Vertraulicher Plan für die Frauen-Bundesliga DFB plant Mindestgrundgehalt für Fußballerinnen
Unweigerlich richten sich in den nächsten Tagen viele Blicke auf Alexandra Popp, Giulia Gwinn und Lena Oberdorf, die sich ab Montag (19.02.2024) vor den Toren Frankfurts versammeln, um sich auf dem DFB-Campus auf das wichtige Länderspiel in Lyon gegen Frankreich (Freitag 21 Uhr/live im Ersten) vorzubereiten.
Beim Final Four der neuen Women’s Nations League geht es um einen Startplatz bei Olympia, aber auch um die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Frauenfußballs. Die Alarmsignale sind auch für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) offensichtlich. Um den Anschluss mit der Frauen-Bundesliga nicht zu verlieren, liegen seit geraumer Zeit konkrete Verbesserungsvorschläge auf dem Tisch.
Ausgliederung kein Allheilmittel
"Wir arbeiten seit fast einem Jahr an einem konkreten Wachstums- und Professionalisierungsplan, der sehr vielfältige Maßnahmen umfasst. Da geht es um infrastrukturelle, personelle, mediale und weitere Rahmenbedingungen", sagt DFB-Geschäftsführer Holger Blask. Die Diskussion über das vertrauliche Papier läuft - beschlossen ist noch nichts.
Über den Kurs sind sich die zwölf Vereine der Frauen-Bundesliga nicht wirklich einig. Tobias Trittel trat als Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen zurück, weil ihm die Entwicklung viel zu langsam ging. Pikant: Der vom DFB vorgestellte Plan ging in einigen Punkten sogar weiter als das Thesenpapier, das Axel Hellmann als Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt und Katja Kraus von der Initiative "Fußball kann mehr" vorgestellt hatten – und dabei auch eine mögliche Abspaltung vom DFB ins Spiel brachten. An diesem Punkt erhebt Blask aber Einspruch: "Eine Ausgliederung ist per se kein Allheilmittel."
Die Dynamik in den USA und England ist enorm
Blask teilt indes die Sorge von Hellmann, dass die Frauen-Bundesliga um ihre Wettbewerbsfähigkeit bangen muss. In den USA verfügt die National Women’s Super League (NWSL) durch einen neuen TV-Vertrag die nächsten vier Jahre über 240 Millionen US-Dollar. In England könnte es für die Women’s Super League (WSL) von den bisher knapp zwölf Millionen Euro jährlich durch die Ausgliederung auch noch einen sprunghaften Anstieg geben.
Schon jetzt zieht es die weltbesten Spielerinnen eher nach England oder die USA als nach Deutschland. "Insbesondere der Medienrechteabschluss in den USA und die Investitionsbestrebungen in England bringen weitere Dynamik in die Entwicklung des internationalen Frauenfußballs", bestätigt der aus seinen DFL-Zeiten mit Vermarktungsfragen bestens vertraute DFB-Funktionär.
Hoher Bedarf an mehr Vollzeitkräften
Für ihn ergibt sich die Zielstellung, "den Frauenfußball hierzulande noch stärker in der Gesellschaft zu verankern, den Spielerinnen Rahmenbedingungen für ihren Profisport zu bieten, weitere Fans zu gewinnen und in dem Zuge die Liga zu einem sich wirtschaftlich selbsttragenden System zu entwickeln."
Bisher ist das System innerhalb der Frauen-Bundesliga insbesondere in den Lizenzvereinen auf eine Bezuschussung angelegt: Im Schnitt rund 1,5 Millionen Euro gaben die Klubs 2021/2022 dazu. Die Personalkosten (1,63 Millionen Euro) lagen höher als gesamten Erträge (1,42 Millionen Euro).
Der Investitionsbedarf würde allerdings noch deutlich größer, wenn umgesetzt würde, was der DFB vorschlägt: zur Saison 2025/2026 nur noch Stadien mit mindestens 5.000 Zuschauern Fassungsvermögen (davon 2.000 Sitzplätze) nutzen, eine Light-Version des VAR ab 2026/2027 einführen, auch Rasenheizung und Flutlicht mit 1.200 Lux wären gefordert.
Die Mitarbeiterstäbe sollen für die Professionalisierung wachsen. Neben einem Cheftrainer müssten die Vereine auch einen Assistenz- und Torwarttrainer, Physiotherapeuten, Athletiktrainer oder Videoanalysten hauptberuflich einstellen. Ohne auf jedes Detail einzugehen, sagt Blask allgemein: "Alle Maßnahmen zielen darauf ab, die Qualität der Liga und somit die Attraktivität für Fans und Partner zu steigern und somit auch eine verbesserte Wirtschaftlichkeit zu erzielen."
Supercup soll schnell kommen
Dazu gehört auch ein Supercup, ein Spiel zwischen Meister und Pokalsieger, das bereits zur neuen Saison kommen soll. Langsamer würde es mit der oft geforderten Aufstockung der Liga gehen. 14 Klubs erst ab der nächste Rechteperiode 2027, dann ab 2031 sogar 16 Vereine.
In dieser Frage steht Blask bewusst ein bisschen auf der Bremse, denn die Qualität der zusätzlichen Spiele müsse mitwachsen. "Sonst führt die Aufstockung zu einer noch weiter auseinanderdriftenden Mehrklassengesellschaft. Aktuell stehen unseres Erachtens keine vier weiteren Klubs vor der Tür, die entsprechende Strukturen und sportliche Qualität mitbringen."
