Diskussion um Kinderfußball Neuendorf über Watzke: "Aussagen haben mich überrascht"
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat mit Befremden auf die Aussagen von DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke zur Nachwuchsreform im deutschen Fußball reagiert.
"Diese Aussagen haben mich überrascht", sagte Neuendorf einer Mitteilung des DFB zufolge: "Denn die neuen Spielformen im Kinderfußball wurden 2022 nach einer mehrjährigen Pilotphase unter enger Einbeziehung der DFL vom DFB-Bundestag in Bonn einstimmig beschlossen. Die Profi-Klubs haben der Reform also ausdrücklich zugestimmt."
Hans-Joachim Watzke ist Geschäftsführer von Bundesligist Borussia Dortmund. Als DFL-Aufsichtsratschef besetzt er automatisch den Posten eines 1. DFB-Vizepräsidenten. "Es gab vor der Entscheidung des Bundestages nicht einmal den Wunsch nach einer Aussprache", so Neuendorf.
Reform der Reform beschlossen? DFB und Neuendorf widersprechen Watzke
Watzke hatte die Reform als "unfassbar und für mich nicht nachvollziehbar" bezeichnet. Auf die Frage, ob es eine Reform der Reform brauche, sagte Watzke auf einem Unternehmertag in Essen: "Ja. Und das haben wir gerade beschlossen." Später stellte der DFB auf Sportschau-Anfrage klar, dass es keinen neuen Beschluss gebe.
Der neue DFB-Sportdirektor Hannes Wolf solle "versuchen, uns in den nächsten ein, zwei Jahren Handlungsalternativen aufzuzeigen", so Watzke. Neuendorf sagte in seiner Mitteilung dagegen: Unser neuer Direktor für Nachwuchs, Training und Entwicklung, Hannes Wolf, wird gemeinsam mit den Landesverbänden, die Menschen von der Richtigkeit unseres Weges überzeugen. Wir sollten daher unsere eigenen Beschlüsse ernst nehmen und das, was viele Fachleute ausdrücklich befürworten, jetzt auch umsetzen."
Watzke: Kinder müssen das Verlieren lernen
Der DFB will ab 2024 bundesweit neue Spielformen im Nachwuchsbereich umsetzen, um Leistungsdruck zu minimieren und die sportliche Entwicklung der Kinder in den Vordergrund zu rücken. Von der U6 (Bambinis) bis zur U11 (E-Jugend) soll es der klassische Ligabetrieb mit Vereinsduellen meist im 7 gegen 7 durch sogenannte Festivals mit kleineren Teams und mehreren Feldern ersetzt werden. Die Kleinsten spielen überwiegend auf vier Minitore, mit zunehmendem Alter vermehrt auch auf zwei Jugendtore.
DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke
Watzke kritisierte einen angeblichen Wegfall von Gewinnen und Verlieren: "Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es ist, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen." Auch Ralf Rangnick, Steffen Baumgart oder Dietmar Hamann hatten die Reform kritisiert.
Politik übernimmt falsche Schlussfolgerung
Die Annahme, dass bei den neuen Spielformen erzielte oder kassierte Tore nicht zählen oder Sieg und Niederlage abgeschafft werden sollen, ist mittlerweile in der Bundespolitik angekommen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mahnte in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner, zum Zustand der deutschen Gesellschaft an: "Der DFB denkt darüber nach, dass Tore nicht mehr zählen."
Die Reform: Tore zählen, Kinder können Spiele verlieren
Allerdings sieht die Reform das gar nicht vor. Zwar wird es keine Tabellen geben, doch Tore zählen und sie führen zu Siegen und Niederlagen. Wer verliert, rückt auf das nächste Spielfeld in die eine Richtung. Wer gewinnt, wechselt in die andere Richtung. "Wenn du am Ende auf Feld eins bist, hast du gewonnen", erklärte Wolf Ende August. "Es gibt unmittelbar die Rückmeldung, ob du gewonnen oder verloren hast."
Der DFB verweist aufs Ausland. Viele Länder hätten ihren Kinderfußball in ähnlicher Weise erfolgreich reformiert. Die Konzepte würden sich zwar unterscheiden, die Entwicklung habe jedoch überall eine ähnliche Richtung. England und Frankreich haben ebenfalls Ligensystem für die jüngeren Jahrgänge abgeschafft.