Saudi-Arabiens Chefcoach Hervé Renard gibt seinem Spieler Anweisungen

FIFA WM 2022 Jenseits von Afrika - Globetrotter Renard auch mit Saudis auf Erfolgskurs

Stand: 25.11.2022 17:44 Uhr

Der französische Trainer Hervé Renard wird in Afrika als "weißer Zauberer" verehrt, seit er Sambia und die Elfenbeinküste zur Kontinentalmeisterschaft führte. Nun plant der Motivationskünstler mit Saudi-Arabien den nächsten Coup. Dem Sensationssieg gegen Argentinien soll der zweite Einzug in die K.o.-Runde einer Weltmeisterschaft folgen.

Nachdem Saudi-Arabien mit dem 2:1 gegen Argentinien für die erste Sensation der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gesorgt hatte, kursierte im Internet ein Video aus der Halbzeitpause eines WM-Qualifikationsspiels. Es sollte als Beispiel dienen, wie Trainer Hervé Renard seine Spieler puscht und wie die Fußballer an seinen Lippen hängen. Seine Ansprache in einem Kauderwelsch aus Französisch und Englisch, unterbrochen von den arabischen Übersetzungen eines Betreuers, begann er mit leiser Stimme, ehe er die Spieler anbrüllte und mit den eindringlichen Worten endete: "Ihr habt noch 45 Minuten, bleibt ruhig, vertraut in eure Fähigkeiten - go, go go!" Die Spieler applaudierten artig.

Al-Malki über Renard: "Er hat uns dazu gebracht, Gras zu fressen"

Renard besitzt offenbar die Gabe, tief in die Köpfe von Fußballern vorzudringen, selbst wenn er ihrer Sprache nicht mächtig ist. "Wir haben einen verrückten Coach. Er hat uns während der Halbzeit motiviert und uns Sachen gesagt, die uns dazu gebracht haben, Gras zu fressen", sagte Abdulellah Al-Malki nach dem Sieg gegen Argentinien, der als taktisches Meisterstück gefeiert wurde. Vor dem Spiel habe er nach Renards emotionaler Ansprache sogar geweint, erzählte Al-Malki, "ich schwöre es".

König Salman rief in Saudi-Arabien einen Feiertag aus

Im Nachbarland von Katar rasteten die Fußball-Fans aus. König Salman erklärte den Tag nach dem Sieg zum Feiertag. Renard selbst erwies sich als loyaler Angestellter des Fußballverbandes im Autokratenstaat, der ebenso wie Katar wegen Menschenrechtsverletzungen international in der Kritik steht. "Ich widme diesen Sieg dem saudischen Volk", schrieb er bei Instagram. "Wir haben Fußballgeschichte geschrieben, das bleibt für immer", hatte er zuvor in der Pressekonferenz gesagt.

Weiße Hemden als Glücksbringer

Der smarte Franzose, der seit seiner erfolgreichen Zeit in Afrika edle weiße Slim-Fit-Hemden als Glücksbringer trägt, richtete den Blick aber auch schon nach vorn: "Wir haben noch zwei Spiele gegen Teams, die im FIFA-Ranking ebenfalls vor uns stehen." Gelänge am Samstag gegen Polen (26.11.2022/14 Uhr MEZ / live im Ersten und auf sportschau.de) erneut ein Sieg, stünde Saudi-Arabien bei seiner sechsten WM zum zweiten Mal nach 1994 schon sicher in der K.o.-Runde. Zum Abschluss der Gruppe C bekommen es die "Grünen Falken" mit Mexiko zu tun (30.11.2022/20 Uhr MEZ).

Renard feierte WM-Debüt 2018 mit Marokko

Ein Achtelfinale bei einer WM zu spielen - das wäre sowohl für die aktuellen saudischen Auswahlkicker als auch für Renard ein neues Erlebnis. WM-Erfahrung als Trainer hat der 54-Jährige aber. Vor vier Jahren qualifizierte er sich mit Marokko, schaffte auch in Russland mit dem 2:2 gegen Spanien eine kleine Überraschung, aber es war der einzige Punkt im Turnier für die Nordafrikaner.

