Nationalmannschaft Testspiel gegen Griechenland - Nagelsmann will Gesetz außer Kraft setzen
Eine missglückte Generalprobe als gutes Omen fürs Turnier? Da macht Julian Nagelsmann vor der Heim-EM nicht mit. Der Bundestrainer fordert einen Sieg im letzten Test gegen Griechenland.
Inzwischen ist der Ärger natürlich längst verraucht, dass um einen der traditionsreichsten Standorte im deutschen Fußball bei Großereignissen solch ein großer Bogen gemacht wird. Weder bei der Auswahl der Städte für die WM 2006 noch für die EM 2024 ist Mönchengladbach berücksichtigt worden.
Die Ursachen sind vielschichtig, wobei sich der damals von Reinhard Grindel geführte Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Herbst 2017 immerhin die Mühe machte, einen umfassenden Kriterienkatalog abzuarbeiten. Danach stand die Heimat eines der populärsten Vereine nur an 13. Stelle. Über eine "technokratische Entscheidung" schimpfte der mächtig enttäuschte Mönchengladbacher Oberbürgermeister Hans-Wilhelm Reiners.
Immerhin kommt es nun zur Entschädigung: Die EM-Generalprobe der deutschen Nationalmannschaft gegen Griechenland (Freitag 20.45 Uhr) steigt im Borussia-Park, wo viele Fans natürlich hoffen, bessere Unterhaltung zu erleben als zuletzt bei Heimspielen der "Fohlenelf".
Möglichst viele Tore für die gute Laune
Doch dafür hat der DFB ja langfristig Julian Nagelsmann gebunden. Auf seinem Wunschzettel für den finalen Probelauf vor der Heim-EM steht vieles, nur eines nicht. Dass eine missglückte Generalprobe als gutes Omen für die Premiere gilt, "dieses Gesetz ist außer Kraft gesetzt", sagte der Bundestrainer am Donnerstagabend in Mönchengladbach vor den 90 letzten Testminuten für die Heim-EM.
Am Niederrhein hat es schon zweimal den Aufgalopp zu Turnieren gegeben. Das Länderspiel am 8. Juni 2005 gegen Russland (2:2) vor dem Confed Cup in Deutschland war das erste überhaupt in Mönchengladbach, dann gab es am 2. Juni 2006 vor der Heim-WM auch noch einen Seig gegen Kolumbien (3:0).
Vorfreude aufs Eröffnungsspiel wecken
Möglichst viele Tore und viel EM-Lust will der 36-Jährige von seiner Turnier-Elf um die neu dazugekommenen Königsklassen-Könige Toni Kroos und Antonio Rüdiger sehen. "Die Spieler sind extrem gewillt, zu liefern", sagte er. Exakt eine Woche vor dem Eröffnungsspiel gegen Schottland soll aus dem Borussia-Park das Signal kommen, dass Fußball-Deutschland voller Vorfreude und Hoffnungen dem EM-Anpfiff entgegenfiebern kann.
Hat der Gastgeber wieder eine Turniermannschaft, die Großes leisten und erreichen kann? "Ich sehe uns auf einem sehr guten Weg", sagte Nagelsmann optimistisch. Im Verbandsmagazin "DFB aktuell" hat er sogar einen staatstragenden Auftrag formuliert: "Man sollte mit dem nötigen Stolz an die Aufgabe gehen, mit Demut und mit dem Bewusstsein und der Überzeugung, dass man nicht für sich agiert, sondern im Dienste und im Auftrag seines Landes."
"Das letzte Testspiel ist einfach sehr wichtig für unser Selbstvertrauen. Wir wollen eine Aufbruchstimmung, wir wollen unsere Fans mitnehmen", sagte Abwehrchef Rüdiger. Der 31-Jährige will gemeinsam mit Anführer Kroos die Sieger-DNA und "den Killerinstinkt" von Real Madrid auf das Nationalteam übertragen. Das "königliche" Duo hatte beim ärgerlichen 0:0 gegen die Ukraine noch gefehlt, ebenso wie die Dortmunder Wembley-Verlierer Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck, die aber nicht zu Nagelsmanns EM-Wunschelf gehören.
