Torhüter Manuel Neuer ist im Testspiel gegen Griechenland enttäuscht.
analyse

Sieg im Testspiel gegen Griechenland Neuer und Nagelsmann gegen die Oberbedenkenträger

Stand: 08.06.2024 08:55 Uhr

Auch beim Sieg gegen Griechenland im letzten Testspiel vor der EM 2024 unterläuft Manuel Neuer ein krasser Fehler. Bundestrainer Julian Nagelsmann hält dem Torwart die Treue und geht sogar gegen die "Oberbedenkenträger" in die Offensive.

Von Marcus Bark, Mönchengladbach

Geht das erste Turnierspiel verloren, spricht niemand mehr über den letzten Test. Diese These stellte Julian Nagelsmann am Freitagabend (07.06.2024) zum wiederholten Mal auf. Falls er sie hätte belegen müssen, das 7:1 gegen Lettland hätte sich angeboten. Exakt drei Jahre zuvor war das in Düsseldorf gelungen, ein paar Tage später verlor die deutsche Eliteauswahl zum Auftakt der EM 2020 mit 0:1 gegen Frankreich.

Der letzte Test vor dem Auftakt der EURO 2024 gegen Griechenland wurde mit 2:1 gewonnen. Es war Neuers 119. Länderspiel, vor dem es schon einige, wahrscheinlich eher viele, Bedenkenträger gegeben hatte, ob der Torwart nach sehr vielen schweren Verletzungen und im Alter von nun 38 Jahren noch der Manuel Neuer sei, als der er in die Geschichte des Fußballs eingehen wird.

Nagelsmann über Neuer - "Er hat mein Vertrauen"

Sportschau UEFA EURO 2024, 07.06.2024 20:45 Uhr

Erklärungsversuche für den Patzer

Aus dieser Gruppe sind nun Oberbedenkenträger geworden, denn Neuer kassierte den Treffer wegen eines persönlichen Fehlers. Diesem waren andere persönliche Fehler vorangegangen, was sowohl Neuer als auch Nagelsmann anmerkten, wie sie auch zur Verteidigung vorbrachten, dass der Schuss von Fortuna Düsseldorfs Christos Tzolis "ein bisschen abgefälscht" und "ein bisschen gesprungen" sei, außerdem "etwas Spin" gehabt habe, bevor ihn der Torwart nach vorne prallen ließ und Georgios Masouras den Ball zum 1:0 für Griechenland einschob.

Anne van Eickels, Sportschau, 08.06.2024 10:11 Uhr

"Den Ball muss ich besser wegbringen", räumte Neuer ein, um dann festzustellen, dass er "in beiden Spielen gute Leistungen gezeigt" habe.

Lobby für ter Stegen wird stärker

Diese These kann er mit Videos belegen, denn beim 0:0 gegen die Ukraine vier Tage zuvor hielt Neuer in einigen Szenen wie Neuer, aber er fütterte auch die Bedenkenträger, wie schon zuvor im Halbfinalrückspiel der Champions League mit dem FC Bayern bei Real Madrid, wie im letzten Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim.

Nagelsmann wusste, dass die öffentliche Diskussion um die Nummer eins an Lautstärke gewinnt, zumal die Lobby von Marc-André ter Stegen mit jedem Fehler Neuers stärker wird und der Torwart des FC Barcelona in den vergangenen Tagen selbst kundtat, dass er die Rolle als Nummer zwei nur schwer akzeptieren kann.

Der Bundestrainer bügelte die Diskussion noch in Mönchengladbach ab, sprach Neuer das Vertrauen aus und kritisierte die Kritiker, indem er der Diskussion die "Sinnhaftigkeit" absprach und erneut einen Appell auch an die Medien richtete, mit dafür zu sorgen, dass die Europameisterschaft zu einem Erfolg werde: "Jeder Deutsche sollte ein Interesse daran haben, dass Spieler gestärkt ins Turnier gehen."

Insgesamt sehr dürftige Leistung

Er gehöre sicher nicht zu den Oberbedenkenträgern, so Nagelsmann, der damit auf die Frage einging, ob die gerade in der ersten Halbzeit sehr dürftige Leistung gegen Griechenland ein willkommener Stimmungsdämpfer gewesen sei, nachdem zuvor viel von Euphorie geredet wurde.

Burkhard Hupe, Sportschau, 08.06.2024 11:22 Uhr

"Nicht euphorisch - Job erfüllt", fasste der Bundestrainer den Abend möglichst knapp zusammen, der wegen des erneuten Fehlers von Neuer andere Fragen in den Hintergrund drängte. Etwa die, ob İlkay Gündoğan auf der Position des "Zehners" richtig aufgehoben ist. Die Leistungen in den vergangenen Länderspielen sprachen eher dagegen und vieles dafür, dass der Kapitän mehr Spielfläche vor sich haben muss, um seine Stärken besser einzubringen.

Die Plätze hinter der offensiven Mittelfeldreihe sind aber vergeben, und so ergibt sich die Frage, ob Gündoğan eher die Nummer zwölf oder 13 sein sollte in "meiner 13". So entgegnete Nagelsmann in Gladbach der Feststellung, dass er seine Elf gefunden habe, die auch am 14. Juni in München gegen Schottland starte.

Wenig Platz in der Mitte

Die Aufstellung, mit der Deutschland gegen Griechenland wie erwartet begann, sei "nicht in Stein gemeißelt", so der Bundestrainer, "jeder da vorne weiß, dass er keine Garantie hat". Unterschiedliche Gegner stellten unterschiedliche Anforderungen und Anpassungen, sagte Nagelsmann. Leroy Sané ist somit recht klar als Nummer zwölf zu identifizieren, denn der Münchner ist extrem schnell und ein Flügelstürmer, den es in der Startelf nicht gab. Florian Wirtz und Jamal Musiala ziehen gerne früh in die Mitte. Weil es aber im Zentrum gerade gegen eher defensiv eingestellte Gegner sehr eng wird und wurde, stellte Nagelsmann das Spiel zuletzt um und setzte mehr auf Flanken.

Nach dem 0:0 gegen die Ukraine hatte Nagelsmann gesagt, dass seine Mannschaft mehr Spieler in den Strafraum bringen müsse, um die Erfolgschancen bei Flanken zu verbessern. In Mönchengladbach habe er Pascal Groß zudem bei dessen Einwechslung darauf hingewiesen, dass "der Rückraum nie besetzt" gewesen sei. Das änderte sich in der 89. Minute, als Groß aus dem Rückraum zum 2:1 traf. "Späte Tore sind immer ganz cool, frag nach bei Leverkusen", regte Nagelsmann an, der nach dem letzten Test vor allem als Anti-Oberbedenkenträger auffiel.