Tschechiens EM-Start Patrik Schick - einmal auf Augenhöhe mit Ronaldo
Wenn Tschechien in Leipzig gegen Portugal in die EM startet, sind die Rollen klar verteilt. Die "Seleção" führt in allen Rankings, fast auf Augenhöhe sind beide Teams nur im Duell der Top-Torjäger Patrik Schick und Cristiano Ronaldo.
Patrik Schick und Cristiano Ronaldo im Gleichklang? Unmöglich? Von wegen! Die Offensivkünstler aus Tschechien und Portugal lieferten sich bei der Europameisterschaft 2021 ein packendes Duell um die Krone des besten Torschützen.
Am Ende war alles wie immer. Superstar und Weltfußballer Ronaldo flog mitsamt Pokal für den Torschützenkönig im Gepäck zurück. Der Ausnahme-Profi aus Portugal hatte genauso oft wie Schick (fünf Mal) getroffen, aber eine Vorlage mehr geliefert. Kleiner Trost: Schicks Traumtor gegen Schottland aus rund 45 Metern wurde zum "Tor des Turniers" und zum "Tor des Monats" in der Sportschau gekürt.
Ronaldo-Hype überall spürbar
Am Dienstag (18.06.2024, 21.00 Uhr, Radioreportage und Liveticker) treffen sich die Knipser von 2021 wieder. Tschechien startet gegen Mitfavorit Portugal in das Turnier.
Ob die beiden Mannschaften wieder so abhängig von Ronaldo und Schick sind wie bei der vergangenen Europameisterschaft? Schwer vorstellbar. Ronaldo hat sich zwar nach der Frust-WM in Katar 2022 vom Bankplatz zurück ins Team gekämpft, stand aber auch bei der makellosen EM-Quali - Portugal blieb als einziges Team ungeschlagen - nicht mehr im Zentrum des Rummels.
Dass er ein wichtiger Teil des Teams ist, machte Trainer Roberto Martinez allerdings am Montag während der obligatorischen Pressekonferenz vor dem Spiel klar: "Ronaldo ist in der Nationalmannschaft, weil er es verdient und nicht wegen seines Namens."
Schick: Nur sieben Spiele seit 2021
Und Schick? Der tauchte nach seiner Bilderbuch-EM in der Nationalmannschaft nahezu komplett ab. Sein Körper spielte nicht mit. Wade, Leiste, Oberschenkel, Knöchel - Schick hatte das Verletzungspech gepachtet und kam seit der letzten Europameisterschaft nur sieben Mal für Tschechien zum Einsatz.
Was den Fans Mut machen dürfte: 2024 war der kantige Mittelstürmer bei drei Spielen dabei, traf beim letzten Test vor dem Turnierstart beim 2:1-Sieg gegen Nordmazedonien und peppte seine Bilanz auf: 19 Treffer in 38 Länderspielen können sich sehen lassen.
Keine Startelf-Garantie
"Wir glauben an Patrik und vertrauen ihm. Wir wissen, was er liefern kann", sagte Kapitän Tomas Soucek mit einem Lächeln auf den Lippen. Eine Startelf-Garantie gibt es für den Bundesliga-Profi nicht. Zumindest ließ sich Trainer Ivan Hasek von der bohrenden Journalisten-Schar nichts entlocken.
Man habe 26 gesunde Spieler und werde nach dem Abschlusstraining über die Aufstellung reden, so Hasek, der einst Verbandspräsident war und Anfang des Jahres zum Cheftrainer berufen wurde, weil Jaroslav Silhavy unmittelbar nach dem Lösen des EM-Tickets das Handtuch geworfen hatte.
Schwieriger Start in Italien
Dass Schick und Tschechien nun ausgerechnet in Leipzig in das Turnier starten, könnte ein Vorteil sein. Der 28-Jährige kennt sich aus: Leipzig war seine erste Station in Deutschland. 2019 flog er im Privatjet und mit reichlich Vorschusslorbeeren aus Rom ein.