Holger Blask ist Vorsitzender der Geschäftsführung der DFB GmbH und Co. KG
Deutschland will beste Liga der Welt sein
Der DFB hat für den Frauenfußball gegenüber dem Männerfußball einen Rückstand in der Organisation um 70 Jahre, im Bundesliga-Betrieb um 34 Jahre und als Live-Medienprodukt um 21 Jahre ausgemacht. Das erkläre "sowohl den ungleichen sportlichen und wirtschaftlichen Ist-Zustand als auch das Wachstumspotenzial und die dringende Notwendigkeit von Investitionen", heißt es einleitend.
Deutschland will in Zukunft die "beste Frauenfußball-Liga der Welt" stellen. Ein ambitioniertes Ziel nach dem kollektiven Scheitern in der Women's Champions League vor dem Viertelfinale. Für die nächsten acht Spielzeiten bis zur Saison 2030/31 hat der DFB einen Finanzierungs- und Investitionsbedarf von 135,8 Millionen Euro errechnet. Einigen Klubvertretern standen Anfang Dezember bei der Vorstellung die Münder offen, als sie die vom DFB unterbreiteten Vorschläge zu einem Mindestgrundgehalt zur Kenntnis nahmen.
62 Prozent der Bundesliga-Spielerinnen verdienen weniger als 2.920 Euro im Monat
Demnach spannt sich der Optionsraum für ein Mindestgehalt zwischen 2.190 und 3.650 Euro – dieses soll an 22 Kaderspielerinnen fließen. Das wäre ein Quantensprung bei der Bezahlung. Wie aus dem Papier hervorgeht, verdienen 62 Prozent der Spielerinnen der Frauen-Bundesliga deutlich weniger als 2.920 Euro. 50 Prozent der Klubs würden übrigens 3.000 Euro als adäquates Mindestgrundgehalt ansehen.
35 Prozent der Spielerinnen verdienen aktuell weniger als 2.000 Euro - das betrifft vorranging jüngere Spielerinnen, die nebenbei noch studieren oder in der Ausbildung sind. Typisch sind Anstellungsverhältnisse mit teils noch dreistelligen Aufwandsentschädigungen für den Aufsteiger 1. FC Nürnberg oder den Ausbildungsverein SGS Essen.
Streitthema Mindestgrundgehalt
Fünfstellige Monatsgehälter kassieren nur vier Prozent aller Aktiven. Diese dürften sich vorrangig auf die Spitzenvereine FC Bayern und VfL Wolfsburg verteilen, denn dort machen Kaderspielerinnen, die unter 3.650 Monatsgehalt liegen, weniger als zehn Prozent aus.
Monatsgehalt | Anteil der Spielerinnen in Prozent |
---|---|
weniger als 1000 Euro | 13 |
1000 - 2000 Euro | 22 |
2000 - 3000 Euro | 27 |
3000 - 4000 Euro | 9 |
4000 - 5000 Euro | 7 |
5000 - 10.000 Euro | 20 |
mehr als 10.000 Euro | 4 |
Blask weiß, dass die Einführung eines Mindestgrundgehalts selbst Klubs, die sich wie der 1. FC Köln, Bayer Leverkusen, SC Freiburg oder Werder Bremen längst aus Überzeugung zu einer Förderung des Frauenfußballs bekennen, ad hoc zu einer erheblichen Anhebung des Gehaltsbudgets zwingen würde.
Daher will er an dieses Thema auch nicht dogmatisch herangehen. "Ein Mindestgrundgehalt zur Förderung der Professionalisierung ist Bestandteil der Überlegungen. Die adäquate Höhe und Mechanik ist jedoch - wie viele andere Aspekte auch - Gegenstand unserer aktuellen Diskussionen mit den Klubs und keineswegs schon festgelegt."
Ambitionierte Zeitpläne
Zwei Zeitpläne hatte der DFB entworfen. Der erste hätte bereits eine Zustimmung Ende 2023 erfordert, dann wäre im März der Antrag auf einen Außerordentlichen Bundestag eingegangen, der im Mai die Entscheidungen abgesegnet hätte - unmittelbar nach Vergabe der Frauen-WM 2027 und noch vor Beginn der Männer-EM 2024.
Nun können die zentralen Entscheidungen für die Zukunftsfähigkeit der Frauen-Bundesliga, damit ist aber auch unweigerlich die Konkurrenzfähigkeit der Nationalmannschaft verknüpft, erst zum Jahresende auf den Weg gebracht werden. Bei weiteren Verzögerungen warnt der Verband selbst "vor Perspektivverlust" und davor, "von anderen Initiativen überholt zu werden".
Blask: "Die Frauen-Bundesliga hat in den letzten zwei Jahren in Sachen medialer Sichtbarkeit und Erlöse basierend auf den nationalen und internationalen Medienverträgen sowie den Partnerschaften mit dem Namenssponsor Google, EA, Adidas und weiteren einen enormen Schritt gemacht. Gemessen am Zentralvermarktungserlös liegt sie aktuell vor Spanien, Frankreich und nur knapp hinter der englischen Women’s Super League. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen."