Achtelfinale gegen Dänemark Joshua Kimmich - unter Druck
Es ist schon lange her, dass Joshua Kimmich ein K.o.-Spiel mit der Nationalmannschaft gewonnen hat. Das erhöht den Druck, den er sich zu großen Teilen selbst auferlegt.
Empathie ist Statistikern fremd, zumindest dienstlich. Spiele, die im Elfmeterschießen entschieden werden, gelten als Unentschieden. Bei Joshua Kimmich steht daher in den Büchern, dass er zuletzt am 26. Juni 2016 ein K.o.-Spiel bei einem großen Turnier gewonnen hat, mit 3:0 gegen die Slowakei.
Das Viertelfinale eine knappe Woche später gegen Italien wird als schnödes Remis gewertet, dabei war es der bedeutendste Sieg, den Kimmich bislang im Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft errang.
Wichtiger Elfmeter gegen Buffon
Er selbst stand damals am berüchtigten Punkt, ihm gegenüber Gianluigi Buffon, der Weltmeistertorwart. Der Druck hätte größer nicht sein können. Kimmich musste treffen, sonst wäre Deutschland ausgeschieden. Er traf, links unten, in seinem erst vierten Länderspiel.
Später traf Jonas Hector zum Sieg. Das Halbfinale ging mit 0:2 gegen Frankreich verloren.
Das Gesicht der Jahrgänge 1995 und 1996
Acht Jahre sind seitdem vergangen. Bei Joshua Kimmich sind 85 Länderspiele hinzugekommen. In nur einem davon ging es wieder darum, in einem K.o.-Spiel eines großen Turniers weiterzukommen. Deutschland unterlag wieder 0:2, dieses Mal im Achtelfinale der EM 2021 in London gegen England.
Joshua Kimmich, der im Februar 30 Jahre alt wird, ist das Gesicht der Jahrgänge 1995 und 1996, die dem deutschen Fußball nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 eine Zukunft versprachen, die golden bleibt.
Aber sie wurde grau, manchmal gar schwarz. Bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland schied die deutsche Mannschaft erstmals in der Geschichte des DFB nach der Vorrunde aus, bei der WM 2022 das zweite Mal.
Emotionale Worte nach WM-Aus
Nach dem letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica kam Kimmich, erfolgs- und titelverwöhnt aus seinen Jahren beim FC Bayern, aus der Kabine und sprach Sätze in die Mikrofone, die im Gedächtnis blieben:
"Für mich ist es echt der schwierigste Tag meiner Karriere. Wir haben 2018 vergeigt und 2021 die EURO in den Sand gesetzt. Vorher war Deutschland immer im Halbfinale, dann komme ich dazu und man scheidet zweimal aus. Das ist für mich persönlich nicht einfach zu verkraften. Ich werde mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht. Das ist nichts, wofür man stehen möchte. Ich habe Angst, dass ich in ein Loch falle."
Druck gegen Dänemark
Kimmichs 90. Länderspiel wird das Achtelfinale der EM 2024 am Samstag (21.00 Uhr, Radioreportage und Live-Ticker) gegen Dänemark sein. Deutschland ist Favorit. Heim-EM, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das für Jahrzehnte letzte große Turnier in Deutschland. Auch wenn Sportdirektor Rudi Völler von einem "brandgefährlichen Gegner" spricht: Ein Ausscheiden würde die Stimmungswelle, die sich in den vergangenen Monaten aufgebaut hat, gnadenlos brechen.
Der psychische Druck, er ist wieder extrem, zumal Kimmich ihn freiwillig verstärkt mit seinem brennenden Ehrgeiz, den er gerne auf jeden Kollegen übertragen würde. Aber Kimmich ist anders als viele andere Fußballer, Kimmich ist speziell.
In voller Montur in den Pool
"Du bist doch nicht ganz dicht", sagte Robert Andrich vor ein paar Tagen, nachdem er Kimmich aufgefordert hatte, in voller Montur mit einem "Köpper" in den Pool des Basiscamps in Herzogenaurach zu springen. Lediglich das Handy gab Kimmich ab. Dann sprang er.
Andrich ist ein Grund, dass Joshua Kimmich in der Nationalmannschaft wieder auf die Seite gedrängt wurde. Der andere Grund heißt Toni Kroos. Er ist seit der Rückkehr wieder der Stratege im defensiven Mittelfeld, Andrich der Räumdienst.
Joshua Kimmich wollte oft beides sein und ab und an ist ihm das auch in der Nationalmannschaft gelungen. Aber der prägende "Sechser", auf den Hymnen gesunden werden wie auf Kroos, der wurde er nie.
Solide EM-Leistungen
Es ist ein bisschen ruhig geworden um den Nationalspieler Joshua Kimmich, der als rechter Verteidiger einer Viererkette bislang solide Leistungen bei der EURO 2024 zeigte.
Kimmich schoss in seinen 89 Länderspielen sechs Tore, gab 22 Vorlagen zu Treffern, darunter auch die zum ersten Tor der EM, dem 1:0 von Florian Wirtz im Spiel gegen Schottland. Nur sechs dieser Assists gab er als zentraler Mittelfeldspieler, die anderen als rechter Verteidiger oder als rechter Mittelfeldspieler vor einer Dreierkette.
Die empathielosen Statistiker sagen, dass Toni Kroos genauso viele Torvorlagen wie Kimmich gab, er habe dafür aber 23 Länderspiele mehr gebraucht.