EM-Teamcheck, Gruppe F Tschechien - auf der Suche nach dem neuen Glanz
Kapitän Tomas Soucek ragt heraus aus dem tschechischen Nationalteam, das seit den Zeiten von Tomas Rosicky oder Pavel Nedved nach neuem Glanz sucht. Einfach wird diese EM wohl nicht.
Viele Ältere haben es auf dem Schirm: 1976 feierte die damalige Tschechoslowakei gegen den Weltmeister Deutschland den Triumph bei der Europameisterschaft im damaligen Jugoslawien. Ziemlich viel "damalig". Obwohl: Das Finale dieser EM war das erste, das durch Elfmeterschießen entschieden wurde (5:3 i.E.), zuvor waren die Endspiele bei Unentschieden wiederholt worden.
Seit der Trennung des Verbandes 1993 von der Slowakei läuft es für Tschechien im Zusammenhang mit WM-Qualifikationen so gut wie überhaupt nicht (nur Teilnahme 2006, Aus in der Gruppenphase), dafür aber wurden die EM-Endrunden immer erreicht. 2004 kam das vermutlich beste tschechische Team aller Zeiten in das Halbfinale der EM, schied dort gegen den späteren Champion Griechenland aus. Was waren das für Namen, die damals das tschechische Trikot trugen: Petr Cech, Karel Poborský, Tomàš Rosický, Pavel Nedvěd, Jan Koller, Milan Baroš - Musik in den Ohren der Fußball-Romantiker.
Ausgangslage
Tschechien qualifizierte sich halbwegs souverän mit 15 Punkten aus acht Spielen - hinter Albanien, gegen das man auswärts sogar mit sage und schreibe 0:3 unter die Räder kam. In der Quali-Gruppe mit Moldau, den Färöer-Inseln, Polen und eben Albanien gelangen insgesamt nur zwölf Treffer bei sechs Gegentoren. Zwar fehlte Leverkusens Patrik Schick während der kompletten Qualifikationsphase, aber so richtig überzeugend war die Offensive der Tschechen nicht.
Aus der Bundesliga dabei sind Matěj Kovář, Adam Hložek, Patrik Schick (alle Bayer Leverkusen), David Jurásek (TSG Hoffenheim) und Václav Černý (VfL Wolfsburg).
Trainer
Ivan Hasek ist der Neue auf Tschechiens Cheftrainer-Position. Überraschend hatte Vorgänger Jaroslav Silhavy mit großen Teilen seines Stabs nach der erfolgreichen Qualifikation für die EM-Endrunde seinen Rücktritt erklärt. "Obwohl wir jetzt glücklich sind, haben meine Kollegen und ich vor dem Spiel entschieden, dass wir nicht weitermachen werden", sagte Silhavy im tschechischen TV. "Der Druck, der auf uns lastete, war manchmal so groß, dass ich ihn gar nicht verstanden habe." Silhavy betreut nun den Oman.
Nicht ganz einfache Voraussetzungen für Hasek, der als Trainer viel herumgekommen ist in der Welt. Neben Engagements in Frankreich und Japan verdingte er sich besonders auf der arabischen Halbinsel: Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate. Seine größten Erfolge feierte er aber zu Beginn seiner Trainerlaufbahn, als er 2000 und 2001 jeweils tschechischer Meister mit Sparta Prag wurde.
Als hauptverantwortlicher Trainer der Nationalmannschaft aus Tschechien war Hasek nur mit zwei Testspielen, in denen er mit der Mannschaft arbeiten konnte, in die EM-Vorbereitung gegangen: Im März gewann er erst in Norwegen, dann siegte er zu Hause gegen Armenien jeweils mit 2:1. Dabei probierte er höchst unterschiedliche taktische Formationen aus - was sollte er auch anderes machen? Bei den zwei Siegen nun gegen Malta (7:1) und Nordmazedonien (2:1) zeigte sich schon deutlich mehr von seiner Taktik.
Dennoch: Wie und ob Tschechien eine Rolle bei dieser EM spielen kann, ist eine Wundertüte. Abwarten und vielleicht staunen.
Superstar
Der Star im Nationaltrikot Tschechiens ist Kapitän Tomas Soucek. Der Mittelfeldspieler hat seit 2020 seine sportliche Heimat bei West Ham United gefunden. Und er ist definitiv einer der "Hammers": In der angelaufenen Saison absolvierte er 52 Spiele für West Ham, schoss dabei zehn Tore und war insgesamt fast 4.000 Minuten auf dem Spielfeld.
In der Nationalmannschaft der Tschechen wurde Soucek seit 2022 nur ein einziges Mal nach 77 Minuten ausgewechselt (0:4-Niederlage gegen Portugal), ackerte sonst immer über die volle Distanz. Soucek ist die Verkörperung von Beständigkeit, ist in seiner gesamten Karriere als Profi erst einmal vom Platz geflogen und war noch nie gesperrt. Ein Mittel, gegen Tschechien gut auszusehen, ist sicherlich, Souceks Kreise zu stören.
Player to watch
Adam Hlozek hat sicherlich das größte Potenzial in Tschechiens Team. Der jüngste Torschütze in Tschechiens Profiliga aller Zeiten wechselte schon mit knapp 20 Jahren von Sparta Prag zu Bayer Leverkusen. Im Verein hatte der jetzt 21-Jährige bislang aber noch nicht den richtig großen Durchbruch: Nur wettbewerbsübergreifend sieben Tore in 36 Spielen gelangen der hängenden Spitze in der abgelaufenen Saison. Und die Bilanz in der Nationalmannschaft sieht bislang nicht gerade besser aus: In 31 Einsätzen traf Hlozek erst zweimal.
Aber: Er ist noch sehr jung - vielleicht gelingt ihm ja beim Turnier in Deutschland der Durchbruch?
Nice to know
1990 führte Trainer Hasek die damalige Tschechoslowakei als Kapitän bis ins Viertelfinale der Weltmeisterschaft in Italien, dort platzte der Traum vom Titel mit einem 0:1 gegen den späteren Weltmeister Deutschland.
Jetzt musste Hasek kurz vor dem Turnier einen kuriosen Ausfall hinnehmen. Michal Sadilek verletzte sich an einem freien Tag bei einer Bergtour, als er bei der Abfahrt auf einer Art Kart stürzte. Pikant: Die Tschechien hatten entsprechende Medienberichte zunächst dementiert, dann aber doch zurückgerudert. Und mitgeteilt: "Es war ein Fehler, dass die Nationalmannschaft nicht vollständig informiert hat, und sie entschuldigt sich hiermit bei den Medien und bei den Sportfans."
So könnten sie spielen