Streit um Polizeikosten Ein Länderspiel in Bremen als Signal der Annäherung?
Wegen des Streits um Polizeikosten bei Hochrisikospielen in der Bundesliga hat die Nationalmannschaft seit 2012 nicht mehr in Bremen gastiert. Nun deutet vieles darauf hin, dass das DFB-Team dorthin zurückkehrt. Hat das auch Einfluss auf den Streit?
Am Freitag (27.01.2023) veröffentlichte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die ersten Länderspieltermine für 2023: Die Nationalmannschaft trifft am 25. März in Mainz auf Peru, drei Tage später geht es in Köln gegen Belgien. Weitere Termine und Orte wurden, anders als erwartet, zunächst nicht genannt. In einigen Fällen sind wohl noch Vertragsdetails mit den Stadion-Betreibern zu klären.
Überraschend ist, dass beim DFB offenbar auch über ein Länderpiel im Bremer Weserstadion gesprochen wird. Denn ein Auftritt des DFB-Teams in Bremen gab es zuletzt beim 1:2 gegen Frankreich am 29. Februar 2012. Eine für den 14. November 2014 geplante Partie gegen Gibraltar wurde der Stadt kurzerhand entzogen.
Langer Rechtsstreit um Polizeikosten
Grund dafür war der Streit um Kosten für Polizeieinsätze rund um Hochrisikospiele in der Bundesliga. Das Land Bremen, angeführt von Innensenator Mäurer, forderte von der DFL, für die Mehrausgaben im Vergleich zu "normalen" Bundesligapartien aufzukommen.
Es folgte ein langer Rechtsstreit, in dem das Bundesverwaltungsgericht im März 2019 das Bremer Vorgehen in letzter Instanz als rechtens einstufte. Mittlerweile beschäftigt der Fall sogar das Bundesverfassungsgericht. Die Liga hat in Karlsruhe wegen der Gebührenbescheide aus Bremen Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Geheimtreffen zwischen Neuendorf und Mäurer
Der DFB, an der Auseinandersetzung gar nicht direkt beteiligt, stand in der Sache stets fest an der Seite der Liga. Mit dieser Nibelungentreue scheint es nun aber vorbei zu sein. Nach Informationen des WDR-Magazins Sport inside gab es bereits am 27. Oktober 2022 ein vertrauliches Treffen zwischen DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Bremens Innensenator Ulrich Mäurer. Die Pressestelle der Bremer Senats-Innenverwaltung bestätigte das Treffen, wollte jedoch keine Angaben zum Inhalt des Gesprächs machen. Man habe Stillschweigen vereinbart.
Die Initiative für das Gespräch, heißt es, sei von Neuendorf ausgegangen. Der DFB-Präsident steuert damit einen anderen Kurs als seine Vorgänger. Im Sommer 2020 teilte der DFB auf Anfrage der Frankfurter Rundschau mit, es sei "unveränderte Position des gesamten DFB-Präsidiums, dass keine Länderspiele in ein Bundesland vergeben werden, in dem Streit um die Rückerstattung von Polizeikosten droht". Noch im vergangenen Jahr ließ der DFB eine Anfrage von Sport inside, ob sich an dieser Sichtweise mittlerweile etwas geändert habe, unbeantwortet – das war noch vor der Wahl Neuendorfs im März.
DFL zahlte bislang insgesamt 1,95 Millionen
Die Bremer Innenbehörde verschickt seit 2015 Gebührenbescheide für die Mehrkosten bei Hochrisikospielen an die DFL, bei denen statt der üblichen 250 bis 350 Polizeibeamten über 1.000 Kräfte im Einsatz sind. Dies waren Bremer Heimspiele gegen den Hamburger SV, Hansa Rostock, Hannover 96, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt, bei denen die Gefahrenlage von der Polizei als sehr hoch eingeschätzt wurde.
Nach aktuellen Unterlagen, die Sport inside vorliegen, wurden der DFL bisher Gebühren in Höhe von insgesamt 2,67 Millionen Euro in Rechnung gestellt - im Durchschnitt 334.000 Euro pro Hochrisikopartie. Die DFL hat davon bisher 1,95 Millionen Euro an das Land Bremen überwiesen - aber stets betont, dies unter Vorbehalt zu tun. So lange, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde der Liga entschieden hat. Die letzte Zahlung über 449.000 Euro leistete die DFL erst am 21. Dezember 2022. Für zwei Bescheide stehen die Zahlungen noch aus.
Neuendorf und Mäurer verstehen sich gut
Dass der DFB nun seine Haltung aufgibt und erwägt, erstmals wieder ein Länderspiel nach Bremen zu vergeben, darf als Zeichen der Annäherung verstanden werden. Neuendorf soll massiv gestört haben, dass der Konflikt zwischen der DFL und dem Land Bremen derart verfahren ist.
Geholfen hat dabei wohl auch, dass Neuendorf lange Jahre als Politiker für die SPD aktiv war, unter anderem als Staatssekretär im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport in Nordrhein-Westfalen. Die beiden Genossen hätten sich bei ihrem Treffen im Oktober sehr gut verstanden und sofort geduzt, heißt es.
In Bremen hoffen sie nun, dass die Annäherung seitens des DFB nun auch ein Umdenken bei der DFL auslösen könnte. Ein DFL-Sprecher betonte jedoch noch am vergangenen Freitag gegenüber dem Hessischen Rundfunk, dass sich an der Haltung des Verbandes aktuell nichts geändert habe: "Die Ansicht der DFL zu dieser Thematik ist bekannt."
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht 2019 die Bremer Sichtweise bestätigt hatte, hatte Mäurer versucht, eine Regelung mit der DFL zu finden. Gespräche mit den Vorstandschefs Christian Seifert und seiner inzwischen abgesetzten Nachfolgerin Donata Hopfen verliefen jedoch fruchtlos.
Mäurer schwebt Fondslösung vor
Bei der DFL sind nun die Interims-Geschäftsführer Axel Hellmann und Oliver Leki tätig. Eine Kontaktaufnahme, so heißt es auf Anfrage von Sport inside aus dem Büro des Bremer Innensenators, sei jedoch aktuell nicht geplant: "Wir warten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ob es den Fall annimmt und bearbeitet oder die Verfassungsbeschwerde ohne inhaltliche Befassung aussortiert."
Von Letzterem geht Ulrich Mäurer fest aus - dann wolle er sofort mit der DFL sprechen. Ihm schwebt nach wie vor eine unbürokratische Fondslösung vor: Statt einzelner Gebührenbescheide würde die DFL 30 Millionen Euro in einen Topf zahlen, der unter den von Hochrisikospielen betroffenen Ländern aufgeteilt würde.