DHB-Team vor dem WM-Auftakt Zwischen Understatement und Angriffslust
Wenn man als Vize-Olympiasieger in die Handball-WM startet - muss man dann nicht auch eine Medaille als Ziel ausgeben? Das DHB-Team steckt im Zwiespalt, man will voll angreifen, sich vor dem Start am Mittwochabend gegen Polen (20.30 Uhr, live im Ersten und im Stream sowie im Liveticker bei sportschau.de) aber auch nicht mehr Druck als nötig auferlegen.
Druck kann lähmen, Druck kann beflügeln, Druck kann den Sprung auf ein höheres Level auslösen, aber auch exakt das Gegenteil bewirken. Das ist letztlich immer Typsache. Und je nach Charakter, je nach Alter, je nach Erfahrung oder auch einfach je nach Lust auf eine Portion Frechheit ist der Umgang mit der Erwartungshaltung im deutschen Team völlig unterschiedlich.
Keiner daddelt allein am Handy
Bei der Busreise zur Handball-WM nach Dänemark gingen die Spieler ganz individuell mit der Aufarbeitung der beiden durchaus schwierigen Testspiele gegen Brasilien um. Die einen machten ein Nickerchen, andere führten angeregte Gespräche, dann gab es eine Gruppe, die sich mit dem Kartenspiel "Witches" Ablenkung verschaffte.
Nationalmannschafts-Manager Benjamin Chatton ging mal durch die Reihen im Bus und zog anschließend ein sehr zufriedenes Fazit: "Niemand hat allein auf seinem Handy rumgedaddelt, das ist heute ja schon mal etwas Besonderes." Die Mannschaft sei wirklich eine Mannschaft und keinesfalls eine Ansammlung von Individualisten.
Im Sportschau-Podcast "Handball auf die 1" philosophierte Chatton auch über den Umgang mit Druck: "Der Erfolg von gestern ist die Erwartungshaltung von morgen und somit auch der Fluch von übermorgen", sagte Chatton mit den Gedanken an den grandiosen Olympia-Coup von Paris im Hinterkopf.
"Eine Medaille macht Hunger auf die nächste"
Dann fragte er seinen Podcast-Partner Dominik Klein, Weltmeister von 2007: "Du weißt ja, wie sich Medaillen anfühlen. So eine Silberne, was macht die denn mit dem Spieler? Ist die Druck, Motivation, alles zusammen?" ARD-Experte Klein überlegte kurz und antwortete: "Was die macht, ist Hunger. Jede Medaille, die du mit der Mannschaft gewinnst, macht Hunger auf mehr".
Bei der WM in Dänemark, Norwegen und Kroatien führt der Titel natürlich nur über einen der drei Gastegeber, nämlich Dänemark - da sind sich alle einig, auch Bundestrainer Alfred Gislason ganz offen: "Die Silbermedaille bei Olympia hat der Mannschaft mehr Selbstvertrauen gegeben. Wir wissen jetzt, wir können an einem guten Tag jeden Gegner schlagen - bis auf Dänemark vielleicht." Das Halbfinale sei aber "immer das Ziel."
Linksaußen Lukas Mertens träumt ganz offen vom Podium: "Es wäre schon etwas Schönes, Edelmetall in der Hand zu halten, aber dafür müssen wir einiges tun, das wissen wir."
Golla will den Fokus erst auf Polen richten
Das sieht auch Kapitän Johannes Golla so, doch ihm ist wichtig, den Fokus nicht zu weit nach vorn, sondern erstmal auf Auftaktgegner Polen zu richten: "Wir wissen, dass wir eine sehr konzentrierte Leistung brauchen, um mit einem Sieg ins Turnier zu starten. Das ist in gewisser Weise der Grundstein für ein gelungenes Turnier. Wenn wir gewinnen und eine gute Leistung zeigen, wäre das das Beste, was passieren kann."
Gislason nennt auch Glück als Faktor
Der Bundestrainer lässt seinen Schützlingen grundsätzlich freie Hand bei der Formulierung ihrer Ansprüche, zu sportschau.de sagt er zu dem Thema: "Vor Olympia hat bei uns niemand gesagt, dass wir ins Finale müssen, das hat dann aber geklappt.. Es gab da aber auch gefühlt 30 wichtige Situationen in den Spielen, von denen fast alle für uns ausgegangen sind, da ist natürlich auch Glück dabei. Meine Herangehensweise ist, dass wir gegen Polen schon das erste Endspiel haben, dann folgt das nächste und dann wieder das nächste. Wichtig ist mir, dass die Jungs den Weg genießen."
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