EM-Qualifikation DFB-Frauen üben den Spagat für Olympia
Im Doppelpack gegen Polen (31. Mai und 4. Juni) wollen die deutschen Fußballerinnen vor dem Urlaub schnell die EM-Qualifikation klarmachen. Abermals haben die Topspielerinnen keine richtige Sommerpause.
Horst Hrubesch ist ein Mann klarer Worte. Und so gibt sich der Interimscoach der deutschen Frauen-Nationalmannschaft auch keinen Illusionen mehr hin, dass ihm das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Ende seiner Trainerkarriere noch einen Herzenswunsch erfüllt.
Die Mühlen dieser Organisation seien "zu langatmig", alles würde "ein, zwei Jahre" dauern, bis sich etwas zum Wohle der Sportler und Sportlerinnen verändere. Ergo geht der 73-Jährige davon aus, dass erneut nur 16 Feldspielerinnen und zwei Torhüterinnen für das Olympische Fußballturnier nominiert werden dürfen, obwohl bei EM und WM mittlerweile 23 oder 26 Akteure erlaubt sind. Neben dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) hatten sich auch andere Nationen um eine Anpassung bemüht. Vergeblich.
"Das ärgert mich wegen der Belastung", sagte Hrubesch in einer Medienrunde am Mittwoch. Denn auch bei den Frauen führt der gedrängte Spielkalender gerade diesen Sommer zu einer grenzwertigen Terminhatz, die insbesondere den europäischen Topspielerinnen kaum noch Luft zum Atmen lässt. Für die EM-Qualifikationsspiele gegen Polen - erst in Rostock am 31. Mai (20.30 Uhr), dann in Gdynia am 4. Juni (18 Uhr/live in ARD) - plant Hrubesch fest mit zwei Siegen und will sich "gezielt auf Olympia vorbereiten".
DFB-Frauen - erste Spiele gegen Australien und USA
Als Gruppenerster oder -zweiter wäre Deutschland direkt für die EM 2025 in der Schweiz qualifiziert und könnte in den Partien gegen Island (12. Juli) und Österreich (16. Juli) ein bisschen testen. Zuvor kommen seine Nationalspielerinnen Anfang Juli aus dem Urlaub, beginnen in den Vereinen die Vorbereitung, um dann gleich wieder für die DFB-Auswahl abgestellt zu werden.
Bei Olympia warten im besten Fall sechs anspruchsvolle Begegnungen, wenn der Traum von einer Medaille in Erfüllung gehen soll. So attraktiv der südfranzösische Spielort Marseille für die ersten Gruppenspiele gegen den WM-Vierten Australien (25. Juli) und Rekordweltmeister USA (28. Juli) auch ist: Die enge Taktung und die erwartete Sommerhitze treibt Vereinsvertretern schon heute Angstschweiß auf die Stirn.
Große Sorge bei Ralf Kellermann
Ralf Kellermann, Sportdirektor Frauen beim VfL Wolfsburg nannte es kürzlich "gesundheitsgefährdend, wenn das so durchgezogen wird". Alle drei Tage eine Partie "bei 40 Grad im Schatten" zu bestreiten, "das ist schon heftig." Der Pokalsieger und Vizemeister ist besonders betroffen, denn mit Torhüterin Merle Frohms, Kathrin Hendrich, Marina Hegering, Jule Brand und Alexandra Popp gelten als sichere Olympia-Fahrerinnen, Chancen haben auch Vivien Endemann oder Sommer-Neuzugang Janina Minge vom SC Freiburg.
Hrubesch kann solche Bedenken verstehen. "Ich weiß, dass es ein Spagat und nicht ganz einfach ist." Man habe sich extra im Vorfeld des jüngsten Länderspiels gegen Island (3:1) in Aachen mit den Klubs getroffen, um einen peinlichen Abstellungsstreit wie vor der WM 2023 in Australien - der FC Bayern gab damals seine Nationalspielerinnen erst verspätet frei - zu vermeiden.
Sara Däbritz wird Olympia verpassen
Der von Vereinen und Verband jetzt beschlossene Sommerfahrplan sieht vor, dass die Spielerinnen "nach bestem Wissen und Gewissen be- und entlastet werden", erklärte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer. Nicht schaffen wird es vermutlich Sara Däbritz, die noch unter den Folgen einer Knöcheloperation leidet. Als "eher unrealistisch" bezeichnete Hrubesch einen Olympia-Einsatz der Mittelfeldspielerin von Olympique Lyon, die 2016 in Rio de Janeiro zu den deutschen Goldmedaillengewinnerinnen zählte.
In den anstehenden vier restlichen EM-Qualifikationsspielen will Horst Hrubesch alle drei Torhüterinnen einsetzen. Merle Frohms (VfLWolfsburg), Ann-Katrin Berger (NJ/NY Gotham FC/USA) und Stina Johannes (Eintracht Frankfurt) sollen Gelegenheit haben, sich für Olympia zu empfehlen, so der Interims-Bundestrainer. Eine klare Nummer eins gebe es angeblich nicht mehr: "Ich lasse diese Frage einfach mal offen. Wenn morgen eine verletzt ist, dann ist die andere die Nummer eins. Warum soll ich mich da festlegen?", sagte der 73-Jährige.
Kein gesondertes Trainingslager
Hrubesch verzichtet auf einen angedachten Sonder-Lehrgang und setzt darauf, dass individuelle Fitnesspläne abgearbeitet werden. "Es ist am einfachsten, wenn du die Mädels mit in die Verantwortung nimmst. Auf der einen Seite kriegen sie Urlaub, auf der anderen Seite versuchen wir, sie gezielt auf Olympia vorzubereiten."
Es bleibt eine Gratwanderung: Die EM 2025 in der Schweiz mitgerechnet werden Leistungsträgerinnen wie Lena Oberdorf wahrscheinlich binnen vier Jahren vier große Turniere gespielt haben. Mehrere Wochen mal im Sommer richtig abzuschalten, war und ist nicht drin. Die jetzt vom VfL Wolfsburg zum FC Bayern wechselnde Mittelfeldspielerin hatte in der Doku Born for this bekundet, zeitweise jeden Antrieb verloren zu haben.
Entsprechende Äußerungen hat Hrubesch allerdings jetzt nicht mehr vernommen. Team und Trainer brennen für die Mission im Zeichen der Ringe. Für die Frauen haben die Olympischen Spiele einen extrem hohen Stellenwert. "Es hat irgendetwas", sagte der 2016 mit den deutschen Männern bis in Finale gekommene Erfolgsgarant Hrubesch, "ich kann das jedem nur empfehlen."