FIFA WM 2022 Ende des WM-Fluchs? Marokko und Senegal lassen Afrika hoffen
13 Nationalteams aus Afrika haben es schon versucht, spätestens im Viertelfinale war bis jetzt aber immer Schluss. Bei der WM in Katar soll alles anders werden. Ist das realistisch?
Ob Manuel Neuer noch heute in den Albträumen von algerischen Fußball-Fans auftaucht, ist leider nicht bekannt. Dass der deutsche Nationaltorhüter mitverantwortlich für den afrikanischen WM-Fluch ist, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Im Achtelfinale der WM 2014 in Brasilien zeigte Neuer eine fast schon überirdische Leistung und legte mit mehreren Glanzparaden den Grundstein zum späteren 2:1-Sieg nach Verlängerung. Algerien verzweifelte und schied aus.
Neuer verlängert Afrikas Durststrecke
Für die Nordafrikaner war Neuers Sahnetag gleichbedeutend mit dem Ende aller Hoffnungen. Da wenige Stunden zuvor bereits Nigeria an Frankreich gescheitert war, war Neuers Sahnetag auch noch gleichbedeutend mit dem Ende aller afrikanischen Hoffnungen. Die WM fand ab diesem Zeitpunkt wieder einmal ohne afrikanische Teilnehmer statt.
Da zudem bei der WM 2018 alle Afrikaner bereits in der Gruppenphase ausschieden, verlängerte Neuers Sahnetag die ohnehin lange afrikanische Durststrecke um weitere acht Jahre. Die letzte Viertelfinal-Teilnahme eines afrikanischen Teams gelang Ghana 2010, zuvor hatten dies schon Kamerun (1990) und der Senegal (2002) geschafft. Eine afrikanische Auswahl im Halbfinale gab es noch nie. Genau das soll sich jetzt ändern. Doch wie stehen die Chancen?
Marokko schlägt Belgien und setzt Ausrufezeichen
Klar ist: Seit Sonntag und dem marokkanischen 2:0-Coup gegen Belgien sollte sich zumindest die Schmach der vergangenen Weltmeisterschaft nicht wiederholen. Marokko setzte sich gegen den Dauer-Geheimfavoriten Belgien hochverdient durch und hat als Tabellenführer der Gruppe F sehr gute Chancen auf den Einzug in die nächste Runde. Im abschließenden Spiel gegen Kanada reicht den Nordafrikanern bereits ein Remis fürs Achtelfinale.
"Es ist ein großer Wettbewerb und wir haben gegen eines der besten Teams der Welt gespielt. Mit diesen Fans und diesem Spirit kannst du alles schaffen", zeigte sich Marokkos Nationaltrainer Walid Regragui nach der Partie selbstbewusst. Die Marokkaner haben das Zeug für eine Überraschung und dank Spielern wie Achraf Hakimi von Paris St- Germain oder Hakim Ziyech vom FC Chelsea auch noch jede Menge individuelle Qualität. Heißt: Marokko könnte den Fluch tatsächlich beenden.
Senegal spricht vom WM-Titel
Durchaus überraschend zog der Senegal als erstes afrikanisches Team bei dieser WM ins Achtelfinale ein. Die Westafrikaner müssen zwar den Ausfall von Superstar Sadio Mané verkraften. Nach der unglücklichen 0:2-Niederlage gegen die Niederlande zum Auftakt und dem 3:1-Erfolg gegen Gastgeber Katar am zweiten Spieltag zog das Team von Trainer Aliou Cissé durch ein 2:1 gegen Ecuador in die K.o.-Runde ein.
"Japan hat bei diesem Turnier Deutschland geschlagen, Saudi-Arabien hat gegen Argentinien gewonnen. Es ist alles möglich", hatte Trainer Cissé die Ausgangslage vor dem Spiel zusammengefasst. Und seine Landsleute zum Träumen animiert: "Ich bin überzeugt davon, dass eine Mannschaft aus Afrika Weltmeister werden kann."
Ghana hat Chancen aufs Achtelfinale
Ghana brachte sich nach einer 2:3-Niederlage gegen Portugal zum Auftakt und einen 3:2-Sieg gegen Südkorea ebenfalls schon mal auf Achtelfinalkurs. Die Westafrikaner sind Gruppenzweiter hinter den bereits qualifizierten Portugiesen. Und am letzten Spieltag treffen die "Black Stars", trainiert vom ehemaligen Bundesliagprofi Otto Addo auf Uruguay. Die Südamerikaner enttäuschten bei der WM in Katar bisher komplett. Ein Ghana-Sieg also absolut realistisch.
Schlechte Karten für Tunesien und Kamerun
Blieben mit Tunesien und Kamerun zwei Mannschaften mit maximal Außenseiter-Chancen. Die Tunesier müssten am letzten Spieltag schon Frankreich schlagen und auf ein Remis zwischen Australien und Dänemark hoffen.
Auch Kamerun braucht einer 0:1-Niederlage gegen die Schweiz und einem Remis gegen Serbien Schützenhilfe. Das Problem: Davor muss Kamerun erst einmal sein eigenes drittes Spiel gewinnen - und das geht gegen Rekord-Weltmeister Brasilien.
Das Halbfinale ist ein Traum, aber möglich
So oder so: Die afrikanischen Teams haben sich, das ist schon jetzt ersichtlich, weiterentwickelt. Die große Kritik, dass sie trotz namhafter Akteure den europäischen und südamerikanischen Teams vor allem mental und taktisch unterlegen sind, scheint überholt. Finanziell spielen die Afrikaner zwar weiter in einer anderen Liga, es fehlt zudem hier und da an Langzeit-Konzepten. Dass erstmals alle fünf teilnehmenden Nationen einen Trainer aus dem eigenen Land haben, ist aber ein gutes Zeichen.
Für den ganz großen Wurf wird es zwar voraussichtlich auch bei der WM in Katar nicht reichen, ein afrikanisches Team im Viertelfinale oder gar Halbfinale ist aber allemal drin.
Für Marokko gibt es allerdings noch eine schlechte Nachricht: Im Achtelfinale könnte es zum Duell mit Deutschland kommen. Im Tor steht Manuel Neuer.