DFB-Team Stabile Defensive als Schlüssel auf dem Weg zum EM-Titel
Seit acht Jahren wartet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf ein Spiel ohne Gegentor bei einem großen Turnier. Die Geschichte zeigt, dass eine starke Defensive der Schlüssel für einen Titelgewinn ist. Ein deutsches Problem der vergangenen Jahre: die schlechte Absicherung gegen Konter.
Manuel Neuer ist 38 Jahre alt, damit der älteste Spieler im Kader der deutschen Nationalmannschaft, zwei Jahre älter sogar als Bundestrainer Julian Nagelsmann. Er gilt weiterhin als einer der besten Torhüter der Welt, seit 19 Monaten ist er inzwischen ohne Gegentreffer im Nationaltrikot.
Allerdings hatte er auch keine Gelegenheit, eines zu kassieren, denn sein 117. und bislang letztes Länderspiel bestritt Neuer am 1. Dezember 2022. An jenem Tag gewann Deutschland gegen Costa Rica, schied aber trotzdem nach der Gruppenphase der Weltmeisterschaft aus.
Eine Woche nach der Rückkehr brach Neuer sich beim Skifahren den Unterschenkel, fiel gut zehn Monate aus. Für die Länderspiele im November 2023 gegen die Türkei und Österreich war er noch nicht bereit, für die im März 2024 in Frankreich und gegen die Niederlande fiel er wegen eines kurz zuvor erlittenen Muskelfaserrisses aus.
Manuel Neuers Rekordmarken
Ins Trainingslager vor der EM reiste er wegen eines Magen-Darm-Infekts mit Verspätung an, aber inzwischen scheint er wieder bei bester Gesundheit zu sein. Am Samstag (01.06.2024) stand er beim ersten Training in Herzogenaurach auf dem Platz, am Montag dürfte er in Nürnberg gegen die Ukraine spielen.
Manuel Neuer kassierte als Torwart der Nationalmannschaft 113 Tore, also im Schnitt weniger als eines pro Spiel. In 48 Spielen gegen Neuer blieb der Gegner ohne Tor, das ist eine von vielen seiner Rekordmarken. Allerdings gibt es auch eine Statistik, die nicht nur den sehr ehrgeizigen Münchner ärgern dürfte, sondern die unter anderem ursächlich war für das frühe Scheitern bei den vergangenen drei Welt- und Europameisterschaften.
Deutschland blieb zuletzt 2016 ohne Gegentor in einem Turnier
Das Achtelfinale bei der EM 2016, das Deutschland mit 3:0 gegen die Slowakei gewann, war das letzte Turnierspiel ohne Gegentor. In den folgenden zwölf Partien, in denen Neuer jeweils im Tor stand, war es mindestens eines, insgesamt 19, also mehr als 1,5 im Schnitt.
Gerade in Katar sah Manuel Neuer bei einigen Treffern schlecht aus, aber die wesentlichen Probleme lagen in den vergangenen Jahren in anderen Bereichen. Die Absicherung gegen Konter war häufig mangelhaft. So gelang Mexiko nach einem schnellen Angriff gegen schlecht gesicherte Deutsche der Siegtreffer zum 1:0 im ersten Spiel der Weltmeisterschaft 2018. In der Zeit unter Bundestrainer Hansi Flick erzielten die Gegner jedes fünfte Tor nach einem Konter. Beim 0:2 in Österreich unter Nagelsmann war es auch ein Konter nach leichtem Ballverlust, der die Niederlage einleitete.
Andrich als "Worker" im DFB-Team neben Kroos
Nach dem Spiel sinnierte der Bundestrainer, angelehnt an eine Aussage des ehemaligen Freiburger Trainers Christian Streich, dass die deutsche Mannschaft vielleicht mehr "Worker" brauche als Künstler. Das war auf die Einstellung aller Spieler bezogen, aber auch speziell auf die Abteilung, die in der sogenannten Restverteidigung große Verantwortung trägt.
Nagelsmann wählte daher Robert Andrich aus, um an der Seite des Rückkehrers Toni Kroos zu "worken". Gleich im ersten Spiel blieb das Duo aus dem zentralen Mittelfeld - mit Marc-André ter Stegen im Tor - beim 2:0 in Frankreich ohne Gegentreffer. Ein paar Tage später wurde die Niederlande mit 2:1 besiegt.
"Robert hat sich mit Toni sehr gut ergänzt. Das hat in den vergangenen beiden Spielen sehr gut funktioniert", sagte Joshua Kimmich am Samstag in Herzogenaurach. Der Profi des FC Bayern fügte hinzu, dass es auch ihn ein bisschen störe, dass Andrich zu sehr auf die Rolle als Kroos‘ rustikaler Leibwächter reduziert werde: "Robert bringt auch schon spielerische Qualitäten mit."
Augenmerk liegt auf der Defensive
In Herzogenaurach geht es nun mit dem bald dann auch vollständigen Kader darum, die Abläufe zu verfeinern. Die Gegner in den Testspielen und den Gruppenspielen werden vermutlich ihr Augenmerk auf die Defensive legen, Deutschland dementsprechend gezwungen sein, Räume freizuspielen und sich dabei so zu positionieren, dass sich dem Gegner auch nach Ballverlusten noch genug Gegner in den Weg stellen.
Seitdem der Modus einer Europameisterschaft 1980 in ein Finalturnier mit Gruppenphase geändert wurde, gewann keine Mannschaft den Titel, ohne mindestens ein Spiel ohne Gegentor bestritten zu haben. Gleiches gilt für Weltmeisterschaften in dem Zeitraum.
In Brasilien blieb Deutschland auf dem Weg zum Weltpokal in vier von sieben Spielen ohne Gegentreffer - mit Manuel Neuer im Tor.