Kampagne "Sports Free" Coming-out-Initiative startet verhalten
Die Initiative "Sports Free" bietet eine Plattform für ein Gruppen-Coming-out im Profisport. Der heutige Start-Tag begann mit einer Fehlermeldung.
"Service Unavailable" - das bekam zu lesen, wer am frühen Freitagmorgen versuchte, die Webseite der Veranstalterorganisation Diversero zu öffnen. Wahrscheinlich hatte eine große Zahl an Zugriffen die Seite lahmgelegt, denn die Erwartungen an den 17. Mai waren groß.
Der frühere Fußball-Jugendnationalspieler Marcus Urban hatte die Aktion Sports Free ins Leben gerufen und den 17. Mai als erstes Angebot für ein Gruppen-Coming-out im Profifußball angekündigt. "Daran arbeite ich bereits seit vielen Jahren", sagte Urban Ende Dezember dem Nachrichtenportal "t-online". "Wir gehen mit der nötigen Geduld, Lockerheit und mit Spaß an die Sache heran. Klar ist: Es wird passieren."
"Die Spieler sind extrem vorsichtig"
Zuletzt dämpfte Urban die Erwartungen. "Aktive Profifußballer halten sich noch zurück", sagte er in einem Interview mit dem Stern. "Die Spieler sind extrem vorsichtig. Keiner traut sich aus der Deckung." Es herrsche "höchste Vorsicht".
Der 17. Mai sei auch nur ein Startschuss für die Kampagne. "Es soll in der Folge immer am 17. jeden Monats die Möglichkeit geben, sich auf der Plattform zu positionieren", sagte Urban.
Im Laufe des Freitagvormittags besserte sich die Erreichbarkeit der Webseite, aber Neues war dort zunächst nicht zu erfahren.
Hitzlsperger: "Die Idee hat viele Vorteile"
Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger sagte der Sportschau: "Ob heute und in den nächsten Tagen und Wochen noch etwas passieren wird, kann ich nicht vorhersagen, ich würde es jedoch sehr begrüßen. Ich würde mich darüber freuen, neue Geschichten zu hören und vor allen Dingen viele Unterstützer zu finden im Kampf gegen Diskriminierung und Homophobie."
Auf die Frage, ob ihm eine Initiative wie Sports Free zu seiner aktiven Profizeit geholfen hätte, sagte Hitzlsperger: "Die Idee und die Umsetzung eines Gruppen-Coming-outs hat bestimmt viele Vorteile. Als ich damals vor der Frage stand, mich öffentlich zu outen, hatte ich jedoch viel zu wenig Selbstvertrauen und Zutrauen zu den Kollegen aus der Mannschaft und der ganzen Branche. Ich bin diesen Weg alleine gegangen und habe dennoch viele positive Erfahrungen gesammelt."
Kritik am Datum
Der ereignisarme Start der Coming-out-Initiative war von Beobachtern vorhergesehen worden, zum Beispiel von Uwe Zühlsdorf vom schwul-lesbischen Fanklub Hertha Junxx. "Die Idee ist nicht schlecht. Aber so ein Tag, auf den alle hinfiebern, ein bestimmtes Datum, das funktioniert nicht."
Der Zeitpunkt sei ungünstig, weil es in der Schlussphase der Bundesligen für viele Mannschaften noch um viel gehe, sagte Zühlsdorf dem RBB. "Das wäre ein 'Nebenkriegsschauplatz‘, den man aufmacht. Es wird irgendwann kommen, aber dann vielleicht zu einer Zeit, wo keiner mit rechnet."
Noch kein offen homosexuell lebender Fußballprofi in Deutschland
Bisher gibt es in Deutschland noch keinen aktiven Profifußballer, der offen homosexuell lebt, auch weltweit gibt es nur wenige Beispiele. Für Zühlsdorf ist die Zeit in Deutschland mittlerweile jedoch reif für ein Coming-out, das sieht auch Andreas Stiene, der Organisator des Freizeitfußballturniers Come-Together-Cup in Köln, so.
Stiene sagte dem WDR aber auch: "Wenn ein aktiver Profifußballer sein Coming-out hat, muss es von ihm selbst kommen. Er sollte nicht dazu überredet werden, sondern er muss selbst davon überzeugt sein."
Unterstützung durch Bundesliga-Klubs und Fans
Die Initiative Sports Free erhält öffentliche Unterstützung, auch finanzieller Art, von Bundesligavereinen wie Borussia Dortmund, Union Berlin und SC Freiburg. Zudem sicherten bundesweite Fanorganisationen und lokale Fanklubs Profifußballern, die über ein Coming-out nachdenken, Rückendeckung zu.
Die Initiative "Wir an Eurer Seite" hat eine lange Unterzeichnerliste, in der allerdings viele große Ultragruppierungen noch fehlen. Das sieht Stiene, selbst Mitglied eines Fanklubs des 1. FC Köln, noch gelassen. "Sie brauchen vielleicht noch ein bisschen Zeit. Ich bin optimistisch, dass sich da noch etwas tut."
Statements von Urban, Zingler und Wehrle
Sports-Free-Initiator Urban wollte sich am Freitag nicht gegenüber Medien äußern, war aber Teil des veröffentlichten Videos und sagt darin: "Der 17. Mai, ein spannendes Datum. Wir haben uns gefragt, was könnte ein richtiges Datum sein für ein Gruppen-Coming-Out im Profifußball, Profisport. Es ist der letzte Bundesligaspieltag, die Europameisterschaft steht vor der Tür ..." Der 17. Mai ist zudem der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit.
Zu Wort kommt auch Dirk Zingler, Präsident von Erstligist Union Berlin: "Wenn es der Mut eines einzelnen nicht schafft, dann braucht es vielleicht den Mut einer Gruppe. Ich kann dieser Gruppe nur sagen: Seid mutig. Wer wen liebt, spielt zu 99 Prozent keine Rolle auf der Arbeit."
Dritter Protagonist ist Alexander Wehrle, der offen schwul lebende Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart. "Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ist es so, dass wir nur ein Leben haben. Und das müssen wir doch genießen."