Pläne beim DFB Andreas Rettig will Rudi Völler behalten
Der traditionelle Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist das Stelldichein der Fußball-Prominenz in Deutschland. Am Dienstag (16.01.2024) kommt erstmals im Frankfurter Palmengarten alles zusammen, was Rang und Namen hat.
Natürlich ist auch ein Netzwerker wie Andreas Rettig zugegen, der mittlerweile wie kaum ein anderer die Brücken zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), der DFL und den Vereinen schlagen kann. Er hat ja nicht nur Erfahrungen aus der Tätigkeit in so unterschiedlichen Klubs wie Bayer Leverkusen, FC Augsburg, SC Freiburg oder FC St. Pauli vorzuweisen, sondern kennt aus dem Blickwinkel eines Geschäftsführers sowohl die DFL wie auch den DFB.
Der sportliche Bereich beim DFB ist seit Anfang des Jahres komplett
Die Entscheidung von DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Rettig als Leiter des sportlichen Bereichs zu installieren, galt im vergangenen Jahr als große Überraschung. Gerade die Liga wirkte teilweise stark irritiert, weil der Chefkritiker der kommerziellen Auswüchse des Profifußballs plötzlich mit Verantwortung betraut war. Doch seitdem gibt sich der 60-Jährige deutlich handzahmer.
Vielleicht auch, weil er erst einmal genug damit zu tun hatte, seinen Arbeitsbereich neu aufzustellen. Erst mit der Vorstellung von Nia Künzer als Sportdirektorin der Frauen am vergangenen Donnerstag ist der "Transformationsprozess" (Neuendorf) abgeschlossen. Interessant nun, dass sich Rettig vorstellen kann, mit Rudi Völler das Pendant bei den Männern über den Sommer zu halten.
Rudi Völler soll über den Sommer hinaus bleiben
"Ich halte Rudi tatsächlich für einen Glücksfall. Ich habe jahrelang bei Bayer Leverkusen Tür an Tür mit ihm gearbeitet und vertraue ihm. Wir haben verabredet, uns zusammenzusetzen und über seine Pläne zu reden", verriet Rettig im Fachmagazin "Kicker". Eigentlich hatte der 63-Jährige stets betont, dass mit der Heim-EM seine zweite Rettermission in Diensten des DFB beendet ist. Doch der neue Geschäftsführer will Völler offensichtlich nicht so schnell hergeben. Der öffentliche Vorstoß kommt sicher mit Kalkül.
Denn das Lob wird "Tante Käthe", der bekanntermaßen gerne überredet wird, um unvermittelt den Nothelfer zu mimen, gefallen. Die früheren Scharmützel mit Rettig, den er sogar mal als "Schweinchen Schlau" abkanzelte, sind längst vergessen. Immer wieder sind die beiden bei Terminen der deutschen Nationalmannschaft auf dem DFB-Campus im vertrauten Gespräch zu beobachten.
Julian Nagelsmann darf im März wieder verlieren
Insofern dürfte sich Rettig jetzt auch zur Personalie des Bundestrainers abgestimmt geäußert haben. So habe Julian Nagelsmann auch bei weiteren Niederlagen in den Länderspielen gegen Vize-Weltmeister Frankreich in Lyon (23. März) und die Niederlande in Frankfurt (26. März) "nichts zu befürchten".
Begründung: "Ich habe die ersten Länderspiele unter Julian auf der USA-Reise miterlebt, war nach Rücksprache mit ihm auch bei den Mannschaftssitzungen dabei. Dabei hat mich Julian erstens nicht überfrachtet, und zweitens hat er eine unglaublich positive und begeisterungsfähige Art."
Außerdem lasse Nagelsmann die Nähe von Völler zu und sei bereit zu reflektieren, ohne seinen eigenen Weg zu verlieren. "Das gibt uns allen ungeachtet vom Spielausgang ein gutes Gefühl." Rettig verteidigte auch die Entscheidung, gegen zwei solch starke Gegner zu spielen. "Wenn du gegen Gibraltar oder Malta gewinnst, bewirkt das nichts. Aber 100 Tage vor der EM einen der beiden Top-Gegner zu schlagen, kann etwas auslösen."
Es soll keine Doku von der Heim-EM geben
Interessant, dass der gerne für Transparenz und Offenheit werbende DFB-Macher nicht noch mal eine Dokumentation wie den Streifen "All or nothing" zur vermasselten WM 2022 in Katar gestatten würde, bei der der Verband nicht bestimmen kann, welche Bilder später ausgestrahlt werden.
"Können wir nicht entscheiden, was gezeigt wird und was nicht, machen wir es nicht." Deshalb habe er in Absprache mit Völler und der Mannschaft eine erneute Doku zur Heim-EM abgelehnt. Es hätten durchaus attraktive Angebote auf dem Tisch gelegen.
Posten von Tobias Haupt und Joti Chatzialexiou werden nicht mehr besetzt
Seinen Arbeitsbereich hat Rettig fast unbemerkt, aber doch recht zügig von den Vertrauten seines Vorgängers Oliver Bierhoff befreit. Mit Meikel Schönweitz arbeitet der frühere Leiter der U-Nationalmannschaften längst beim Bundesligisten 1. FSV Mainz 05. Im vergangenen Monat trennte sich der DFB erst vom Akademieleiter Tobias Haupt, dann vom sportlichen Leiter Joti Chatzialexiou, der als letzte Dienstreise Anfang Dezember mit der Frauen-Nationalelf zum Nations-League-Auswärtsspiel nach Wales geflogen war.
Beide hatten unter Rettig erkennbar an Einfluss einbüßt, ihre früheren Funktionen tauchen in der neuen Struktur nicht mehr auf, folglich werden beide Posten nicht mehr nachbesetzt, wie der Geschäftsführer bestätigte. Insbesondere den 20 Jahre lang für den DFB arbeitenden Chatzialexiou hätte Rettig angeblich sogar gerne behalten: "Wir haben Joti auch innerhalb der neuen Struktur ein konkretes Angebot mit Personalverantwortung für 70 Mitarbeitende gemacht. Es war seine Entscheidung, dass er sich darin nicht wiederfand."
Seitenhieb auf zu viel "Silicon Valley"
Fakt ist auch, dass es einen solchen Job mit übergreifender Zuständigkeit für die Nationalteams unter dem DFB-Dach nun gar nicht gibt. Und angeblich braucht es auch keinen Leiter der Akademie mehr. Deren Abteilungsleiter für Trainer- und Fußballentwicklung sowie Talentförderung sind neuerdings unterhalb der Nachwuchsdirektion angesiedelt.
Mit Seitenhieb auf zu viel wissenschaftlichen Einfluss merkte Rettig an, man wolle künftig "ein bisschen mehr Rhein-Main und weniger Silicon Valley sein". Bedeutet auch: Reisen zu großen Konzernen und Klubs in den USA mit den Liga-Managern wie in der Bierhoff-Ära wird der Verband künftig kaum mehr veranstalten. Sicherlich auch eine Konsequenz aus dem Spardiktat, das sich nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Jahre 2014 und 2015 durch das Finanzamt Frankfurt ergibt.