaille. ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann mit seinen Einschätzungen für die WM in Budapest.

Kugel

Crouser hat genug Puffer, um alle Angriffe abzuwehren

Ryan Crouser ist bei den Männern seit einiger Zeit das Maß aller Dinge. Nicht nur, dass er den über dreißig Jahre alten Weltrekord (auch immer mal wieder) verbessert, er gewinnt scheinbar nach Belieben. Mittlerweile hat sich die Weltelite jenseits der 22 m eingeschossen. Aber Crouser hat genug Puffer, um alle Angriffe abzuwehren, zumal der härteste Widersacher Joe Kovacs nach Geburt seiner Zwillinge in dieser Saison nicht ganz so stark scheint. Druck von hinten erzeugt Neuseelands Rekordhalter Tom Walsh.

Frank Busemann

ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann.

Haut Gong wieder auf die Pauke?

Bei den Damen versucht Weltmeisterin Chase Ealey, ihren Titel zu verteidigen, was nicht leicht werden wird, da Olympiasiegerin Lijiao Gong genau pünktlich zu den Saisonhighlights immer noch ein bisschen mehr draufpackt als erwartet. Als Weltjahresbeste geht US-Meisterin Maggie Ewen an den Start. Diese drei machen auch die Medaillen unter sich aus.

Schön ist, dass ein deutsches Trio in Budapest zur Kugel greift. Deutschlands Jahresbeste Yemisi Ogunleye geht ins direkte Duell gegen Sara Gambetta. Wenn sie an die 19 m stoßen würden, wäre das zur richtigen Zeit viel wert. Ziel ist klar, das Finale zu erreichen. Dritte im Bunde ist Julia Ritter, die mit Ruhe und Gelassenheit an die 18 m stoßen kann.

Diskus

Ceh, Stahl oder Alekna junior - in Budapest wird durchgedreht

Fünf Werfer über 70 m in diesem Jahr - das ist verrückt. Die Weltjahresbestenliste wirkt wie die All-Time-Liste. Was alle Topwerte vereint, ist die Tatsache, dass sie relativ früh in der Saison geworfen wurden. Da groovt sich die Weltelite gern auf irgendwelchen Äckern mit guten Winden ein. Geht es dann ins Stadion zu den Meetings, wird das Unterfangen Ü70 schon schwieriger. Ceh, Stahl oder Alekna junior, wer macht es? In der Reihenfolge thronen sich noch vor allen anderen. Aber in Budapest wird durchgedreht.

Mit dabei ist auch der Routinier und Olympiadritte Daniel Jasinski. So langsam findet er zu alter Stärke zurück. Für ihn gilt es aber wie für Henrik Janssen und Steven Richter, die Qualifikation gut zu werfen und unter die besten Zwölf zu kommen. Das wird nicht leicht.

Allman holt ihren ersten WM-Titel - DLV-Trio macht Hoffnung

Bei den Damen gibt es seit einiger Zeit scheinbar nur Valarie Allman -  wenn da nicht auf einmal Athletinnen wie Titelverteidigerin Bin Feng oder Altmeisterin Sandra Perkovic den Schocker auspacken. Diese Überraschung von Eugene wird sich dieses Jahr nicht wiederholen. Sie ist für den Nervenkrieg gewappnet und wird ihren ersten WM-Titel holen.

Aber vor wem? Ist Kristin Pudenz wie in Tokio wieder zur Stelle. Shanice Craft? Claudine Vita? Alle drei deutschen Mädels sind gut in Form, aber die normalen Verdächtigen plus Perez und van Klinken wollen eine eigene Medaillenparty starten. Es kann klappen, muss aber nicht. Nur eins ist sicher. Wir brauchen diesen einen Wurf. Der eigentlich nicht sein kann. Der macht dann den Unterschied.

Speer

Weber mit berechtigter Medaillen-Hoffnung

Eine deutsche Domäne. Lange Zeit. Nur Julian Weber ist von den glorreichen Speerwerfern einsatzbereit. Der Europameister kann sich berechtigte Hoffnungen machen, eine deutsche Medaille zu gewinnen - Platz zwei in der Saisonbestenliste hinter Tschechiens Jakub Vadlejch, dem noch ein großer Titel fehlt.

Silber und Bronze kann er, jetzt will er Gold. Weber auch. Olympiasieger Chopra auch. Der hat aber erst zwei Wettkämpfe in diesem Jahr und die waren gut. In Lauerstellung liegen eine Handvoll Athleten auf ähnlichem Niveau, etwas über 85 m, die auch alle weiter werfen können. Aber auch müssten, wenn sie eine Medaille gewinnen wollen.

Barber zum dritten? Aber Little will auch mal

Bei den Frauen drängt sich einmal mehr kein Name auf. Wie schon im vergangenen Jahr, als Frau mit 63,27 m Bronze gewann. Über 65 m mussten es in der Vergangenheit sein. Doppelweltmeisterin Kelsey-Lee Barber war zwei Mal zur Stelle, als die goldene vergeben wurde. Sie könnte den Hattrick perfekt machen, wie es geht, weiß sie ja. Allerdings ist sie 2023 nicht so stark, als dass wir auf den Ausrutscher vertrauen können. Haruka Kitaguchi, WM-Dritte, verbessert sich zusehends und hat in Eugene erfolgreich ihre Gesellinnenprüfung abgelegt. Oder springt Australiens Mackenzie Little ein, deren Formkurve pünktlich zur WM "Ja, ich will auch mal" schreit.

Hammer

Nowicki und Fajdek hoffen auf den Ausreißer

In dieser Disziplin meldet Olympiasieger Wojciech Nowicki aus Polen Ansprüche auf seinen ersten WM-Titel an. Hatte er bis dato im globalen Kräftemessen immer das Nachsehen, führt der Titel nur über ihn. Fünffach-Sieger und Landsmann Pawel Fajdek konnte bei den polnischen Meisterschaften das erste Mal in dieser Saison wieder in Richtung 80 m werfen, aber das wird genau so wenig reichen, wie die konstant guten Wettkämpfe des Amerikaners Rudy Winkler. Es braucht halt diesen einen Ausreißer nach oben. Und Ausreißer landen im Hammerwerfen meist im Netz. Sonst hießen sie Hammer.

Die erst 21-jährigen Merlin Hummel und Sören Klose können ganz befreit aufdrehen und in Hinblick auf die Zukunft wertvolle Erfahrungen mitnehmen. Ein wichtiger Baustein in der Entwicklung von Athleten, damit irgendwann, zur richtigen Zeit, das Ding ganz weit fliegt.

Bei den Frauen kann es nur eine geben

Es kann nur eine geben: Brooke Andersen aus den USA. Die gewinnt fast immer. Ihre einzige Saisonniederlage kassierte sie gegen die Weltranglistenzweite Camryn Rogers. DeAnna Price könnte da auch noch mitreden. Die drei vereinnahmen die 15 besten Ergebnisse des Jahres. Dann kommt schon wieder eine US-Amerikanerin. Sehr regionallastig diese Disziplin.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 20.08.2023 | 07:00 Uhr