Zuvor hatte der gebürtige Prager in der Saison 2016/17 auf sich aufmerksam gemacht, als er im ersten Jahr für Sampdoria Genua 13 Tore in 35 Pflichtspielen schoss. Ein Wechsel zu Juventus Turin platzte anschließend, weil Ärzte beim obligatorischen Medizincheck ein Problem am Herz feststellten. Es wirkte wie eine Farce, als er sechs Wochen später für 40 Millionen Euro zu AS Rom wechselte.
Leipzig als Karriere-Kick
Nach zwei durchwachsenen Jahren hatte Rom keine Verwendung mehr, verlieh ihn zu RB Leipzig. Julian Nagelsmann, damals Trainer der Rasenballer, empfing den Modellathleten mit offenen Armen. Freude am Neuen hatte der heutige Bundestrainer aber erst mit Verspätung, weil Schick neben seinem genialen Tor-Gen auch die Verletzungsanfälligkeit gepachtet hat.
Patrik Schick spielte unter Julian Nagelsmann ein Jahr bei RB Leipzig.
Nach auskurierten Problemen am Sprunggelenk setzte er mit zehn Toren in 22 Spielen dann die ersten Duftnoten in der Bundesliga.
Zu teuer, zu verletzungsanfällig
Diese Quote allein hätte Schick normalerweise einen Fünfjahresvertrag bei den ambitionierten Sachsen beschert. Doch es kam anders. RB zweifelte ob der vielen Verletzungen und der hohen Ablöse - und stieg aus dem Vertragspoker mit Rom aus.
Bayer Leverkusen nutzte die Gunst, zog den dicken Fisch an die Angel und freute sich über 37 Tore in den ersten beiden Jahren. Schick tauchte dabei gern lange ab, um dann blitzartig aufzutauchen und zuzuschlagen. Wahlweise mit rechts, mit links, mit dem Kopf. Der konterstarke Stürmer ist schwer ausrechenbar und ein klassischer Neuner, der seine Körpergröße gut ausspielt.
Schick bei Bayer-Traumsaison nur eine Randnotiz
Ohne den maladen Körper wäre Schick wahrscheinlich einer der gefährlichsten Angreifer der Welt. So aber stand Tschechiens Nummer eins im Sturm bei Bayers Fabelsaison im Schatten von Florian Wirtz, Victor Boniface, Alejandro Grimaldo oder Jeremie Frimpong.
Patrik Schick war lange verletzt, doch nach seinem Comeback schnell wieder bei alter Stärke. Er dürfte auch bei Tschechien Stürmer Nummer eins sein.
Schick kam beim Double-Sieger nur in 33 der 53 Pflichtspielen zum Einsatz, glänzte im Europapokal-Achtelfinale gegen Qarabagh mit Joker-Toren und wendete dabei im Rückspiel in der Nachspielzeit per Doppelpack das Aus ab.
Tschechien vor dem Start: "Erstes Spiel entscheidet nichts"
So hatte Schick einen kleinen, aber wichtigen Anteil an Leverkusens Traumsaison. Sein Einfluss in der tschechischen Nationalmannschaft muss größer sein. Das Hasek-Team braucht die Schick-Tore, am besten schon am Dienstag, auch wenn der Trainer den Druck vom Kessel nahm: "Das erste Spiel entscheidet noch gar nichts."
Ziel sei es, die Gruppenphase zu überstehen - und dies ist dem EM-Spezialisten durchaus zu zutrauen. Tschechien ist seit 1996 EM-Stammgast und hin und wieder auch ein Favoritenschreck. Auf die Überraschung und einen fitten Torjäger Schick hofft der Außenseiter nun gegen Portugal. Die weiteren Gruppengegner - Georgien (22. Juni) und die Türkei (26. Juni) - werden zumindest auf dem Papier leichter.