Abwehraktion der DHB-Auswahl im Spiel gegen Norwegen

Interview mit Sportschau-Experte Dominik Klein Schweden als Prüfstein - DHB-Abwehr muss stabiler werden

Stand: 27.04.2023 11:17 Uhr

Deutschlands Handball-Nationalmannschaft steht vor den nächsten beiden Härtetests in Schweden (Heute, 18.35 Uhr, Livestream auf sportschau.de) und gegen Spanien (Sonntag, 15.35 Uhr, live im Ersten und im Livestream). Im Vorfeld spricht Sportschau-Handballexperte Dominik Klein über Druck, die Neulinge und was die Abwesenheit von Pekeler und Wiede für Bundestrainer Alfred Gislason bedeutet.

Sportschau: Die Heim-EM im Januar 2024 ist das große Ziel am Horizont. Welche Bedeutung haben da die anstehenden Testspiele gegen Schweden und Spanien?

Dominik Klein: Alfred Gislason hat als Bundestrainer nicht viel Zeit, seine Mannschaft zu formen. In solchen Spielen gegen höherklassige Gegner hat er die Chance, die Formation zu sortieren.

Es gilt als hilfreich, sich in der Vorbereitung mit starken Gegnern messen zu können. Allerdings hat Deutschland bisher im Euro Cup alles verloren, zuletzt zweimal gegen Dänemark sogar deutlich. Inwiefern könnten zu viele Niederlagen kontraproduktiv sein für das Selbstvertrauen?

Klein: Klar, du willst als Sportler immer gewinnen und dir ein gutes Gefühl holen. Aber solche Spiele gegen gute Gegner helfen, sich einzuspielen und zu verbessern, gerade in der Abwehr, wo Deutschland noch nicht die nötige Stärke und Stabilität hat.

Auch das Angriffsspiel mit dem Denker und Lenker Juri Knorr muss sich noch verfeinern. Wenn man links und rechts neue Leute neben sich hat, braucht das auch Zeit. Deshalb ist das Ergebnis am Ende nicht immer das entscheidende. Wichtiger ist, dass sich Alfred eine Mannschaft basteln kann, die bei der EM performen kann.

Sportschau-Experte Dominik Klein

Sportschau-Experte Dominik Klein

Allerdings hat der DHB in Person von Sportvorstand Axel Kromer den Ergebnisdruck erhöht. Das Team solle gegen Schweden und Spanien lange mithalten und möglichst auch mal am Sieg kratzen. Helfen solche Aussagen in dieser Situation?

Klein: Wie viel Druck auf der Mannschaft lastet, liegt letztlich in den Händen von Alfred. Er hat die nötige Aura und die Akzeptanz bei den Spielern. Ich gehe davon aus, dass er mehr auf die Grundmechanismen achtet als auf das Ergebnis. Klar sind das alles Spitzensportler, die gewinnen wollen.

Aber ich kenne das selbst von früher als Spieler: Du bist in einer Bundesligasaison, die so hart, intensiv und eng ist wie noch nie. Man sieht ja auch, dass Spieler der Spitzenmannschaften teilweise verletzt und gar nicht erst angereist sind.

Einspielen für die EM als Hauptziel - ist es dann nicht kontraproduktiv, gleich fünf Neulinge für den Lehrgang und die beiden Testspiele einzuladen?

Klein: Man muss schauen, auf welchen Positionen noch einmal nachjustiert und ausprobiert wird. Im Rückraum rechts kommen in Max Beneke und Renars Uscins zwei ganz junge Linkshänder dazu, die eine Alternative sein können zu den erfahrenen Kai Häfner und Christoph Steinert.

Perspektivisch ist es eine Möglichkeit, vielleicht einen Newcomer zu entdecken, wie es bei Julian Köster geklappt hat auf der Rückraum-links-Position. Die Nominierungen auf den anderen Positionen sollen auch eine Belohnung sein dafür, dass junge Spieler in der Bundesliga konstant gute Leistungen bringen.

Für die Abwehr spielt es eine große Rolle, ob Hendrik Pekeler zu einem Comeback in der Nationalmannschaft bereit ist. Er lässt sich aber Zeit mit der Entscheidung. Inwiefern verhindert diese offene Frage, dass der Bundestrainer die Abwehr formen kann?

Klein: Ich weiß, dass die beiden im Austausch sind und zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts entschieden ist. Sie sprechen sich ab, wie die körperliche Verfassung ist.

Es ist ja noch lange hin bis zur EM. Einen Hendrik Pekeler auch kurzfristig in die Mannschaft zu nehmen, in der er alle Abläufe kennt, kann nur eine Bereicherung sein. Vom Typ ist Hendrik jemand, der seiner Mannschaft und dem Innenblock schnell helfen kann. Von daher glaube ich nicht, dass es zu negativen Auswirkungen kommt, wenn es noch keine Entscheidung gibt.

Auch ein anderer langjähriger Nationalspieler fehlt im Kader: Fabian Wiede. Er ist trotz guter Leistungen bei den Füchsen Berlin nicht nominiert worden, nachdem er zuletzt die WM wegen einer geplanten Kiefer-OP verpasst hatte. Wie wahrscheinlich ist eine Rückkehr?

Klein: Die aktuellen Nominierungen deuten eher darauf hin, dass der Bundestrainer dem Nachwuchs den Weg bereitet, als Nachfolger reinzuspringen auf der Rückraum-rechts-Position.

Wie weit weg ist denn das deutsche Team von der Weltspitze?

Klein: Den fünften Platz bei der Weltmeisterschaft dürfen wir als Maßstab nehmen. Von daher scheint es durchaus möglich, bei der EM vor heimischem Publikum mit einem Turnier-Flow auf das Halbfinale zu schielen.