Teilverkauf von Man United Ratcliffe-Einstieg – Kompromiss mit Fragezeichen
Nachdem Scheich Jassim aus Katar sein Angebot zurückgezogen hat, dürfte der britische Milliardär Jim Ratcliffe Manchester United übernehmen – allerdings nur zu einem Viertel. Die unbeliebten Glazers hätten weiter die Kontrolle.
Mehr als elf Monate ist es her, dass die Fans von Manchester United Hoffnung fassten. Im vergangenen November verkündeten die bei großen Teilen des Anhangs verhassten Eigentümer, die US-amerikanischen Glazer-Geschwister, nach "strategischen Alternativen" für den Klub zu suchen – sie stellten den englischen Rekordmeister zum Verkauf.
Für das Publikum war das eine frohe Botschaft. Es macht die Besitzer verantwortlich für den Niedergang des Klubs, insbesondere seit dem Abschied von Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson vor zehn Jahren, und wirft ihnen vor, sich an dem Verein zu bereichern. Mehr als eine Milliarde Euro haben die Glazers seit ihrem Einstieg 2005 angeblich aus dem Klub gezogen, unter anderem durch die Auszahlung von Dividenden. Die Ankündigung vor elf Monaten sahen viele Fans als Beginn des letzten Kapitels der Glazers im Old Trafford.
Angebot aus Katar zurückgezogen
Mittlerweile haben sich erhebliche Zweifel daran angehäuft, dass die Eigentümer den Verein tatsächlich verkaufen wollen. Die Chance dazu hätten sie gehabt. Jassim bin Hamad al-Thani, Scheich aus Katar und Bruder des dort herrschenden Emirs, hatte umgerechnet fast sechs Milliarden Euro für Manchester United geboten – in etwa das Doppelte des geschätzten Marktwerts des Klubs. Offenbar frustriert über die zähen Verhandlungen zog er sein Angebot allerdings kürzlich zurück. Übrig geblieben ist als Interessent Sir Jim Ratcliffe, laut "Sunday Times Rich List" mit einem Vermögen von umgerechnet mehr als 34 Milliarden Euro zweitreichster Brite.
Ratcliffe ist Gründer und Vorstandschef des Chemie-Riesen Ineos, kommt aus dem Großraum Manchester und stilisiert sich als United-Fan seit Kindheitstagen. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, im Mai 2022 einen Versuch zum Kauf des FC Chelsea zu unternehmen – ohne Erfolg. Bei Manchester United hat er bessere Chancen, allerdings sieht sein Angebot nur eine Minderheitsbeteiligung vor. Für rund 1,5 Milliarden Euro würde er 25 Prozent des Klubs kaufen. Die Mehrheit hätten weiter die Glazers.
Kommt aus dem Großraum Manchester: Sir Jim Ratcliffe.
Aus neutraler Perspektive mag es positiv erscheinen, dass eine der bekanntesten Fußball-Marken der Welt nicht in katarischen Besitz übergeht und damit zum Sportswashing-Werkzeug wird, doch für viele Fans ist der potenzielle Ein-Viertel-Verkauf an Jim Ratcliffe nur die zweitbeste Variante. Auch Fachleute sind skeptisch. Das Portal "The Athletic" zum Beispiel schreibt von einem "enttäuschenden Kompromiss für einen Verein, der so offensichtlich neue Ambitionen, neue Visionen, neues Investment und neue Energie" benötigen würde.
Größter Problemfall im Weltfußball
Sollte Ratcliffe den Zuschlag erhalten, würde er die sportliche Kontrolle bei Manchester United übernehmen, während die Glazers weiter die geschäftliche Seite verwalten würden. Wie viel Einfluss Ratcliffe in diesem Szenario tatsächlich ausüben könnte, ist unklar. Und überhaupt: Öb er der richtige Mann ist, um den wohl größten Problemfall im Weltfußball wieder auf Kurs zu bringen, müsste sich erst noch zeigen. 2017 kaufte er den FC Lausanne-Sport, 2019 den OGC Nizza – die Bilanz beider Klubs seitdem ist durchwachsen.
Der mögliche Ratcliffe-Einstieg bei Manchester United wird begleitet von vielen Unklarheiten (Ex-Profi Gary Neville formulierte bei X, ehemals Twitter, sogar einen Katalog mit 16 Fragen). Bei einem Besuch des Klubs im März soll sich Ratcliffe kritisch über die Transfers der jüngeren Vergangenheit geäußert haben, konkret über die Verpflichtung des schon 30 Jahre alten Casemiro im vergangenen Jahr für 70 Millionen Euro inklusive eines Vier-Jahres-Vertrags. Das sind keine guten Zeichen für die Zukunft von Geschäftsführer Richard Arnold und Fußball-Direktor John Murtough.
Old Trafford muss modernisiert werden
Auch die Position von Trainer Erik ten Hag könnte zur Debatte stehen. Nachdem die erste Saison des Niederländers als Erfolg gewertet wurde, läuft die aktuelle Spielzeit schleppend. In der Premier League ist Manchester United nur Achter, in der Champions League muss nach Niederlagen gegen den FC Bayern und Galatasaray unbedingt ein Sieg her im dritten Gruppenspiel gegen den FC Kopenhagen an diesem Dienstag. Auch in der Außendarstellung gibt ten Hag aktuell kein gutes Bild ab.
Unklar ist auch, was Ratcliffes Einstieg für die dringend benötigte Modernisierung des Old Trafford bedeuten würde. Während die nationale Konkurrenz in den vergangenen Jahren entweder komplett neue Stadien gebaut (FC Arsenal, Tottenham Hotspur) oder die aktuellen Spielstätten erweitert hat (Manchester City, FC Liverpool), befindet sich Manchester Uniteds Heimat praktisch immer noch in jenem Zustand, in dem die Glazers sie 2005 vorgefunden haben. Unter anderem deshalb fehlt das Old Trafford auf der Liste der Spielstätten der EM 2028 in England, Schottland, Wales, Nordirland und Irland.
Als sicher gilt nur, dass Jim Ratcliffe sich nicht mit einem Viertel von Manchester United zufrieden geben, sondern versuchen wird, seine Anteile stetig zu vergrößern – bis ihm irgendwann die Mehrheit gehört. Die Fans versuchen deshalb, die jüngsten Entwicklungen positiv zu sehen. Andy Green, Vertreter des Manchester United Supporters' Trust, sagte der BBC: Wenn Ratcliffes Einstieg "der Anfang vom Ende" für die Glazers sei, "dann ist eine Veränderung in Sicht – und das muss eine gute Sache sein". Elf Monate, nachdem die aktuellen Eigentümer die Suche nach Käufern begonnen haben, müsse die Ungewissheit "zu einem Ende kommen", fordert Green. Dieser Wunsch dürfte sich allerdings so schnell nicht erfüllen.