Georgien bei der EM 2024 Euphorie im Stadion - Spaltung im Land
Georgien spielt zum ersten Mal bei einem großen Fußballturnier mit. Der Auftritt wird von einer Zerrissenheit des Landes überschattet.
Durch einen Sieg in den Playoffs über Griechenland im Elfmeterschießen schaffte es Georgien erstmals zu einem großen Turnier. 1992, kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion, wurde Georgien Mitglied in der UEFA und in der FIFA, verpasste aber bei den Männern wie bei den Frauen bisher jedes Turnier. Nun steht das erste Spiel bei einer EM an: Am Dienstag trifft Georgien in Dortmund auf die Türkei.
"Die Leute sind sehr stolz, dass das Team es so weit geschafft hat", sagt Norbert Hahn, der für die ARD als Korrespondent aus dem Kaukasus, Zentralasien und Russland berichtet. Doch die Gesellschaft ist gespalten.
Die Befürchtung: Ein Gesetz verhindert Annäherung an die EU
Die Debatte und schließlich der Beschluss zu einem Gesetz gegen "ausländische Einflussnahme" prägt seit Wochen das politische Klima in Georgien. Die Opposition kritisiert ein Gesetz "russischer Machart". Nichtregierungsorganisationen sollen sich registrieren müssen, wenn sie mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten. Die Regierung mit der Partei "Georgischer Traum" spricht bei dem Gesetz von Transparenz.
Pro-europäische Proteste in Georgien
Die Opposition sieht dagegen eine Einschränkung der Zivilgesellschaft, was zu einer Abkehr von europäischen Standards und damit von der Europäischen Union führen könnte, bei der Georgien seit Ende 2023 Beitrittskandidat ist. "Die EU hat wiederholt betont, dass das vom georgischen Parlament verabschiedete Gesetz gegen die Grundprinzipien und Werte der EU verstößt", teilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und die EU-Kommission mit. Die Entscheidung werde sich negativ auf Georgiens Weg in Richtung EU auswirken.
In Massen protestierten viele Menschen in der Hauptstadt Tiflis - vergeblich. "Die Proteste sind kleiner geworden, der Widerstand ist aber gewiss nicht weg", sagt Hahn.
Levan Kobiashvili stimmte im Parlament für das Gesetz
Auch den Fußball hat das Thema im Griff. Während Georgien bei der Europameisterschaft spielt, ist der Kurs des Landes Richtung Europa in Gefahr. Levan Kobiashvili, der in der Bundesliga für den SC Freiburg, Schalke 04 und Hertha BSC spielte, legte nach seiner Karriere im Fußball auch eine in der Politik und der Sportpolitik hin. 2015 wurde er Präsident des georgischen Fußballverbands. 2023 wurde er in das Exekutivkomitee der UEFA gewählt - das mächtigste Gremium des europäischen Verbands.
Levan Kobiashvili ist der Präsident des georgischen Verbands.
"Wir als georgischer Fußballverband und ich als Präsident stehen ganz klar für den europäischen Kurs. Es gibt keine Alternative", sagte Kobiashvili bei "11 Freunde". 2008 hatte sich Kobiashvili geweigert, bei Schalke in Trikots mit dem Schriftzug des russischen Energiekonzerns Gazprom zu spielen, als Russland Georgien angriff.
In Georgien schlug er zudem eine politische Laufbahn ein. Kobiashvili wurde ins Parlament gewählt, für die Partei Georgischer Traum von Premierminister Irakli Kobakhidze. Bei der Abstimmung über das Gesetz, dass das Land spaltet, stimmte Kobiashvili mit ja. Er hält es für richtig: "Die georgische Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, woher Gelder kommen und wofür sie gebraucht werden."
Früher Spieler bei der AC Mailand, heute Bürgermeister von Tiflis: Kacha Kaladse
Früherer Milan-Star Kaladse für das Gesetz
Mit Kacha Kaladse spielt ein weiterer Ex-Fußballer eine wichtige Rolle. Kaladse spielte jahrelang für die AC Mailand, er ist vielleicht der größte Spieler in der Geschichte des Landes. Heute ist er Bürgermeister der Hauptstadt Tiflis und Befürworter des Gesetzes. Bei der Feier nach dem Sieg in den Playoffs im Elfmeterschießen gegen Griechenland brachte er Premierminister Irakli Kobachidse auf die Bühne, doch der wurde ausgebuht.
Einige aktuelle Spieler und ehemalige Stars haben sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Shota Arweladze, früher bei Ajax Amsterdam, schrieb: "Nein zu diesem Gesetz und allen anderen Initiativen, die uns von unserem Ziel abbringen." Im Oktober stehen Parlamentswahlen an. Schon jetzt zeige sich die Einschüchterung der Opposition. "Es gibt tätliche Angriffe", sagt ARD-Korrespondent Hahn. "Die Repression geht weiter." Der Fußball bleibt eine Plattform für den Konflikt. Premierminister Kobachidse wird als Besucher beim Spiel in Dortmund erwartet.
Georgiens Premierminister Irakli Kobakhidze