Torgaranten gesucht - einer wäre Niclas Füllkrug
Gegen die Griechen erwartet Nagelsmann einen Sieg, um mit Rückenwind in den Endspurt der Vorbereitung gehen zu können. Der Gegner, Sensations-Europameister von 2004, hatte die EM-Teilnahme auf dramatische Weise im Playoff-Finale gegen Georgien durch eine Niederlage im Elfmeterschießen verpasst. "Wir sind alle hier, um zu gewinnen", sagte Kai Havertz. Der Arsenal-Profi wird wieder in der Sturmspitze beginnen.
Nach dem Chancenwucher gegen die Ukraine sollen Kroos und Rüdiger der Mannschaft einen weiteren Schub geben. Aber der Bundestrainer hob auch explizit den Wert von Füllkrug als klassischer Neuner in der Offensive hervor. Der 31-Jährige kann die beste Torquote im DFB-Kader vorweisen, elf Treffer in 15 Länderspielen. "Gut, dass wir in Fülle eine zusätzliche Option haben, einen weiteren Vollblutstürmer", sagte Nagelsmann.
Einer muss noch weichen - trifft es Robin Koch?
Auf den Chefcoach kommt am Freitagabend aber auch noch eine unangenehme Aufgabe zu. Direkt nach dem Test wird Nagelsmann verkünden, welchen Spieler er noch streicht aus dem vorläufigen 27-Mann-Kader. Bis Mitternacht muss dem Dachverband UEFA der maximal 26 Akteure umfassende Turnierkader gemeldet werden. "Es wird jemanden treffen, der es nicht verdient hat", sagte Nagelsmann nach intensiven Diskussionen im Trainerteam.
Hoffenheims Maximilian Beier, der mit einem couragierten Joker-Einsatz gegen die Ukraine inklusive Lattenschuss für sich warb? Der 21 Jahre alte Angreifer war anfangs erster Streichkandidat. Oder reduziert Nagelsmann den Defensivbereich um eine Planstelle, indem er den Frankfurter Robin Koch vorzeitig in den Urlaub schickt?
Die Entscheidung ist schon gefallen
"Die Entscheidung ist gefallen. Wir werden es nach dem Spiel final verkünden", sagte Nagelsmann zum Ablauf. Ein Chefcoach denkt einen Kader aber nicht von den Hinterbänklern im Team, sondern vom harten Kern der Stammelf plus der größten Herausforderer. Und darum rückt im Borussia-Park Leroy Sané in den Fokus. Nach drei Spielen Sperre nach der Roten Karte im November gegen Österreich und einem Monat ohne Matchpraxis seit dem bitteren Königsklassen-Aus mit dem FC Bayern gegen Real Madrid erwartet Nagelsmann einen Leistungsnachweis.
Sané muss die Antwort liefern, wie viel er trotz seiner Schambein-Problematik der DFB-Elf bei der EM geben kann. "Er wird Minuten sammeln müssen", sagte Nagelsmann nach zwei vollen Trainingseinheiten des Münchner Angreifers mit der Mannschaft. "Aber Leroy ist ein Spieler, der für den Unterschied sorgen kann", sagte Nagelsmann zum Wert von Sané.
Florian Wirtz schaut auf Toni Kroos
Beim 34-jährigen Kroos stellt sich die Frage danach, was er einbringen kann, spätestens nach den bemerkenswerten Comeback-Auftritten gegen Frankreich (2:0) und Holland (2:1) nicht mehr. Kroos ist das zentrale Teil im Nagelsmann-Puzzle. Maximal acht Spiele kann er bis zum Karriereende noch machen - das EM-Finale am 14. Juli in Berlin mitgezählt.
Wie sehr gerade die Jüngeren zum Trophäensammler Kroos aufschauen, ließ Jungstar Florian Wirtz erkennen. "Wir können froh sein, dass er sich entschieden hat, uns bei der EM zu unterstützen und anzuführen", sagte der 21 Jahre alte Leverkusener Double-Gewinner.