Ergebnis einer Studie Fußball-Fans erheblich von Polizeigewalt betroffen
Unverhältnismäßige Einsätze gegen Fans seitens der Polizei sorgen immer wieder für Diskussionen. Die jetzt veröffentlichte Studie "Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" (KviAPol) kommt zu dem Ergebnis, dass Polizeigewalt besonders im Fußball ein Problem ist.
Im Rahmen eines Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurden 3.300 Betroffene von Polizeigewalt befragt sowie 60 Experteninterviews geführt. Laut der Studie sind Fußballfans demnach die am zweistärksten betroffene Gruppe von Polizeigewalt. Nur auf Demonstrationen gebe es mehr Betroffene. Dabei stuften die Befragten die Handlungen der Polizisten jedoch selbst als rechtswidrig ein, ohne dass tatsächlich ein Gesetzesverstoß vorliegen musste.
Schläge, Stöße, Reizgas
Laut der an der Studie beteiligten Wissenschaftlerin Laila Abdul-Rahman gab fast ein Viertel der Befragten an, im Rahmen eines Fußballspiels mit rechtswidriger Polizeigewalt in Kontakt gekommen zu sein. "Dabei handelt es sich vor allen Dingen um junge Männer Mitte 20, die der aktiven Fanszene angehören", so Abdul-Rahman.
Die Anhänger berichten dabei von Schlägen, Stößen sowie dem massivem Einsatz von Reizgas und Wasserwerfern durch die Polizei bei Fußballspielen. Neben körperlichen habe dies auch psychische Folgen, was sich letztendlich in einen Vertrauensverlust gegenüber den Beamten niederschlage.
Fanhilfen sprechen von grundsätzlichem Problem
Für Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen (e.V.) ist die Studie der endgültige Beweis, dass Polizeigewalt längst kein Einzelfall, sondern ein grundsätzliches Problem sei: "Die Polizei muss ihr Feindbild 'Fußballfan' endlich systematisch abbauen. Fanrechte sind Bürgerrechte, die auch am Spieltag nicht ausgehebelt werden dürfen", erklärte sie.
Zuletzt hatte es große Aufregung um einen Polizeieinsatz im Herbst 2022 bei dem Zweitligaderby zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV gegeben. Im Zuge des begleitenden Polizeieinsatzes waren laut dem FC St. Pauli mehrere Personen durch Polizisten verletzt worden. Die Bundesregierung bestätigte kürzlich in einer Kleinen Anfrage der Linken-Fraktion, dass in diesem Zusammenhang gegen einen Beamten der Bundespolizei wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt werde.
Polizeigewerkschaft: "Rechtsbrecher nicht geduldet"
Gegen den Beamten sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt worden sei, heißt es in der Antwort weiter. Dabei hatte eine Anfrage des Deutschlandfunks Anfang des Jahres noch ergeben, dass gegen vier Beamte ermittelt werde. Das passt zu den Erkenntnissen der Studie, dass es am Ende nur eine niedrige Anklagequote gegen Polizistinnen und Polizisten gebe.
Die Polizeigewerkschaft stellte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) klar, dass sie keine Rechtsbrecher in den eigenen Reihen dulde. Es zeige sich aber auch, dass sehr viele Verfahren wieder eingestellt würden, da kein ausreichender Tatverdacht vorliege. Die Studie kommt jedoch zu dem Schluss, dass die meisten Fälle von Polizeigewalt gar nicht erst verfolgt werden.
Das wiederum beklagt Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen und fordert die Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten. Mit dieser Kennzeichnungspflicht könnte Übergriffen durch Beamte im Dienst präventiv begegnet werden. Außerdem brauche es unabhängige Kontroll- und Ermittlungsinstanzen, die bei Anzeigen gegen die Polizei uneingeschränkt ermitteln könnten. Auch die Wissenschaftler der Studie bedauern, dass in Deutschland nicht wie in anderen Ländern transparent statistisch erfasst wird, wie häufig und in welcher Form die Polizei in Deutschland Gewalt ausübt.
Defensive Einsatzplanung durch Stadionallianzen
Um die angespannte Situation im Fußball zwischen Polizei und Fans zu reduzieren, gehen manche Bundesländer jetzt mit einer defensiveren Einsatzplanung an den Start. So haben sich in Baden-Württemberg schon längst die so genannten Stadionallianzen etabliert. Das Ziel ist dabei, die Zahl der Einsatzkräfte bei einem Bundesligaspiel zu reduzieren und mit allen relevanten Sicherheitspartnern im Vorfeld eine für jedes Spiel angepasste Strategie zu vereinbaren. Seit 2017 konnten so zehntausende Polizei-Einsatzstunden eingespart werden. Eine Ersparnis von zwei Millionen Euro jährlich.
Laut dem dortigen Innenministerium verlaufen mehr als 80 Prozent der Spiele vollkommen störungsfrei und friedlich ab. Maximal zwei Prozent aller Spiele sind mit Vorkommnissen und Störungen bis hin zu Ausschreitungen betroffen. Im Zuge der Veröffentlichung der Studie fordert auch Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen für alle Fußball-Standorte generell eine defensivere Einsatzplanung: "In der Ausbildung und in Einsatztaktiken muss Deeskalation durch die Polizei mehr Beachtung finden als Eskalation!"
Die Stadionallianzen werden seit kurzem in vier Bundesländern umgesetzt. Ein erster Schritt, um Polizeigewalt gerade im Fußball zu reduzieren. Für die Wissenschaftler der Studie ist zudem Kommunikation der Schlüssel, um direkt deeskalieren zu können.