EM-Show Türkei gegen Georgien Hexenkessel, Kampf und Traumtore
Auf dem Papier war Türkei gegen Georgien ein Spiel der EM 2024, von dem wenig erwartet wurde. Es wurde aber eine Partie, die alles bot, was den Fußball liebenswert macht.
Der Blick auf die Medientribüne in der Dortmunder Arena gab einen Eindruck, welche Erwartungen vor der Partie zwischen Türkei und Georgien geherrscht hatten. Beim 2:1-Sieg Italiens drei Tage zuvor gegen Albanien war dort noch jeder Platz besetzt, am Dienstag (18.06.2024) blieb dagegen eine Vielzahl der Stühle leer. Es war keine Paarung, die das große Medienecho erwarten ließ - doch alles, was ab der ersten Minute passierte, war in jeder Hinsicht nur eines: ganz großer Sport.
Herausragende Stimmung und toller Fußball
Die Partie hatte einen ganz großen Vorteil, um derart glänzen zu können. Von Anfang bis Ende herrschte im Stadion eine beeindruckende Stimmung. In den ersten 15 Minuten feuerten die türkischen Fans ihr Team im Ballbesitz in einer ohrenbetäubenden Lautstärke an, war der Gegner am Zug, wurde Georgien gnadenlos ausgepfiffen und -gebuht. Doch wenn mal Ruhe war, nutzten das die georgischen Anhänger sofort und machten höllischen Lärm.
Auch das Spiel spiegelte das ständige Hin und Her auf den Rängen. Die Türkei drückte. Sobald die Mannschaft von Trainer Vincenzo Montella aber auch nur ein wenig nachließ, konterte Georgien. Der EM-Neuling spielte überraschend mutig, technisch richtig fein, grätschte und kämpfte - und weil all das auch die Türken machten, war es auch sportlich ein Kick, der jedem Zuschauer den Kick brachte. Und das trotz des strömenden Regens, wegen dem in Dortmund das Fanfest ausgefallen war.
Geburtstagsgeschenk für Montella
Und was ist die Krönung einer Partie, die hochklassig ist, in der jede erfolgreiche Grätsche, jeder geblockte Torschuss und jede Parade eines Torhüters bejubelt werden wie ein Treffer der eigenen Mannschaft? Traumtore. Und davon gab es gleich zwei. Beide für die Türkei, beide sorgten für eine unglaubliche Ekstase auf der Tribüne. Und für den Sieg des Favoriten.
"Es war ein Match, das einer EM würdig war. Ein tolles Spiel und ein verdienter Sieg für meine Mannschaft", sagte Montella. Für den Trainer der Türkei war es zudem ein besonderer Tag: "Es war mein 50. Geburtstag und es war ein perfekter Geburtstag. Die Jungs haben mir das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht, das man mir machen konnte."
Ancelotti beglückwünscht Güler für Traumtor
Und das hatte er vor allem Arda Güler zu verdanken, der mit seinem Treffer zum 2:1 den Sieg eingeleitet hatte und zum besten Spieler der Partie gewählt wurde. "Ich kann gar nicht beschreiben, wie großartig es war, diese Stimmung zu spüren und dieses Spiel zu gewinnen. Ich bin sehr glücklich und hoffe, dass ich noch mehr Tore schießen kann", sagte Güler: "Wir wollten unserem Trainer den Sieg schenken und als Mannschaft so weit wie möglich kommen."
Toni Kroos hatte vor einem Jahr über Güler gesagt: "Er hat ein sehr, sehr feines linkes Füßchen. Das wird man noch häufig sehen. Er hat einen super Linksschuss." Der 19-Jährige stellte das bei seinem EM-Debüt unter Beweis. Aus etwa 28 Metern nagelte er den Ball mit 118 Stundenkilometern ins lange Eck genau in den Winkel. Das beeindruckte auch seinen Klubtrainer Carlo Ancelotti, der ihm sofort eine Nachricht schrieb. Ein unfassbarer Treffer. Und das Tor zum Sieg.
Sagnol "stolz", Türkei hat das Glück
Weil Georgien danach die Latte traf, eine hundertprozentige Chance aus wenigen Metern verpasste, an den Pfosten schoss und im Nachschuss vor der Linie per Kopf gerettet wurde. "Wir haben ein tolles Bild abgegeben, wir können stolz auf unsere Leistung sein. Das Spiel und die Atmosphäre haben zusammengepasst", sagte Georgiens Trainer Willy Sagnol: "Die EM ist das Ergebnis einer tollen Entwicklung nach mehreren Jahren und die Belohnung dafür. Ich bin sehr stolz, Teil dieses tollen Momentes zu sein. Ich kann nichts Negatives sagen."
Beide Teams boten an diesem Abend alles - ein EM-Spektakel aus dem Nichts. Aber die Türkei hatte im Gegensatz zu Georgien das Glück auf ihrer Seite. Und als krönenden Abschluss gab es noch das "Empty-Net-Goal" durch Kerem Aktürkoğlu in der 97. Minute - und nach dem Abpfiff eine türkische Party mit stimmgewaltiger Folklore.