Afrikameister mit Sambia und der Elfenbeinküste

In Afrika hat der Savoyer schon vor langer Zeit sein Glück gefunden. Als Profi war er selbst nicht sonderlich erfolgreich, brachte es in Frankreich nur auf einen Erstliga-Einsatz für AS Cannes. Dem Ruf Afrikas folgte er erstmals im Jahr 2007, als ihn sein Mentor Claude Le Roy als Assistent zur ghanaischen Nationalmannschaft holte. In den Folgejahren tingelte er über den Kontinent, wurde Nationaltrainer in Sambia und Angola, für kurze Zeit Coach des algerischen Erstligisten USM Algier und kehrte dann nach Sambia zurück.

Dort errang er Heldenstatus mit dem erstmaligen Gewinn der Afrika-Meisterschaft 2012. Das Kunststück gelang ihm ein zweites Mal 2015 mit der Elfenbeinküste. Nach einem glücklosen Intermezzo beim OSC Lille heuerte er 2016 in Marokko an und führte die "Löwen vom Atlas" zur WM 2018.

Renards Vertrag schon bis 2027 verlängert

Seit 2019 führt Renard nun die Geschicke der saudischen Nationalmannschaft. Der Franzose gilt als Disziplinfanatiker, Solidarität und Teamgeist stellt er stets als Grundtugenden für Erfolge im Fußball heraus. Nach der souveränen Qualifikation für die Endrunde bekam Renard mehr als 30 Tage Zeit für die Vorbereitung auf das Turnier in Katar. Sein Vertrag wurde, unabhängig vom Erfolg im Wüsten-Emirat, bereits bis 2027 verlängert.

Saudi-Arabiens Chefcoach Hervé Renard gestikuliert wild am Spielfeldrand

Hervé Renards Vertrag in Saudi-Arabien wurde bereits bis 2027 verlängert.

Bewerben sich die Saudis um die WM 2030?

Sollte Renard mit Saudi-Arabien tatsächlich der Einzug ins Achtelfinale gelingen, würde das die Ambitionen des islamischen Königreichs im Weltsport enorm puschen. Laut Medienberichten denken die Saudis darüber nach, sich zusammen mit Ägypten und Griechenland für die Fußball-WM 2030 zu bewerben. "Jedes Land wäre sehr gerne Ausrichter der Weltmeisterschaft", sagte Sportminister Abdulasis bin Turki al-Faisal in einem Interview des britischen Senders BBC.

Saudi-Arabiens Sportswashing

In Position gebracht haben sich die Saudis mit ihren finanziellen Möglichkeiten schon längst. Durch die Hafenstadt Dschidda am Roten Meer rollt die Formel 1. Die Asiatischen Winterspiele 2029 sollen in Saudi-Arabien stattfinden - in einem Skigebiet mitten in der Wüste, das noch gar nicht gebaut ist.

Auch in den Fußball investiert das arabische Land, das als weltgrößter Erdöl-Exporteur steinreich geworden ist. Der spanische Supercup wird bis 2029 dort ausgetragen. Ein saudi-arabischer Staatsfonds ist Eigentümer des Premier-League-Klubs Newcastle United, um Manchester United und den FC Liverpool wird von Investoren aus Riad wohl mitgeboten. Die Liga des Golfstaates buhlt ebenso unverdrossen um Cristiano Ronaldo, obwohl der bei Manchester United entlassene fünfmalige Weltfußballer ein hochdotiertes Angebot schon abgelehnt haben soll.

Und auch bei der FIFA wird ganze (Vor-)Arbeit geleistet. Kronprinz Mohammed bin Salman, der beschuldigt wird, den Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi vor vier Jahren in Auftrag gegeben zu haben, ist beim Weltverband längst wieder salonfähig. Bei der WM-Eröffnungsfeier nahm er auf der Ehrentribüne neben FIFA-Präsident Gianni Infantino Platz.