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Derby in der Süper Lig Fenerbahçe gegen Galatasaray – "Mehr als ein Spiel"

Stand: 19.09.2024 11:50 Uhr

Am Samstag empfängt Fenerbahçe Istanbul den Stadtrivalen Galatasaray. Tuncay Özdamar von WDR Cosmo über die Bedeutung des Spiels, Fans in der Türkei und die bemitleidesnwerte Rolle der Schiedsrichter.

Von Christian Steigels

Am Samstag (19 Uhr) empfängt Fenerbahçe Istanbul den Stadtrivalen Galatasaray. Tuncay Özdamar ist Leiter der türkischen Redaktion von WDR Cosmo und beobachtet die Süper Lig intensiv. Im Interview spricht er über die Bedeutung des Spiels, Fans in der Türkei und die bemitleidesnwerte Rolle der Schiedsrichter.

Sportschau: Am Wochenende steht das erste Derby der Saison in der Türkei an, Fenerbahçe gegen Galatasaray. Was ist Ihnen als Galatasaray-Fan wichtiger? Meister zu werden oder zwei Mal Fenerbahçe zu schlagen?

Tuncay Özdamar: Das ist tatsächlich eine schwierige Frage. Rational würde ich sagen: Galatasaray verliert das Derby, und wird Meister. Aber mein Herz sagt natürlich: Galatasaray muss das Derby gewinnen. Eine Niederlage gegen Fenerbahçe ist nicht irgendeine Niederlage, das erschüttert Fans, Verein und Umfeld, die Wunde bleibt. Umgekehrt kann einen das Momentum des Derbysiegs durch die ganze Saison tragen.

Wenn wir als Kinder auf der Straße gespielt haben, haben wir Galatasaray gegen Fenerbahçe gespielt. Das ist auch heute noch so.

Sportschau: Ich sehe schon, das Derby ist eine ernste Angelegenheit.

Özdamar: Ich habe lange in der Türkei gelebt, habe auch viele Derbys im Stadion gesehen. Das Derby zwischen Fenerbahçe und Galatasaray ist das Derby, das Spiel der Saison. Es ist mehr als ein Spiel. Das liegt auch daran, dass das Fantum in der Türkei anders ist als in Deutschland. In Deutschland ist ein Bremer Fan von Werder Bremen, ein Kölner ist Fan des 1. FC Köln. Das gibt es in der Türkei nicht. In der Türkei sind die Menschen Fan einer Istanbuler Mannschaft, auch im entferntesten Dorf an der syrischen oder iranischen Grenze. Wenn der Verein in ihrer Stadt oder Provinz Glück hat, wird er auch unterstützt. Ich komme aus Kayseri, die haben auch einen Erstligaklub, aber ich habe keine Verbindung zu Kayserispor. Ich bin von Kind an Galatasaray-Fan. Wenn wir als Kinder auf der Straße gespielt haben, haben wir Galatasaray gegen Fenerbahçe gespielt. Das ist auch heute noch so.

Sportschau: In deutschen Städten mit großer türkischer Community wie Berlin, Hamburg, Köln oder Duisburg merkt man auf den Straßen und den türkischen Cafes, wenn ein Istanbul-Derby stattfindet ...

Özdamar: … nicht nur dort, das merkt man auch bei uns in der Redaktion. Mein Moderator in dieser Woche ist Fenerbahçe-Fan. Wenn der hier morgens rein kommt, dann sagt er nicht "Guten Morgen", sondern irgendetwas über das Derby, irgendeinen Seitenhieb.

Menschen in der Türkei können heute im öffentlichen Raum nicht über Politik reden, das ist tabu. Über Fußball kannst du mit jedem reden.

Sportschau: Worauf ich hinaus wollte: Was ist dann erst los in der Türkei, wenn das Istanbul-Derby läuft?

Özdamar: In den Tagen vor dem Derby gibt es kein anderes Thema, man vergisst für ein paar Tage alles andere. Die Zeitungen steigern ihre Auflage rund um das Derby, bei Youtube und Instagram ist sowieso alles voll davon. Das hat in den vergangenen Jahren noch zugenommen, weil die Politik seit den Gezi-Protesten immer autoritärer wurde. Menschen in der Türkei können heute im öffentlichen Raum nicht über Politik reden, das ist tabu. Über Fußball kannst du mit jedem reden. Das ist noch mal wichtiger geworden.

Galatasaray Fans

Sportschau: In Erinnerung geblieben aus der vergangenen Süper-Lig-Saison sind vor allem negative Begleiterscheinungen wie die tätlichen Übergriffe gegen Schiedsrichter. Sind die in dieser Saison besser geschützt?

Özdamar: Ich befürchte nicht. Der Verband hat zwar versprochen, die Schiedsrichter besser zu schützen. Aber der Verband hat wenig Macht im Vergleich zu den großen drei Istanbuler Klubs und Trabzonspor. Wenn ein Präsident wie Ali Koç von Fenerbahçe wie in der vergangenen Saison sagt, dass die Schiedsrichter Fenerbahçe benachteiligen und man sie verfolgen müsse und dann ein paar Wochen später ein Schiedsrichter in Ankara mitten auf dem Platz mit einem Faustschlag niedergestreckt wird, dann kann der Verband nur zusehen. Der Schiedsrichter ist leider die ärmste Sau des türkischen Fußballs. Auch in dieser Saison werden sie zu den Sündenböcken erklärt werden. Das ist schade, ebenso wie die Tatsache, dass durch den Fokus auf die negativen Schlagzeilen der sportliche Wert der türkischen Liga keine Rolle spielt.

Sportschau: Wo würden Sie die Süper Lig im Vergleich zu den großen europäischen Ligen sehen?

Özdamar: England, Spanien, Deutschland und Italien lassen wir mal beiseite. Aber mit der französischen, portugiesischen oder niederländischen Liga kann die Süper Lig alle Male mithalten. Es gibt ein paar wirklich spannende Neuzugänge: Allen voran hat Galatasaray Victor Osimhen geholt, der ist 100 Millionen Euro wert und mit 25 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er ist wahrscheinlich der beste Spieler, der jemals in diesem Alter in die Türkei gekommen ist. Fenerbahçe hat Sofyan Amrabat von Manchester United verpflichtet, Beşiktaş Rafa Silva von Benfica Lissabon. Mein Geheimtipp ist Gabriel Sara. Der kam von Norwich aus der zweiten englischen Liga zu Galatasaray, ein Spieler wie Granit Xhaka.

Sportschau: Zurück zum Derby: Wie werden Sie das Spiel schauen?

Özdamar: Ich schaue das Spiel mit meinem Sohn an. Der lebt in München, ich in Köln. Wir machen Facetime, und dann schauen wir das Spiel gemeinsam. Und ich bin während des Spiels natürlich nicht erreichbar. Ich habe schon Wochen vorher meine Frau vorbereitet, dass ich dann keine Zeit habe. Nach dem Spiel können wir gerne gemeinsam kochen oder essen gehen. Vielleicht, je nach meiner Laune.

Das Derby zwischen Fenerbahçe und Galatasaray Istanbul ist das weltweit einzige "interkontinentale" Derby“ - Fenerbahçe ist im asiatischen Teil Istanbuls beheimatet, Galatasaray im europäischen. Das erste Derby fand 1909 statt. In direkten Duellen hat Fenerbahçe die Nase vorn, dafür hat Galatasaray mehr Süper-Lig-Titel (24, Fenerbahçe hat 19). Fun Fact: Bis 1934 waren beide Teams befreundet, schickten gegen ausländische Mannschaften eine gemeinsame Auswahl aufs Feld.