Relegations-Hinspiel HSV total überfordert - Stuttgart fast schon durch
Fünf Jahre hat der Hamburger SV jetzt in der 2. Liga verbracht - es dürfte ein sechstes hinzukommen. Der Bundesliga-16. VfB Stuttgart ist nach dem Relegations-Hinspiel dank eines souveränen und eigentlich noch zu niedrigen 3:0 (1:0)-Erfolgs fast schon durch.
"Das ist schwer in Worte zu fassen. Das Team hat auf die Fresse bekommen, heute hat relativ wenig funktioniert", sagte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt, nachdem die Hamburger schon im Hinspiel fast alle Chancen auf die Rückkehr in die Bundesliga verspielt hatten. "Es widerspricht meinem Naturell, wenn ich irgendwas abschenke. Aber so eine Leistung, so ein Ergebnis macht das nicht einfacher. Das muss dann schon ein Wunder sein."
VfB-Trainer mahnt: Relegations-Rückspiel nicht vergessen
VfB-Coach Sebastian Hoeneß wollte noch keine Glückwünsche zum Klassenerhalt nach dem ersten Spiel der Relegation annehmen: "Wir sind uns klar, dass das nur der erste Schritt war. Es ist Halbzeitpause, und in der Halbzeit ist noch kein Spiel entschieden worden", sagte Hoeneß in einem euphorisch gestimmten Stuttgarter Stadion. "Es war ein super Auftakt. Wir haben jetzt eine gute Ausgangsposition und brauchen nochmal eine genauso gute Leistung am Montag."
"Wenn uns vor dem Spiel jemand gesagt hätte: 3:0. Dann hätten das wahrscheinlich alle genommen. Jetzt ärgern wir uns schon ein bisschen über die Chancenwertung", sagte VfB-Keeper Florian Müller am Sportschau-Mikrofon. "Der erste Schritt ist getan, jetzt heißt es: voller Fokus auf das zweite Spiel."
Stuttgarts Torschütze ohne HSV-Gegenspieler
Der in jeder Hinsicht überforderte Zweitligist HSV erlebte am Donnerstagabend (01.06.2023) einen Albtraum-Start in die Relegation: Nach nur 46 Sekunden lag der Ex-Erstliga-Dino in Rückstand.
Überraschend dabei: Nach einer Ecke von Borna Sosa fühlte sich niemand bei den Gästen für Konstantinos Mavropanos zuständig, der komplett unbedrängt aus zehn Metern einköpfen konnte.
Danach zog sich der Gastgeber zunächst etwas zurück und schien auf Konter setzen zu wollen. Doch nach zehn Minuten erhöhte Stuttgart den Druck im Mittelfeld - die Hamburger bekamen in dieser Phase vor allem ihre rechte Abwehrseite nicht dicht.
Harte Minuten für VfB-Stürmer Guirassy
Und auch im Zentrum blieb Hamburg extrem wacklig. In der 23. Minute schickte der Ex-Hamburger Josha Vagnoman seinen Kollegen Serhou Guirassy steil, die HSV-Kette war mit dieser flotten Kombination überfordert. Doch Guirassys Abschluss war kläglich: Aus 15 Metern schob er Daniel Heuer Fernandes den Ball rückpass-verdächtig in die Arme.
Für den VfB-Mittelstürmer wurden es harte Minuten. Kurz nach seiner Großchance durfte er sich vom Elfmeterpunkt versuchen, nachdem Ludovit Reis Enzo Millot im Strafraum bei einem weiteren missratenen Abwehrversuch getroffen hatte. Doch Guirassy hatte erneut nicht die Nerven und scheiterte mit einem halbgaren Schuss an Heuer Fernandes (27. Minute).
Heuer Fernandes bester Hamburger im Relegations-Hinspiel
Der HSV-Schlussmann war in dieser Phase nicht nur bei den Ballkontakten ganz weit vorne, er war auch generell bester Hamburger: In der 30. Minute lenkte er mit einer Wahnsinnsreaktion den nächsten Führich-Schuss von halblinks über das Tor.
Die beste Nachricht für die Hamburger am Ende der ersten Hälfte war, dass sie dank ihres Keepers überhaupt noch im Rennen um die Bundesligazugehörigkeit für die kommende Saison waren.
Doch der nächste Dämpfer folgte zügig: Fünf Minuten nach Wiederanpfiff kam die Deckung mal wieder bei einer schnellen Kombination über links nicht mit, Führich und der ebenfalls sehr starke Millot spielten brillant Vagnoman frei, der von halbrechts nur noch ins leere Tor vollenden musste.
Nächster VfB-Treffer nach einer Ecke
Aber nicht nur gegen das Passspiel der Stuttgarter blieben die Lerneffekte beim HSV aus, auch bei den defensiven Standards klappte die Zuordnung nicht: In der 55. Minute legte Guirassy das 3:0 nach. Wieder hatte Sosa eine Ecke hart ins Zentrum geschlagen, wieder waren die Abwehrspieler der Hamburger miserabel postiert.
Tim Walter nahm das auf der Hamburger Trainerbank konsterniert und kopfschüttelnd zur Kenntnis und hatte drei Minuten später erneut Grund zum Ärger: Diesmal war es eine vergebene Kopfballchance von Robert Glatzel aus kurzer Distanz, Bredlow-Vertreter Florian Müller im VfB-Tor hatte den Winkel hervorragend verkürzt.
Rote Karte für HSV-Spieler Suhonen
Schlimmer ging's nicht für den HSV? Tatsächlich doch. Nach einer Stunde nahm Walter den gelb-vorbelasteten Reis vom Feld und brachte Anssi Suhonen. Der kam aber nervlich offenbar mit der Drucksituation nicht klar und leistete sich nur neun Minuten später ein ebenso sinnloses wie brutales Foul: Mit gestrecktem Bein und den Stollen voraus stieg er Vagnoman auf den Oberschenkel - der sehr aufmerksame Schiedsrichter Tobias Welz zog sofort die Rote Karte.
Die Überprüfung dieser Szene am Monitor dürfte in der Geschichte des VAR zu den kürzesten gehören: Ein einziger Blick reichte Welz, um den Finnen noch einmal per Handbewegung vom Feld zu beordern. Beim Rückspiel am Montag wird Suhonen damit fehlen (20.45 Uhr, live im Ticker und in der Radio-Reportage bei der Sportschau).
HSV-Kapitän Schonlau - "Noch nicht abschreiben"
HSV-Trainer Tim Walter mag indes die Hoffnung noch nicht aufgeben: "Wir hatten uns viel mehr vorgenommen, aber heute war ein gebrauchter Tag, alles lief denkbar ungünstig. Meine Hoffnung ist jetzt der Volkspark."
"Es gibt weiterhin eine Chance", äußerte sich Hamburgs Kapitän Sebastian Schonlau gegenüber der Sportschau mit Blick auf das Rückspiel optimistischer. "Wir werden mit voller Energie ins Spiel am Montag gehen. Die Fans werden uns nach vorne treiben. Uns braucht man noch nicht abschreiben."